„Da passiert nichts, der hat Welpenschutz!“
STIMMT DAS? – NEIN.
Welpen signalisieren ihrem Gegenüber aufgrund ihrer Größe und ihres Alters häufig, dass es von ihnen nichts zu befürchten gibt. Der Hundekontakt kann glimpflich ablaufen, muss aber deshalb noch lange nicht wertvoll in Bezug auf zukünftiges Verhalten in Hundebegegnungen sein.
Aus dem Umstand heraus, dass Welpen sich meist ihrer Unterlegenheit bewusst sind, empfinden sie andere Hunde oft als bedrohlich und treten ihnen dementsprechend demütig entgegen. Hinzu kommt allerdings häufig ein großes Interesse und eine damit einhergehende hohe Aufregung. Diese gegenteiligen Emotionen bringen Welpen in einen inneren Konflikt, weshalb sie sich übermütig verhalten, den anderen Hund anspringen, seine Lefzen belecken, bellen oder hastig um ihn herum rennen.
Dieses hektische Herumalbern nennt sich “Fiddle” und ist eine der fünf Bewältigungsstrategien, die Hunde als Reaktion auf eine empfundene Bedrohung oder einem inneren Konflikt zeigen und wird aufgrund ähnlicher Komponenten, zum Beispiel der Vorderkörpertiefstellung, oft mit Spielverhalten verwechselt.
Diese Verhaltensweisen rufen bei einigen erwachsenen Hunden alles andere als Begeisterung hervor. Somit birgt die Situation die Gefahr, dass selbst angemessenes abwehrendes Verhalten des Gegenübers den Welpen erschreckt und Angst vor anderen Hunden entsteht. Wenn wir es nun mit einem erwachsenen Hund zu tun haben, welcher schlecht sozialisiert ist und die Hundesprache nicht fließend beherrscht oder bei dem der Welpe, wenn natürlich auch unbeabsichtigt, Schmerzen verursacht, kann die Situation schnell eskalieren. Die Abwehrreaktionen können heftiger ausfallen und den Welpen nicht nur nachhaltig erschrecken, sondern ihn eventuell sogar verletzen.
Es gibt auch Welpen, denen das neugierige Interesse an anderen Hunden fehlt, weil sie sich vor ihnen fürchten. Selbst wenn das Gegenüber dann eigentlich freundlich-interessiert am Welpen ist, kann ihn das überfordern und seine Furcht noch vergrößern.
Besser wäre es, gezielte Hundekontakte mit zum Naturell des Welpen passenden anderen Hunden herzustellen. Das kann für einen ängstlichen Welpen beispielsweise ein ungefähr gleich großer, ruhiger, an anderen Hunden eher desinteressierter, erwachsener Hund sein, welcher den Welpen nicht überrumpelt und durch seine neutrale Ruhe und geringe Größe möglichst wenig bedrohlich wirkt.
Für einen aufgeweckten und interessierten Welpen wäre es passend, wenn der andere Hund gelassen und anderen Hunden wohlgesonnen ist. So wird verhindert, dass die beiden Hunde sich gegenseitig mit übersprudelnder Aufgeregtheit anstecken und trotzdem kann eine positive Interaktion stattfinden.
Gehört ein Welpe zu einer Kleinhunderasse, muss besonders darauf geachtet werden, dass er nicht überrumpelt wird. Daher empfiehlt es sich, rücksichtsvolle und Kleinhund-erprobte größere Hunde und gleich große Hunde als Spielpartner zu wählen. Bei einem wilden Gegenüber ist die Gefahr groß, dass dem kleinen Welpen aus Versehen weh getan wird und er den Hundekontakt mit großen Hunden als negativ abspeichert.
Ist der Welpe selbst eher aufgedreht und stürmisch, kann man ihn als Mensch über die am Brustgeschirr befestigte Leine behutsam ausbremsen und so verhindern, dass der andere Hund überrannt wird. Das ist für viele Welpen frustrierend, deshalb sollte man als Bezugsperson ein gutes Augenmerk darauf haben und den Welpen mit stimmlichem Lob und Spiel mit dem Menschen unterstützen, um etwas von der Aufregung abfangen. Zudem hilft es dem Welpen oft, in Bewegung zu bleiben, anstatt mit dem anderen Hund vor der Nase stehen zu bleiben.
Insbesondere Welpen, welche zu den sogenannten Gebrauchshunderassen, wie der Schäferhund, zählen, bringen eine genetische Veranlagung zu vollem Körpereinsatz bei steigender Erregung mit. Wie eingangs erwähnt, ist Hundekontakt oft sehr aufregend für Welpen. Dadurch steigt die Erregung und manch ein Welpe neigt dann dazu, den anderen Hund heftig anzurempeln oder zu kräftig mit dem Maul zuzupacken. Auch hierbei sollte die Bezugsperson den Welpen wie oben beschrieben sanft bremsen und als Ventil für die Erregung Bewegung ermöglichen.
Der Mensch ist immer gefragt. Zum einen hat die Stimmung der Bezugsperson einen großen Einfluss auf den Welpen. Sorgt der Mensch sich übermäßig, nimmt den Welpen fast immer hoch und lässt so erst gar keinen Kontakt entstehen oder meidet fast jeden Kontakt, hat das einen negativen Einfluss auf die Sozialkompetenz des Welpen. Er macht selten bis nie die Erfahrung, dass Artgenossen nett sein können und kann keine Fertigkeiten im Umgang mit ihnen ausbilden. Zudem ist eines der Grundbedürfnisse, nämlich das nach Sozialkontakt, nicht oder nur unzureichend erfüllt.
Infolgedessen kann der Welpe eine Furcht vor anderen Hunden entwickeln oder sich extrem aufgeregt bei Hundebegegnungen verhalten. Auch Verhaltensauffälligkeiten in anderen Bereichen sind aufgrund des nicht erfüllten Grundbedürfnisses möglich.
Vertritt die Bezugsperson die Haltung, dass der Welpe durch Kontakt mit Hunden jeglicher Couleur sozialkompetent wird, birgt das ebenfalls einige Risiken. Häufig findet der direkte Kontakt zwischen Welpe und einem anderen Hund zu schnell für einen der beiden statt, keiner von beiden beherrscht eine feine innerartliche Kommunikation oder das Gegenüber fühlt sich durch den jungen Hund bedrängt.
Insbesondere der letzte Punkt trifft häufig zu und das typische Welpengebaren wird grob geahndet vom anderen Hund. Einige Menschen hegen dabei insgeheim die Hoffnung, dass ihr junger Hund so lernen würde, weniger aufdringlich zu sein. Leider ist das Resultat eines solchen Hundekontaktes ebenso wie das der anderen zwei Szenarien eher ein gehöriger Schreck beim Welpen. Infolgedessen entsteht entweder mehr aufgeregtes Verhalten in Hundebegegnungen oder Furcht vor anderen Hunden.
Kommt dann noch die Annahme hinzu, dass die Hunde „das unter sich regeln“, nehmen Welpen besonders häufig Schaden und speichern außerdem noch ab, dass ihr Mensch nicht verlässlich und keine Hilfe im Hundekontakt ist.
Anstatt sich als Mensch komplett rauszuhalten oder erst gar keinen Kontakt entstehen zu lassen, kommt es darauf an, passend zu unterstützen. Die passende Unterstützung ist individuell und situationsabhängig. Zwei grundsätzliche Punkte gibt es: gute Stimmung verbreiten und den Welpen schützen. Gute Stimmung lässt sich durch einen freundlichen Tonfall sowohl dem eigenen Hund als auch dem anderen Hund und Mensch gegenüber und eine gelassene Körperhaltung verbreiten. Schutz bietet man dem Welpen durch gutes Zureden, falls der Welpe noch keinen direkten Kontakt möchte, auch durch ein behutsames Abfangen des anderen Hundes. Im direkten Kontakt gibt man darauf Acht, dass der Welpe nicht überfallen wird und hilft ihm, wenn nötig, aus der Situation.
Ein paar grundsätzliche No-Gos für den Kontakt zwischen Welpe und erwachsenem Hund gibt es zu beachten. Dazu zählt grobes Verhalten dem eigenen oder anderen Hund gegenüber. Laut werden, Treten, Kneifen und an der Leine rucken, weder beim Welpen noch beim erwachsenen Hund, gehen gar nicht und sabotieren eine vertrauensvolle Bindung zwischen Hund und Mensch und können zu nachhaltig schädlichen Fehlverknüpfungen führen. Aber auch das Belehren der anderen Hundehalter:innen sollte unterlassen werden. Ob es um das Erlauben des Kontakts an der Leine, die Fehlinterpretation von aufgeregten Verhaltensweisen als Dominanz oder angeblichen mangelnden Respekts geht: Ein sinnvoller Austausch auf Augenhöhe findet da in der Regel leider nicht statt.
Kontakt zu anderen Hunden ist für Welpen wichtig, um ihr Bedürfnis nach Sozialkontakt zu erfüllen und späteren Probleme vorzubeugen. Dabei zählt die Qualität, nicht die Quantität der Hundekontakte. Den richtigen Weg für sich und seinen Welpen im Spannungsfeld zwischen „Die regeln das unter sich!“ und gar keinem Hundekontakt zu finden, ist nicht einfach. Gewaltfrei arbeitende Hundetrainer:innen und Verhaltensberater:innen helfen dabei gerne und sorgen gemeinsam mit Hundehalter:innen dafür, dass mit dem Welpen ein guter Start gelingt und eine positive Basis geschaffen wird.