Warum belasten unangenehme Situationen im Alltag mit Hund die Beziehung?
Was können wir tun?
Jeder von uns hat nicht nur einmal in seinem Leben unangenehme Situationen zu meistern und ist heilfroh, wenn er sie gut überstanden hat und sie nicht allzu häufig auftreten. Genauso geht es unseren Hunden, mit einem Unterschied, dass leider immer wieder von der Bezugsperson übersehen wird, dass ihr Hund sich gerade in einer solchen befindet und vielleicht sogar wegen ihres eigenen Verhaltens.
Natürlich können wir Menschen, auch wenn wir noch so achtsam mit unseren Hunden umgehen, nicht alles Unangenehme von ihnen fernhalten. In vielen Alltagssituationen können wir aber durch genaues Beobachten der Körpersprache oder vorausschauendes Training unseren Hunde helfen und Situationen erleichtern.
EIN BEISPIEL AUS MEINER EIGENEN PRAXIS:
Nicht selten erlebe ich Menschen, die vor lauter Angst, dass sich ihr Hund nicht “gut erzogen” in der Praxis zeigt, die Unsicherheit/Angst ihres Hundes übersehen. Wie sieht das aus? Bitte an die Bezugsperson: Bitte, lassen Sie Ihren Hund auf die Waage gehen.
Was passiert im Menschen?
Er wird nervös, da sein Hund nicht gleich beim ersten Versuch draufsteigt. Und ihm fällt ein, dass er die Leckerlis vergessen hat und jetzt seine Chancen noch geringer sind. Also, neuer Versuch und wieder klappt es nicht. Das geht so weiter, bis er seinen Hund am Ende schnappt und ihn auf die Waage hebt oder zerrt.
Wie geht es dem Hund dabei?
Zum einen merkt der Hund, dass seine Bezugsperson nervös ist. Dadurch ist auch er deutlich vorsichtiger und unsicherer. Zum anderen kann er von den tollen Gerüchen, gerade auf der Waage, auf der viele verschiedene Tierarten gewogen werden, freudig aufgeregt sein. Sein Interesse an der Waage ist für den ersten Moment oft noch anderer Natur. Viele Hunde, aber auch Katzen möchten erst einmal in Ruhe alles beschnuppern, bevor sie der Bitte nachkommen können und sich kurz mal ruhig draufstellen. Dies wird aber durch die Aufregung des Menschen verhindert, der Hund übergangen und irgendwie auf die Waage befördert.
Irgendwo ist es schon verständlich, dass sich der Hundehalter:in bemüht, möglichst zügig zu handeln, da Tierärzte:innen nicht selten unter Zeitdruck stehen. Dennoch gilt es vorausschauender als Bezugsperson zu sein, damit einschätzbare Situationen so stressfrei und freundlich wie möglich für unsere Hunde ablaufen können.
Wir alle müssen immer wieder durch unangenehme Situationen durch, aber oftmals können Situationen angenehmer werden, indem man sich im Vorhinein Gedanken macht, was wie zum Positiven verändert werden kann.
Immer wieder höre ich den Satz: “ Da muss er halt jetzt durch.”
Natürlich gibt es Situationen, die unangenehm sind und der Hund da durch muss, aber es gibt immer ein wie. Viele Situationen können für unsere Hunde deutlich erleichtert werden. Wichtig ist, dass die Bezugsperson wahrnimmt, dass der Hund ein Problem hat und wie sie aus der Situation möglichst angenehm wieder raus kommt und was sie machen kann, dass ihr Hund zukünftig diese Situation leichter meistern kann. Unsere Hunde wissen ja nicht, dass das Unangenehme nur kurz dauert.
Hier noch ein paar Beispiele für unangenehme Alltagssituationen:
- Pfoten abtrocknen
- Geschirr anziehen
- Fellpflege
- Zecken entfernen
- Hochheben/Festhalten
- Hundebegegnungen
- Unsicherheiten anderen/fremden Menschen gegenüber
- Tierarztbesuch
- Autofahren
- Alleine Bleiben
- und noch vieles mehr
Eine wichtige Frage, die ihr euch stellen solltet, ist, was passiert mit der Beziehung zwischen euch und eurem Hund, wenn ihr auf die Bedürfnisse und Zeichen eurer Hunde NICHT achtet.
- Vertrauensverlust
- Unsicherheit
- Bindungsverlust
- im schlimmsten Fall Angst
Jeder Hund verarbeitet unschöne Erlebnisse anders. Bei dem einen merkt man es kaum bis gar nicht, aber der andere trägt vielleicht ein Trauma davon und flüchtet beim Geschirr Anziehen künftig panisch.
WAS KANN ICH NUN TUN, DAMIT ICH MEINEN HUND GUT DURCH UNANGENEHME SITUATIONEN BEGLEITE?
KÖRPERSPRACHE LESEN LERNEN
Die Grundlage, damit ich gut mit meinem Hund zusammen leben kann, ist, dass ich mich mit der Sprache unserer Hunde beschäftige. Hunde sind Meister im Verwenden und Wahrnehmen feiner körperlicher Signale. Wir dagegen sind wahrhaftige Grobmotoriker. Daher heißt es für uns Beobachten schulen und Lernen. Nur wer seinen Hund gut lesen kann, kann seine momentane, emotionale Situation gut einschätzen.
Wir Menschen neigen dazu, Situationen zu bewerten und zu interpretieren, anstatt richtig zu beobachten. Nicht selten liegen wir mit unserem ersten intuitiven Eindruck falsch.
Nicht nur das Beobachten unserer Hunde ist wichtig, sondern auch wie wir unseren Hunden gegenübertreten. Nicht selten sind wir Menschen an den Reaktionen unserer Hunde schuld, da wir uns aus Hundesicht nicht freundlich verhalten.
Ein Beispiel:
Wir sehen einen uns bekannten Hund, gehen geradeaus auf ihn zu, sehen ihm dabei in die Augen, dann beugen wir uns über den Hund und wollen ihn am Kopf streicheln.
Was empfindet der Hund dabei?
Von kann ich aushalten bis finde ich gruselig, kann alles dabei sein.
Nicht jedem ist bewusst, dass er sich total unfreundlich dem Hund gegenüber verhält, denn es ist im Umgang unter uns Menschen ganz normal.
MANAGEMENT
Teilweise kann Mangement eine gute Möglichkeit sein. Es eignet sich für Situationen, die selten auftreten oder als Zwischenschritt, wenn das Training noch nicht so weit fortgeschritten ist. Ziel sollte immer sein, möglichst wenig Management im Alltag nutzen zu müssen.
Wie kann das aussehen?
Wenn mein Hund auf unseren täglichen Spaziergängen nur einmal im Monat einen anderen Hund trifft und daher nicht geübt ist, entspannt an fremden Hunden vorbeizugehen, kann ich ihn an eine Futtertube andocken lassen und in ein einem für meinen Hund möglichst angenehmen Abstand vorbei locken.
VORHERSEHBARKEIT/ANKÜNDIGUNG
Vorhersehbarkeit kann ein sehr hilfreiches Tool sein, um den Hund zur Mitarbeit zu animieren. Alltagsabläufe möglichst gleich zu gestalten, gibt Erwartungssicherheit und entspannt dadurch das Leben einiger Hunde deutlich. Auch so Kleinigkeiten, wie die Pfoten immer in der gleichen Reihenfolge abzutrocknen, kann bei dem ein oder anderen Hund sehr hilfreich sein.
MEDICAL TRAINING
Es ist so viel mehr als nur Training für den Tierarztbesuch. Es kann unsere Hunde im Alltag sehr unterstützen. Zudem fördert es den Bindungsaufbau und das Vertrauen ineinander. Wir lernen unseren Hund aufmerksam zu beobachten und seinen Gemütszustand in der momentanen Situation einzuschätzen. Er darf mit entscheiden, ob er den nächsten Trainingsschritt noch meistern kann oder gibt uns eine klare Information, dass wir etwas ändern müssen.
Wir können häufig notwendige Pflegemaßnahmen wie:
- Pfoten abtrocknen,
- Krallen kürzen,
- Bürsten,
- Duschen, etc.,
kleine medizinische Maßnahmen wie:
- Zecken entfernen,
- Ohrentropfen eingeben,
- Wurmtablette eingeben, etc.
aber auch:
- Maulkorb tragen
- Jacke/Mantel anziehen
- Geschirr anziehen
- Halskragen tragen, etc. trainieren.
Es gibt einige Dinge, die sollten für den Notfall trainiert sein. Andere wiederum sollten für den Hund so angenehm wie möglich gemacht werden, denn sie müssen vielleicht ein Leben lang in regelmäßigen Abständen getan werden.
Wir haben die Verantwortung für ein Lebewesen übernommen, daher ist es unsere Aufgabe, es in unserer Welt so gut es geht zu begleiten und sie auf unangenehme Situationen möglichst gut vorzubereiten, damit alle am Ende gestärkt daraus hervorgehen können. Gemeinsam achtsam schwierige Situationen zu meistern, verbindet und schafft Vertrauen.
(Beitrag aktualisiert 15.2.2024)