Train the Trainer: Das Brettspiel, Tiertraining im Rollentausch, von Corinna Lenz und Wibke Deutsch
“Was hat mein Tier jetzt eigentlich gelernt?” – ”War es wirklich das, was ich ihm vermitteln wollte?” – ”Hat es ‘verstanden’, was es tun soll oder hat es etwas ganz anderes verknüpft?” Das sind durchaus sehr spannende Fragen, nicht wahr…?
Alle, die schon einmal tiefer in das Thema Lerntheorie eingestiegen sind, stellen sich früher oder später genau diese Art von Fragen. Ungünstig nur, dass wir von unseren Tieren selten verbal formulierte und zugleich konkrete Antworten auf eben diese Fragen erhalten. Daher hat es viele Vorteile, seine Trainerfähigkeiten auch ab und an gemeinsam mit Menschen zu üben. Denn diese können uns die begehrten Antworten in einem offenen Gespräch geben: “Das habe ich genau von dir gelernt!” – ”Das hat mich an deinem Trainingsweg verunsichert!” oder auch “Diese Bestimmte deiner Hilfen hat mir besonders gut geholfen, um zu verstehen, was ich tun soll!”
Erfolgreiches und zielorientiertes Tiertraining mittels positiver Verstärkung gewinnt deutlich an Qualität, wenn der Trainer seine Fertigkeiten im Bereich Training schult und immer bestrebt ist, ein immer besserer Trainer zu werden. Training wird dadurch effektiv, schnell und ist weniger fehler- und frustbehaftet. Dies wiederum ist auch ein Aspekt, der Tiertrainer im Berufsleben wirtschaftlicher arbeiten lässt.
Für diejenigen, die ihre eigenen Trainerfähigkeiten weiter verbessern und dabei noch eine Menge Spaß mit Gleichgesinnten haben möchten, gibt es ein tolles Spiel, mit dem genau diese Dinge möglich sind: “Train the Trainer” lautet der Name, der auch gleichzeitig Programm ist. Der Mensch erfährt spielerisch, wie viel besser sich effektives Training aus der Perspektive des Tiers anfühlen kann – wie viel Spaß es macht!
Hier schlüpfen die Mitspieler abwechselnd in die Rolle des Trainers und die des Tieres (Trainee). Der Trainer darf während dieser Zeit seine Trainerfähigkeiten schulen. Ist das Timing optimal? Welche Kriterien sind wichtig für das zu trainierende Verhalten? Stimmt meine Belohnungsrate, damit mein Trainee nicht in Frust fällt? Auf der anderen Seite darf der Trainee die großartige Erfahrung sammeln, wie sich ein Tier während des Trainings mit uns Menschen fühlt. Er empfindet beispielsweise Freude, wenn er weiß, was zu tun ist. Oder er empfindet eventuell Frust, weil er irgendwie doch keine richtige Ahnung hat, was der Trainer im Sinn hat. Am Ende jedoch folgt der vielleicht wichtigste Teil einer solchen Trainingseinheit: das gegenseitige Feedback. Hier erhalten die Trainer eine wertvolle Rückmeldung darüber, was der Trainee wirklich gelernt bzw. verknüpft hat oder ab wann das Training für den Trainee nicht mehr verständlich war. Denn genau dieses Feedback erhalten wir von unseren Tieren nicht – bzw. nur, wenn wir schon sehr gut geschult darin sind genau hinzuschauen!
Unter dem Strich haben alle Spieler die Möglichkeit sich in folgenden Trainingsfähigkeiten zu schulen: Optimieren des eigenen Timings, Festigen unterschiedlicher Trainingssysteme (z.B. Targettraining, Freies Formen und Locken), Flexibilität in Trainingssituationen, Schulung des Beobachtungsvermögens, Einführung von Signalen, Erhalten einer Signalkontrolle, Aufbau von Verhaltensketten, etc.
Der Schüler lernt, wie es sich anfühlt, “trainiert” zu werden und entwickelt ein tieferes Verständnis für das Tier.
Als ich das Spiel auspackte, fand ich in der Schachtel neben dem Spielfeld (40 x 25 cm, mit Vorder- und Rückseite) und dem Anleitungsheft, auch noch vier Spielfiguren, einen Würfel, einen Clicker, Spielgeldscheine, eine Sanduhr, ca. 100 Aufgaben-, Aktions- und Signalkarten und allerlei diverses Trainingsmaterial wie verschiedenfarbige Stäbchen, Bälle, Hütchen, Klammern, ein Auto und vieles mehr. Das Design des Spiels fand ich vom ersten Moment an äußerst gelungen: Liebevoll gestaltete Tiere auf Spielfeld, Anleitungsheft und Karton, die modern und keinesfalls kitschig wirken. Farben, die nicht zu bunt sind und die Augen der Spieler nicht hoffnungslos überfordern. Daher: Rundum ein wirklich hübsches, modernes und unaufdringliches Design. Verarbeitet ist das Spiel im Großen und Ganzen ausreichend gut. Das Spielfeld und der Karton sind sehr stabil und wirken hochwertig.
Der Innenteil der Verpackung hat mich leider recht enttäuscht. Dieser hält die Spielelemente nicht stabil genug an seinem Platz und war in kürzester Zeit schon ausgerissen. Mit Klebestreifen war das zwar zügig repariert, jedoch hätte ich mir bei dem doch recht hohem Preis etwas mehr erwartet. (Anmerkung des Verlags: Dies war uns auch gleich in den ersten Tagen nach Auslieferungsbeginn aufgefallen, weshalb wir alle Spiele haben aus- und umpacken lassen: Alle haben jetzt ein stabiles formgegossenes Inlay aus Kunststoff, in dem nichts mehr wackelt und rutscht. Frau Wachter hatte zum Test wohl gleich eins der ersten, „alten“ Spiele erhalten.) Auch das Auto des Trainingsmaterials wirkte eher billig. Die Sanduhr hätte ich mir im durchgängigen Design des Spiels gewünscht. (Sie hat die Optik einer Kindersanduhr zum Zähne putzen mit je einem Zahn am oberen und unteren Ende.) Alles in Allem wirkt das Spiel aber auf mich hochwertig und verspricht mir Freude an zahlreichen Spieldurchgängen.
Das Spiel eignet sich dank der Einsteigerkarten, die sich intensiv dem Erläutern unterschiedlicher Trainingssysteme widmen, auch für Einsteiger ins Clickertraining. Schritt für Schritt kann der Spieler mithilfe des Trainingswegs, der auf den Einsteigerkarten aufgelistet ist, das Training des vorgegebenen Verhaltens nachvollziehen. Zusätzlich zu einem verkürztem Spielplan wird hier auch eine kürzere Spieldauer (30 – 60 Minuten) vom Hersteller angegeben.
Ich selbst habe die Spielvariante für Fortgeschrittene getestet. Diese Variante eignet sich für Tiertrainer oder engagierte Hundehalter, die Erfahrungen mit positivem Tiertraining haben und bereits den Einstieg in die Lerntheorie gefunden haben. In dieser Spielvariante fallen die Einsteigerkarten bei Bedarf weg, werden aber durch viele Aufgaben-, Signal- und Aktionskarten ersetzt. Die Aufgabenkarten werden immer wieder mit unterschiedlichen Signalkarten kombiniert, so dass die Aufgaben abwechslungsreich bleiben. Durch den längeren Spielplan erhöht sich auch die Spieldauer auf ca. eineinhalb Stunden.
Geeignet ist das Spiel für zwei bis sechs Spieler ab zwölf Jahren. Getestet habe ich das Spiel sowohl mit zwei Spielern als auch mit mehreren Spielern, die in Teams gegeneinander spielten. Das Spiel hat mir zwar auch zu zweit Spaß bereitet und es war durchaus kurzweilig, jedoch kam bei mir das Spiel in Teams besser an. Hier spielen jeweils zwei bis drei Spieler in einem Team. Die Rolle des Trainers und des Trainees wird hier nach jedem Spielzugs des Teams gewechselt. Durch Ziehen je einer Aufgaben- und Signalkarte wird das zu trainierende Verhalten definiert. Zur Verfügung hat der Trainer alle verfügbaren Trainingsmaterialien. Der Clicker kommt als sekundärer Verstärker zum Einsatz. Den primären Verstärker stellen die Spielgeldscheine (“Kröten”) dar. Innerhalb der vorgegebenen Zeitspanne darf nun trainiert werden. Der Trainer beendet die Aufgabe, wenn er der Meinung ist, dass der Trainee richtig wiedergeben kann, was er lernen sollte. Stimmt der Tipp des Trainees mit der gestellten Aufgabe des Trainers überein, darf gewürfelt und mit der Spielfigur auf dem Spielplan entsprechend gezogen werden. Ist der Zug abgeschlossen, ist das gegnerische Team am Zug.
Ich persönlich fand die Version mit vier Personen am besten. Sind es mehr Spieler, so minimiert sich die Trainingszeit pro Spieler drastisch.
In der Version mit zwei Spielern war es streckenweise recht schwer, die Sanduhr im Auge zu behalten. Ich habe mir in dieser Spielvariante mit einem batteriebetriebenen, akustischen Timer beholfen.
Spielt man zu viert kommen die Teilnehmer in jeder Runde gleichermaßen zum Zug (gleichmäßiger Wechsel zwischen Trainer und Trainee). Das Beobachten der Sanduhr stellte hier keine Schwierigkeit dar. Die Aufgaben, in denen beide Teams gleichzeitig trainieren sollten, waren jedoch teilweise ein Problem, da das Trainingsmaterial (z.B. das Auto) für manche Aufgabenkombinationen nicht reichte. Diese Fälle haben wir dann schlichtweg übersprungen. Auch war in diesem Falle ein Clicker zu wenig. Ich hätte mir gewünscht, dass für diese Fälle die Nutzung eines Markerworts in der Spielanleitung kurz erläutert wird.
Gestolpert sind wir leider hin und wieder über die Genauigkeit der Aufgaben bzw. über die Frage “Wie genau soll eine Aufgabe trainiert werden?” So war teilweise nicht klar, wie genau der Trainee die Aufgabe wiedergeben musste oder wie stark das Verhalten vom Trainer beim Trainee hinterfragt werden sollte. Das sollte von den Spielern vor Spielbeginn in jedem Fall definiert werden, damit es im Spiel nicht zu unschönen Diskussionen kommen kann und sowohl der Lern- als auch der Spaßfaktor im Fokus stehen.
Sehr nett finde ich auch die Möglichkeit, sich flankierend zu dem Spiel eigens dafür gefilmte Youtube-Tutorials anzusehen. So werden die Verwendung des Clickers und die unterschiedlichen Trainingssysteme anschaulich erläutert.
FAZIT:
Das Spiel ist großartig um mit Gleichgesinnten einen kurzweiligen Spieleabend voller Spaß, Lernerfahrungen und vielen AHA-Momenten zu verbringen. Um die gestellten Aufgaben zu trainieren, muss man oft ein wenig nachgrübeln, um möglichst effektiv und zeitsparend ans Ziel zu geraten. Langweilig wird es während des Spiels garantiert nicht. Die Aufgaben sind durch die unzähligen Kombinationsmöglichkeiten nahezu unerschöpflich. Als Anregung für eine mögliche Überarbeitung des Spiels würde ich mir wünschen, dass die Aufgabenkarten nach Schwierigkeitsgrad gegliedert werden. Eventuell könnten umfangreichere Aufgabenstellungen Zusatzpunkte für das Ziehen der Spielfigur ergeben oder eine längere Bonus-Zeitspanne zum Trainieren einer umfassenderen Aufgabe eingeführt werden. Alles in allem ist “Train the Trainer” ein tolles Spiel, um die eigenen Trainerfähigkeiten zu schulen. Und Spaß macht es obendrein auch sehr. Ein wirklich gelungenes Brettspiel und deswegen ein Easy Dogs Insidertipp.
PRODUKTINFORMATION:
- Hier kaufen
- Autoren: Corinna Lenz und Wibke Deutsch
- Verlag: Kynos Verlag
- Erscheinungsjahr: 2017
- Spielempfehlung: Für 2-6 Spieler ab 12 Jahren
- Spieldauer: ca. 90 min. (Kurzvariante ca. 30 min.
- Format: 23,3 x 8,6 x 27,6 cm
- Sprache: deutsch
- ISBN: 978-3-95464-154-3
- Preis: 69,95
Über die Autoren des Spiels:
Corinna Lenz leitet als zertifizierte Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin (IHK /BHV) die Hundeschule Clicker Center in Bonn. Ihre Schwerpunkte sind die Erziehung von Familienhunden, Frühförderung von Welpen sowie Tricktraining. Als Autorin hat sie bereits verschiedene Fachbücher geschrieben. Websites: www.corinnalenz.de, www.dogityourself.com
Wibke Deutsch ist Pferdepsychologin (ATN), Centred Riding Instructor und hat eine Ausbildung als TOP Trainerin abgeschlossen. Als Tiertrainerin arbeitet sie mit Pferden über positive Verstärkung und gibt Online-Kurse auf diesem Gebiet.