Erfahrungen über das Training mit Seelöwen im Zoo
Gefüttert werden müssen die Tiere im Zoo ohnehin, daher nutzen viele zoologische Einrichtungen dies bereits für die gezielte Beschäftigung der Tiere. Das aktive Training der Tiere ist leider noch nicht so verbreitet wie man meinen mag. Training braucht Zeit und (Arbeits-)Zeit kostet Geld, daher werden häufig nur einige wenige Tierarten (Meeressäuger, Elefanten, Affen) in den Zoos gezielt trainiert, der Großteil der Tiere wird über das so genannte „environmental enrichment“ (Bereicherung der Umgebung: also Futtersuchaufgaben, Gehege-Gestaltung, usw.) beschäftigt.
Jahrelang hatten die Ohrenrobben im Zoo Osnabrück ihr Futter für „nichts tun“ erhalten und sollten nun gezielt Verhalten zeigen um Futter zu bekommen. Die ersten Schritte im Training gestalteten sich somit etwas schwierig für die Pfleger, denn es herrschte viel Unruhe in der Gruppe. Noch dazu war das „Gebell“ in direkter Nähe der Seelöwen ohrenbetäubend, da die Fütterungszeit die Tiere in helle Aufregung versetzte. In der Vergangenheit hatte man den Seelöwen den Fisch im Becken zugeworfen und damit die lautstarken Forderungen nach Futter immer und immer wieder bestärkt. Dieser Robben-Tumult sollte nun geändert werden in 5 Musterschüler die brav nebeneinander auf Steinplatten am Beckenrand „stehen“ und konzentriert (und am liebsten leise) am Training teilnehmen. Gar nicht so leicht, denn hier mussten zuerst Basics trainiert werden – am Platz bleiben, Impulskontrolle und wer nicht an der Reihe war – schön den Nachbarn in Frieden lassen. Diese Übungen sollten der Sicherheit der Pfleger dienen, Struktur ins Training bringen und für Ruhe sorgen.
Warum man „Impulskontrolle“ mit einem Seelöwen trainiert? Klare Spielregeln sind das A und O bei so großen Tieren die mit Futter belohnt werden und ein wichtiges Fundament des weiteren Trainings. Ein Seelöwe der in den Fischeimer happst, stellt eine Gefahr für den Trainer dar, daher ist Impulskontrolle unerlässlich. Das gilt meines Erachtens auch für unsere Haustiere, wie Hunde und Pferde.
Seelöwen gelten als sehr gelehrig, daher sollte das Training vorher gut durchdacht sein, denn Trainingsfehler sind ärgerliche Stolpersteine beim Vorankommen im Training. Die Pfleger leisteten im Rahmen ihrer Möglichkeiten großartige Arbeit und so machte die Seelöwenbande schnell Fortschritte.
Eine Haltung in Menschenhand kann die natürlichen Bedürfnisse von Seelöwen kaum befriedigen, da man kein Becken bauen könnte, das dem offenen Meer gleich käme. Daher ist die Beschäftigung der Tiere über ein gutes Training in meinen Augen sehr wichtig. Noch dazu kann man mit dem Training von Zootieren „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, wenn man ein sogenanntes „Medical Training“ daraus macht. Hierbei kann fast allen Tierarten beigebracht werden auf eine Waage zu steigen, Behandlungen und Untersuchungen bis hin zur Blutentnahme zu dulden, ohne dass man sie dafür betäuben muss. Dies erspart den Tieren bei Behandlungen Stress und stellt eine sinnvolle Beschäftigung dar. Des Weiteren erhöht das Training die Kooperationsbereitschaft der Tiere und dient somit auch der Sicherheit der Pfleger. In den USA wird das “Medical Training” seit Jahrzehnten mit unzähligen Tierarten praktiziert, in Deutschland ist es leider noch nicht so weit verbreitet.
Auch das Training der Osnabrücker Seelöwen hat das „Medical Training“ zum Ziel und wird über positive Verstärkung aufgebaut. Es funktioniert nach den gleichen Prinzipien die wir im Clickertraining mit unseren Haustieren benutzen. Die Tiere werden konditioniert und als Marker dient ein Clicker, eine Pfeife oder ein Wort. Auf den Marker folgt bei den Seelöwen beispielsweise als Belohnung ein Fisch. Schritt für Schritt lernen die Seelöwen sich mit der Schnauze an ein Target „anzudocken“ und sich dann vom Menschen anfassen und abtasten zu lassen. Übungen wie „Maul öffnen“ auf Signal oder auch flach auf den Boden legen sind weitere Variationen die trainiert werden.
Die Begeisterung der Osnabrücker Seelöwen für das Training wuchs mit jeder Trainingssession. Meine Videoaufzeichnungen zeigten die rasante und beeindruckende Entwicklung jedes einzelnen Seelöwen. Immer mehr konnte man klare charakterliche Unterschiede der Tiere feststellen und so waren binnen kurzer Zeit aus mir fremden Tieren „Persönlichkeiten“ geworden. In nicht einmal zehn Trainingseinheiten waren sowohl das Platz-Training, als auch die Impulskontrolle deutlich verbessert worden. Die Pfleger konnten die Fischeimer auf der Anlage abstellen, ohne das eine „Plünderung“ der selbigen zu befürchten war, dank gut durchgeführter Impulskontrolle. Daran wäre Wochen zuvor nicht einmal zu denken gewesen. Über mein Volontariat hinaus durfte ich an weiteren Trainingssessions teilhaben, wie die Einführung des Target-Trainings (Schnauze an einen Gegenstand halten) als Vorbereitung auf das weitere “Medical-Training”.
Ein Trainingsgeschenk erhielten die Pfleger von den Seelöwen „gratis“: Es herrschte nach ein paar Wochen größtenteils Ruhe beim Training. Das ehemals ohrenbetäubende „Gebell“ der Seelöwen wich leisen konzentrierten Grunz-Geräuschen.
Die Pfleger führen das Training so oft wie möglich fort und haben bereits beachtliche Fortschritte erzielt. Die Zusammenarbeit auch über mein Volontariat hinaus macht großen Spaß und mit Begeisterung verfolge ich die weitere Entwicklung.
Sinn oder Unsinn? – Jeder Hundetrainer profitiert sehr davon sich aus seiner Komfortzone zu wagen und auch einmal das Training mit anderen Tieren zu versuchen. Wir sind häufig gewohnt, dass unsere Hunde uns im Training viel verzeihen und sich recht leicht motivieren lassen. Daher ist ein Blick über den Tellerrand manchmal hilfreich, um wieder strukturierter, geduldiger und selbstkritischer zu sein. Außerdem hilft es uns dabei, noch bessere Trainer zu werden in puncto Timing und Trainingspläne, sowie unser Handwerk der positiven Verstärkung weiter zu verfeinern.