Wertvolle Rituale im Alltag mit dem Familienhund
WAS SIND RITUALE?
Rituale unterstützen uns bei Übergängen. Ob im Großen – zum Beispiel bei Geburt und Tod, Heirat und Taufe oder im Kleinen – zum Beispiel vor dem Einschlafen und Aufwachen. Es gibt Rituale, die wir nur einmal im Leben erfahren und es gibt rituelle Handlungen, die wir täglich oder sogar mehrmals täglich durchführen.
Die Kirchen war lange Zeit die Hüter der großen Rituale: Taufe, Firmung, Konfirmation, Heirat, Beerdigung. Auch bei anderen Religionen spielen Rituale eine große Rolle. Aber auch außerhalb religiöser Kontexte gibt es Rituale. Denken Sie nur an Freisprechungen nach der Berufsausbildung oder öffentliche Gelöbnisse bei Ernennungen.
Mittlerweile gibt es wieder viele Menschen, die eigene Rituale für sich kreieren. Gerade auch beim Übergang vom Kind zum Erwachsenen ist ein solches Ritual hilfreich und heilend. In meiner Ausbildung zur Naturorientierten Prozessbegleiterin durfte ich viele Rituale kennen lernen.
Im Leben mit unseren Hunden beobachte ich mich oft bei Ritualen oder rituellen Handlungen. Mich unterstützt es im Strukturieren des Tages und im Verstehen von großen Veränderungen. Auch als Hundetrainerin habe ich gewisse Rituale in den Tag eingebaut. Ich beginne beispielsweise oft mit der gleichen Übung und höre ähnlich auf. Das gibt mir, den Kunden und den Hunden von Anfang an Sicherheit und es ist allen klar, was folgt. Wir führen einmal im Jahr ein AdvenTOURe durch – auch das könnte man als jährliches Ritual betrachten. Mit dieser Artikelserie lade ich Sie ein, sich über Rituale Gedanken zu machen und Rituale kennen zu lernen.
RITUELLE HANDLUNGEN IM ALLTAG
Rund ums Schlafen
Gibt es etwas Schöneres, als an einem Sonntagmorgen mit dem Hund ein wenig zu kuscheln? Ein langsames Erwachen und Aufstehen ist entspannter als ein Schnelles. Leider haben wir aber nicht jeden Tag soviel Zeit. Sich vor dem Aufstehen kurz zu vergewissern, wo der Hund liegt, lohnt sich! Noch besser, wenn man ihm dann erklärt: “Wir stehen jetzt auf.”. Wenn Sie diesen Satz oder auch “Das Licht anmachen.” immer vor das Aufstehen setzen, lässt das Ihren Hund entspannter schlafen. Weil Sie ihm Bescheid sagen, bevor Sie aufstehen und sich Ihr Hund darauf einstellen kann. Vielleicht liegt er neben Ihrem Bett und kann sich darauf “in Sicherheit” bringen. Oder er ist ein Langschläfer und kuschelt sich erst recht nochmal in die Decken ein. Das gilt auch für Hunde die außerhalb des Schlafzimmers schlafen. Sie werden einen entspannteren Hund haben, wenn es nicht gleich von 0 auf 100 in den Tag geht. Begrüßen Sie Ihren Hund auf dem Schlafplatz. Lassen Sie ihn ruhig noch liegen.
Natürlich gibt es auch die Hunde, die von sich aus, gleich ganz wach sind. Da ist jeder Hund und jede Familie ganz verschieden. Vielleicht achten Sie zum Beispiel morgen darauf, wie Ihr Hund erwacht, aufsteht und in den Tag kommt. Überlegen Sie sich, was ihm helfen kann, den Tag positiv anzugehen. Er wird es Ihnen mit seinem Verhalten danken!
Genau so wichtig ist das Schlafengehen. Bei uns Menschen ist die rituelle Handlung oft der letzte Rückzug ins Badezimmer. Dort legen wir den Tag ab, indem wir uns waschen und die Alltagskleider ausziehen. Unser Hund weiß eigentlich genau, was das bedeutet. Wahrscheinlich haben sich auch bei Ihnen schon rituelle Handlungen eingelebt: ein letztes Mal mit dem Hund vor die Tür, den Hund auf seinen Schlafplatz schicken oder ein Betthupferl. Der Hund weiß dadurch genau: Jetzt geht’s ins Bett. Jetzt wird geschlafen.
Ich höre vor dem Schlafen gehen oft noch ein Hörbuch. Das hilft mir beispielsweise in den Ferien. Nicht nur ich schlafe damit auch an einem fremden Ort besser ein, sondern auch mein Hund. Er kennt es und es gehört für ihn zum Einschlafen dazu. Genauso können Sie natürlich auch einen “Schlafduft” zur Entspannung konditionieren.
Vor und nach dem Verlassen des Hauses
Hier lohnt es sich, dem Hund die Information zu geben, ob er mitkommen kann oder zu Hause bleiben soll. Sie kennen das sicher, wenn Sie Ihre Bürokleider anziehen, weiß der Hund “Ich muss da bleiben.” und wenn Sie Ihre Hundekleider tragen, ist er schon vor Ihnen ganz aufgeregt an der Tür. Wieso machen wir diese Zeichen nicht ganz bewusst und eindeutig verständlich für den Hund? Das wird ihm helfen im komplizierten Zusammenleben mit uns.
Wenn wir uns zum Spazierengehen bereit machen, werden viele Hunde aufgeregt. Mit meinem Hund habe ich ein entspannendes Ritual aufgebaut. Rundum die Garderobe wird er für Sitzen immer verstärkt. Das bedeutet, er bekommt ein Guddi aus der Büchse, die immer gefüllt auf der Garderobe steht. Nun zeigt er dieses Verhalten viel öfter, als das für ihn typische Hochspringen. Das Schuhe anziehen war früher sehr schwierig, da er ganz aufgeregt um mich herum wuselte. Jetzt setzt er sich und wartet, bis die Schuhe angezogen sind. Dann lade ich ihn zu einer Massage ein. Ich sitze auf der Treppe und massiere ihm den Rücken. Dabei wird er ganz ruhig und ich stelle mir vor, dass ich gleichzeitig seine Muskeln lockere für die kommenden Bewegungen. Schließlich gebe ich ihm das “Ende”-Zeichen und ich kann in Ruhe meine Schuhe binden und mich fertig anziehen.
Genau so können Sie auch für das Geschirr anziehen, erwünschtes Verhalten aufbauen. Eine isometrische Übung beim Anziehen hilft dem Hund zum Beispiel sich auf eine gewisse Muskelpartie zu konzentrieren. So können wir den Spaziergang entspannt beginnen – was auf uns zukommt ist meistens aufregend genug.
Auch das nach Hause kommen und entspannen ist ein kleiner Übergang. Wenn wir einen aufregenden Spaziergang mit viel Impulskontrolle hatten, mache ich oft noch eine Spielrunde im Garten. Einfach nochmal etwas, das uns beiden Spaß macht. Bevor der Hund dann weniger Beachtung erhält, streue ich ein paar Futterbröckchen in den Garten. Somit muss der Hund nicht gleich von 100 auf 0 runterschalten. Wenn es ihm noch immer schwer fällt, zu entspannen, helfe ich ihm mit Entspannungsübungen.
Wenn Sie das Haus verlassen ohne Hund, bleibt Ihr Hund ganz allein zurück. Es ist wichtig, dass Ihr Hund die Sicherheit hat, dass Sie wieder zu ihm zurück kommen. Bitte bauen Sie das Alleinsein daher ganz langsam auf. Die Information “Du musst bleiben, aber ich komme wieder.” – können Sie mit genau diesen Worten dem Hund erklären. Vielleicht versteht er Ihre Worte nicht genau, aber er wird diese Information mit der Zeit einordnen können. Wenn Sie möchten, können Sie ihm sein Lieblingsspielzeug oder etwas zum Kauen geben. Wichtig ist, dass Sie ein gutes Gefühl dabei haben und sich sicher sind, dass der Hund sich daran nicht verletzt.
Beim Zurückkommen begrüßt Sie Ihr Hund bestimmt freudig. Damit das nicht unangenehm und zu überschwänglich wird, helfen auch hier gewisse Rituale. Vielleicht hilft es, wenn Sie beim Eintreten ein paar Leckerchen streuen oder wenn der Hund Ihre Pantoffeln bringen darf. Überlegen Sie sich, was Ihrem Hund hilft, seine Freude, Aufregung und Anspannung auf eine auch für Sie angenehme Weise auszuleben.
Fressen und Essen
Bekommt Ihr Hund das Essen vor oder nach Ihnen? Ich denke, das ist total egal. Machen Sie es so, wie es für Sie stimmt. Wenn Sie zu Tisch gehen, können Sie dem Hund beibringen, unter dem Tisch zu liegen, auf seinem Hundebett oder an einem anderen Platz. Bringen Sie ihm durch positive Verstärkung bei, was Sie sich von ihm wünschen. Wenn der Hund beispielsweise weiß, dass er immer nach Ihrem Essen einen Kauartikel bekommt, wird die Erwartungshaltung darauf gesteigert. Daher gibt es bei uns rund um das Essen wenig Rituale. Mal ist es so, mal so – damit keine Erwartungshaltung entsteht.
Für uns ist es einfacher, den Hunden vorher das Fressen zu machen und zu geben. Beim Vorbereiten ist es so, dass Pumo immer draußen wartet. Meistens kommt auch noch das “Busi”, unsere Katze, dazu und schaut sich diese Vorbereitungen ganz genau an (und natürlich fällt auch immer mal was ab für sie ;-) ). Pumo mag nicht, dass Busi auf den Tisch hüpfen kann. Er weiß inzwischen, dass er draußen warten muss und stellt sich meistens schon vor die Türe, damit man ihn rauslässt.
Muss der Hund unbedingt ins Sitz und Warten vor dem vollen Napf? Bei uns nicht. Wir sparen uns diese Impulskontrolle für die wirklich wichtigen Dinge im Alltag. Aber auch hier – finden Sie heraus, was für Sie und Ihre Hunde stimmt. Fressen kann auch Aufregung bedeuten. Gestalten Sie es so, dass diese Aufregung für alle angenehm bleibt.
Auf dem Spaziergang
Sie kennen sicher die Situation, dass Ihr Hund vor einer Woche eine Katze unter ein Auto verschwinden sah und auch heute noch in Aufregung gerät an dieser Stelle. Diese klassische Konditionierung kann man auch für sich nutzen. An dem Ort, wo es bspw. viele Katzen oder Wild gibt, kann man den Hund immer die gleiche Übung machen lassen. Am besten wählt man dazu eine Übung, die der Hund sehr gern macht und gut beherrscht. Mit der Zeit wird er diese Übung machen wollen und die Erwartung auf Wild vermindert sich. Sie können auch in der Nähe der Schule ganz oft Entspannungsübungen praktizieren, solange die Kinder in der Schule sind. Während der Pause wird der Hund diese Entspannung einfacher halten können, auch wenn die Erregung steigt.
Mittlerweile werden Sie verstehen, dass ritualisierte Handlungen eng an die Erwartungshaltung des Hundes gekoppelt sind. Auch bei schwierigen Hundebegegnungen kann man das nutzen. Pumo war früher ein sogenannter Leinenpöbler. Wir haben ganz oft “Zeigen und Benennen” geübt und als Alternativverhalten sind wir zur Seite gegangen. Heute kann ich sagen “Hund” – “gehen wir zur Seite” und er sucht sich einen geeigneten Ausweichplatz. Auch das fällt ihm durch das stetige Wiederholen inzwischen viel einfacher und es gibt ihm auch Sicherheit.
Rituale für die größeren Übergänge
Ein Welpe zieht ein
Bereiten Sie Ihr Haus und sich selbst auf diesen neuen Lebensabschnitt vor. Sind Sie wirklich bereit dafür? Können Sie sich vorstellen, was auf Sie zukommt? Vielleicht hilft Ihnen dabei ein Ritual. Machen Sie 20 Minuten einen Spaziergang in eine Richtung mit dem Satz “In mein Leben kommt ein Hund.” und beim Rückweg mit dem Satz “In mein Leben kommt kein Hund.”. In welchen 20 Minuten haben Sie sich wohler gefühlt? Welchen Weg möchten Sie in Zukunft gehen? Dieses kleine Ritual kann bei Entscheidungen helfen und unterstützen. Es ist für den Anfang mit Ihrem neuen Fellfreund wichtig, dass Sie sich sicher sind. Die Zweifel und Unsicherheiten werden auftauchen, aber es gibt Ihnen ein Grundvertrauen darin, dass Sie die richtige Entscheidung getroffen haben.
Hatten Sie vorher schon einen Hund, der verstorben ist? Dann überlegen Sie sich, was für Sie wichtig ist. Soll der kleine Hund auf der gleichen Decke liege? Die selbe Leine bekommen? Oder fühlen Sie sich besser, wenn Sie die alten Sachen weggeben und Neue kaufen? Jede/r muss für sich das Richtige finden.
Bei uns wurde ein zweites Mal Abschied genommen von Tombik, als ich ihr altes Geschirr mit ihrem Namen drauf nach einem Jahr hervor geholt und angefangen habe, den Namen aus dem Geschirr zu entfernen. Da flossen ganz viele Tränen. Jetzt trägt Pumo ab und zu dieses Geschirr und ich erfreue mich immer auf eine ganze besondere Art daran.
Abschied nehmen
Ihr Hund wird mit den Jahren alt oder krank. Dann beginnt der lange Weg des Abschiednehmens. Sira ist nun über 16 Jahre alt. Ich sage ihr immer wieder “Du darfst gehen, wenn es für dich stimmt. Wir lassen dich gehen. Tombik wartet auf dich und wird dich empfangen.”. Mir tut das gut, auch wenn es jedes Mal einen Stich ins Herz versetzt.
Wenn Ihr Hund stirbt, können Rituale helfen, mit der Leere umzugehen und die Trauer auszuleben. Vielleicht streuen Sie die Asche in den Wind oder vergraben Sie am Lieblingsplatz des Hundes. Oder Sie stellen sich die Urne an einen ganz besonders schönen Platz zu Hause – vielleicht zusammen mit einem Foto des verstorbenen Hundes.
Sie können auch jeden Abend eine Kerze anzünden und denken nochmal an die schönen Momente zurück. Beziehen Sie ruhig auch die ganze Familie und Freunde mit ein. Es fällt vielen schwer, die richtigen Worte in diesen Momenten zu finden. Ein Ritual hilft allen, damit umzugehen.
Rituale werden oft in Verbindung mit den Elementen geplant: Wasser, Erde, Luft und Feuer. Gern gebe ich Ihnen ein paar Beispiele.
Erde: Sie entscheiden sich dazu, die Asche Ihres Lieblings in der Erde zu vergraben, zum Beispiel am Lieblingsplatz des Hundes. Laden Sie die Familie und die liebsten Freunde ein, den Körper zurück in die Erde zu geben. Graben Sie gemeinsam das Loch, jeder legt einen Stein mit den Wünschen und Dankesworten dazu. Vielleicht möchten Sie einen Baum an der Stelle pflanzen, damit etwas Neues wachsen kann. Oder Sie schmücken die Stelle mit Blumen. Beenden Sie das Ritual mit einem Umtrunk oder kleinen Essen, wo alle gemeinsam in Erinnerungen an den Hund schwelgen können.
Luft: Sie möchten die Asche des verstorbenen Hundes dem Wind übergeben? Suchen Sie sich eine erhöhte Stelle und achten Sie auf den Wind! Je nach Hundegröße gibt es relativ viel Asche, vielleicht bauen Sie einen kleinen Korb wie bei einem Heißluftballon und lassen die Asche in den Himmel fliegen. Vielleicht leben Sie an einem Ort, wo oft ein starker Wind geht und Ihr Hund hat es geliebt. Sie können noch ein paar Rosenblätter mit in die Asche geben und lassen auch die mitgehen. Vielleicht legen Sie sich dann mit Ihren Freunden auf die Erde und schauen in die Wolken. Lassen Sie nochmal die schönen Bilder mit dem Fellfreund an Ihnen vorbeiziehen. Erzählen Sie sich Anekdoten.
Feuer: Asche zu Asche. Es besteht auch die Möglichkeit, die Asche ins Feuer zu geben. Feuer bedeutet Transformation. Machen Sie mit Ihren Liebsten gemeinsam ein Feuer. Es darf richtig groß sein. Vielleicht bekommt jeder ein Teil der Asche, die er dann – wenn es für ihn richtig scheint, ins Feuer gibt. So können alle individuell und doch gemeinsam Abschied nehmen. Sitzen Sie rund um dieses Feuer. Es werden Geschichten erzählt, vielleicht wird auch gelacht.
Wasser: Lesen Sie dazu meine Geschichte vom Abschied mit Tombik….
Ganz Allgemein hilft es, dieses Abschied nehmen zu zelebrieren. Es gibt eine Form und gemeinsam trauern, nimmt nicht den Schmerz, aber es gibt einem das Gefühl, dass man verstanden wird. Zusammen nochmal Geschichten erzählen, gemeinsam lachen und weinen. Ein Prozess der uns hilft, Abschied zu nehmen. Dieses schwarze Loch mit Erinnerungen zu füllen.
Weiteren Input finden Sie im schönen Buch von Clarissa v. Reinhardt:
“Abschied für länger”.
Rituale unterstützen uns und unsere Hunde im Alltag und bei besonderen Momenten. Ritualisiertes Verhalten verbraucht wenig Energie und gibt Sicherheit. Es sind automatisierte Verhalten, die Leuchttürme und Leitplanken sein können. Machen Sie es sich und dem Hund einfacher.