Osteopathie bei Hunden – mit den Händen sehen
Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Denn genau das denken wohl recht viele der Hundebesitzer, die mit ihren Vierbeinern das erste Mal bei einer osteopathischen Behandlung sind. So kindlich unverblümt würde sich das aber sonst wohl niemand zu sagen trauen.
Um Skeptikerin Leonie zu überzeugen, dass dieses „Handauflegen“ sehr wohl etwas mit einer Behandlung zu tun hat, durfte ich einige Griffe bei ihr selber anwenden. Die kleinen Augen wurden ganz groß, als sie merkte, dass da im Körper richtig viel zu fühlen, aber halt so gar nicht viel zu sehen war … Und so bekam ich dann schließlich ihren Segen, Snoopy weiter behandeln zu dürfen, damit seine Rücken- und Kopfschmerzen gemildert werden und er wieder Spaß am Rennen und Toben hat.
Kleine Ursache…
Zu sehen gibt es bei einer osteopathischen Therapie tatsächlich nicht viel. Keine großen Geräte, die piepen und summen. Keine Spritzen oder Tabletten. Und auch keine spannenden Blutegel, die irgendwo am Körper angesetzt werden. Nur einen Hund, der meist entspannt auf einer Matte sitzt oder liegt, und den Therapeuten mit beiden Händen am Hundekörper. Reichlich unspektakulär also für ein kleines 7-jähriges Mädchen…
Die Osteopathie ist eine rein manuelle Therapieform, die den Körper bei Funktionsstörungen mit sanften Grifftechniken wieder ins Gleichgewicht bringt. Das wichtigste Werkzeug eines osteopathisch arbeitenden Therapeuten sind dabei seine Hände: Damit werden Blockaden und Bewegungseinschränkungen erfühlt und behandelt.
Kleinste Bewegungen wahrzunehmen und Störungen darin zu erkennen ist die Aufgabe eines Osteopathen. So kann z.B. der kraniosakrale Rhythmus – das rhythmische Pulsieren von Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit – nicht nur direkt am Schädel, sondern auch in anderen Körperregionen wie etwa an den Oberschenkeln gefühlt werden. Auch jedes Organ wie z. B. der Leber hat eine solche Eigenbewegung (die sog. Motilität). Schon ehe Leberprobleme anhand von Blutwerten nachzuweisen sind, kann der Therapeut bereits eine eingeschränkte Beweglichkeit dieses Organs erkennen. Auch „Blockaden“ sind im Grunde genommen nichts anderes als Bewegungseinschränkungen eines Gelenks oder zweier Wirbel zueinander.
Durch die Erfassung all dieser Bewegungsmuster erhält der Therapeut viele Informationen über den Körper und kann bei Bewegungseinschränkungen regulierend eingreifen. Die Osteopathie ist ein ganzheitliches Therapiekonzept, das den Körper als Einheit begreift und dabei auch psychische Aspekte nicht außer Acht lässt.
…große Wirkung
Bildlich können Sie sich den (Hunde)Körper am besten wie ein Uhrwerk vorstellen, bei dem ein Rädchen ins andere greift. Eingeteilt werden diese „Rädchen“ in drei verschiedene osteopathische Systeme:
Das Parietale System besteht aus dem Bewegungsapparat: Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder und Nerven. Das Viszerale System bezeichnet die inneren Organe des Körpers. Das Kraniosakrale System schließlich umfasst Schädel und Kreuzbein sowie Hirn- und Rückenmarkshäute.
Wenn nun ein Rädchen „klemmt“, hat das über kurz oder lang Auswirkungen auf viele andere Körperstrukturen! Und Ursachen für diese „klemmenden Rädchen” gibt es viele: Ziehen an der Leine, Überbeanspruchung im Wachstum oder Hundesport, wildes Toben mit den Hundekumpels, Stress, degenerative Gelenkserkrankungen wie HD oder ED, Verletzungen u.v.m.
Und natürlich können sich all diese Probleme in ebenso vielen Symptomen äußern – angefangen von kleinen Unreinheiten im Bewegungsablauf über Verspannungen, Schmerzen, Lahmheiten, aber natürlich auch Verhaltensveränderungen, Lustlosigkeit, Konzentrationsstörungen, Fell- und Hautprobleme, Kopfweh und, und, und…
Derbe Folgen…
Snoopy ist für diese Zusammenhänge ein perfektes Beispiel: trotz seiner 50 cm Schulterhöhe ist er mit 15 kg ein echtes Fliegengewicht. Beim Spiel mit seiner besten Freundin Bella, einer moppeligen Labrador-Dame, hatte er daher neulich den Kürzeren gezogen und sich nach einem Rempler überschlagen. Es schien nicht viel passiert zu sein, denn nach einem kurzen Aufquietschen ging das Toben auch gleich weiter.
Einige Tage später bemerkte Snoopys Familie, dass er morgens nach dem Aufstehen die ersten Schritte recht steif lief, und auch vor dem Sprung ins Auto zögerte er plötzlich merklich. Die vom Tierarzt verschriebenen Schmerzmittel brachten zwar eine deutliche Besserung, aber zwei Tage nach deren Absetzen begannen die Probleme erneut. Auffällig war auch, dass er nun beim Streicheln ständig seine Stirn in Frauchens Hände presste. Ein deutlicher Hinweis auf Kopfweh. Was war passiert?
In der osteopathischen Behandlung stellte ich durch sorgfältiges Abtasten eine starke Schiefstellung des Beckens fest. Darüber hinaus hatte Snoopy zwei blockierte Lendenwirbel und eine massiv erhöhte Spannung im Bereich der gesamten hinteren Rückenmuskulatur. Sein Rücken war sprichwörtlich „bretthart“. Ob der ungewollte Salto beim Spiel mit Emma die alleinige Ursache war oder Snoopy schon unbemerkt vorher Probleme hatte, lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen.
…und sanfte Hilfe
Mit sanften Grifftechniken konnte ich Snoopys Fehlstellungen und Blockaden lösen und auch die Muskulatur wieder lockern. Snoopys Besitzerin musste als „Hausaufgabe“ eine Woche täglich eine Wärmetherapie durchführen (und Leonie meinte, das würde sie auch viel lieber machen als die blöden Mathe-Aufgaben…).
Meist vereinbare ich mit den Patientenbesitzern eine kurze telefonische Rücksprache nach einer Woche, um zu klären, ob noch ein zweiter Termin notwendig ist oder die erste Behandlung bereits ausgereicht hat. Snoopy lief bereits am nächsten Tag deutlich besser und nach drei Tagen presste er seinen Kopf auch nicht mehr in die streichelnden Hände. Das Kopfweh schien also auch Vergangenheit zu sein.
Bei folgenden Krankheitsbildern kann eine osteopathische Behandlung hilfreich sein:
- Probleme im Bewegungsapparat: Arthrosen, Rückenschmerzen, Muskel- und Gelenkbeschwerden etc.
- Orthopädische Probleme: Gelenk-Fehlstellungen wie HD oder ED, Kreuzbandriss, Patellaluxation etc.
- Neurologische Probleme: Bandscheibenvorfall, Cauda equina Syndrom, Wobbler Syndrom etc.
- Kraniosakrale Probleme: Unruhe, Antriebslosigkeit, Apathie, plötzliche Verhaltensstörungen
- Organische Probleme: Inkontinenz, Verdauungsprobleme wie Durchfall oder Verstopfung, Atembeschwerden etc.
- Zur Unterstützung bei alten Hunden oder Hunden mit Handicap
- Zur Schmerzlinderung (auch zur Reduzierung von Schmerzmitteln)
- Zur Prophylaxe, z. B. als Check-Up für Sporthunde
Die Frage, wie man einen guten Osteopathen erkennt erklärt Kerstin Bubbel.