Schlafende Hunde: Narkosen beim Hund
DIE WICHTIGSTEN FRAGEN, VORURTEILE, RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN AUF EINEN BLICK
Benötigt ein Hund eine Narkose, ist dies für viele Hundehalter:innen eine beängstigende Situation. Die Angst, dass dem geliebten Familienmitglied während der Narkose etwas passieren und er schlimmstenfalls nicht wieder erwachen könnte, sitzt oft tief. In meinem Alltag als Tierärztin erlebe ich es immer wieder, dass eigentlich nötige Narkosen aus Angst oder Sorge aufgeschoben oder abgelehnt werden.
Besonders bei älteren Hunden gibt es viele Vorurteile, und den Satz „Er kann nicht mehr in Narkose gelegt werden, er ist schon viel zu alt!“ höre ich immer noch sehr regelmäßig.
Dabei sind Narkosen durch eine sorgfältige, individuelle Auswahl der verwendeten Medikamente, eine sorgfältige Voruntersuchung und eine adäquate und lückenlose Überwachung mittlerweile auch bei alten oder (chronisch-) kranken Hunden mit einem sehr überschaubaren Risiko möglich.
Ein Verzicht auf eine Narkose in Situationen, in denen diese eigentlich angeraten wäre, birgt allerdings oft ein echtes Gesundheitsrisiko, das von Hundehalter:innen in vielen Fällen drastisch unterschätzt wird!
WANN IST EINE NARKOSE ANGERATEN?
In manchen Situationen ist es offensichtlich, dass es keine Alternative zu einer Narkose gibt, außer unter bestimmten Voraussetzungen das Einschläfern des Hundes. Dies ist immer dann der Fall, wenn der momentane Gesundheitszustand mit dem Leben nicht vereinbar ist und einzig eine Operation Abhilfe schaffen kann, wie zum Beispiel bei einer Magendrehung, einem Darmverschluss oder einem komplizierten Knochenbruch.
Anders sieht es beispielsweise bei schmerzhaften Verletzungen oder Entzündungen, bei manchen Tumoren, bei diagnostischen Maßnahmen, bei Zahnbehandlungen oder auch bei Narkosen oder Sedationen zur Vermeidung von starkem Stress während einer Untersuchung aus. In diesen Fällen wird die Notwendigkeit einer Narkose oft nicht auf Anhieb gesehen. Dabei gibt es einige sehr wichtige Argumente, die für ein rechtzeitiges Eingreifen in Narkose sprechen:
Schmerzhafte Verletzungen oder Entzündungen
Oft ist die Untersuchung und Versorgung einer Verletzung hochgradig schmerzhaft und für den Hund ein traumatisches Erlebnis, wenn er dafür mit Kraft und gegen seinen Willen festgehalten werden muss. Etwaiges vorheriges, über lange Zeit durchgeführtes Medical Training kann so innerhalb kürzester Zeit zunichte gemacht werden. Da gerade bei (Biss-) Verletzungen oft zu Beginn noch nicht einmal erkennbar ist, wie tief sie sind, ob sich Schmutz oder Fremdmaterial in einer etwaigen Wundhöhle befindet, und sich oft erst im Laufe der genauen (schmerzhaften!) Untersuchung herausstellt, dass eine Wunde besser chirurgisch versorgt werden sollte, ist es sehr sinnvoll, bei einer offensichtlich tieferen Verletzung von Anfang an über eine Versorgung in Narkose nachzudenken.
In vielen Fällen sehen gerade Bissverletzungen auf den ersten Blick aus wie harmlose kleine Kratzer, haben jedoch unter der Haut tiefe Wundhöhlen, die eine ideale Brutstätte für Bakterien bieten. Eine Verletzung, die in Narkose sorgfältig untersucht, gereinigt und gegebenenfalls chirurgisch versorgt wird, hat eine deutlich bessere Heilungschance als eine, die am wachen Hund provisorisch versorgt wird.
Auch beispielsweise das Entfernen von Grannen, die vollständig in Gewebe oder Ohren eingedrungen sind, oder das Reinigen eines hochgradig entzündeten Ohrs können im Einzelfall extrem schmerzhaft und daher ein sinnvoller und vernünftiger Grund für eine Narkose sein, um Schmerz und Leid zu verhindern.
Tumore
Wird irgendwo außen am Hundekörper ein „Knubbel“ entdeckt, der vorher nicht da war, ist immer noch Abwarten ein oft geäußerter Rat. Dabei kann jede Umfangsvermehrung, wie der medizinische Begriff für einen „Knubbel“ ist, theoretisch auch ein bösartiger Tumor sein, so harmlos sie auch aussehen mag. Einzig durch eine klinische Untersuchung lässt sich nur in den seltensten Fällen diagnostizieren, ob es sich bei einer Umfangsvermehrung um einen Tumor handelt, von welchem Gewebe er gegebenenfalls ausgeht und ob er gut- oder bösartig ist. Daher ist in den meisten Fällen eine Probennahme sinnvoll, um über eine chirurgische Entfernung in Narkose zu entscheiden. Diese Probennahme kann meist im Wachzustand durchgeführt werden, da sie nicht schmerzhafter ist als eine Impfung (Feinnadelaspiration). Nur wenn eine größere Gewebeprobe (Biopsie) benötigt wird, ist für die Probennahme eine Narkose nötig. Ist die Art der Umfangsvermehrung genau bekannt, kann auf dieser Grundlage entschieden werden, ob eine operative Entfernung notwendig ist und ob es reicht, nur die Umfangsvermehrung selber zu entfernen oder ob im Falle eines Tumors ein bestimmter Sicherheitsabstand eingehalten werden muss, um erneutes Wachstum zu verhindern. Bösartige Tumore sollten grundsätzlich zügig entfernt werden, um das Auftreten von Tochtergeschwulsten zu minimieren. Aber auch manche gutartige Tumore sollten besser entfernt werden, um spätere Probleme zu vermeiden. Im Zweifelsfall ist die Konsultation einer auf Onkologie spezialisierten Tierärzt:in ratsam.
Diagnostische Maßnahmen
Gerade bei chronischen Erkrankungen oder bei Tumoren, die innerhalb des Körpers liegen, können zur weiteren Abklärung diagnostische Maßnahmen in Narkose sinnvoll sein. Auf der Basis der dabei erhaltenen Informationen kann eine weitere Therapie deutlich besser und individueller geplant und durchgeführt werden und dem Hund in der Folge Schmerzen und Leiden erspart werden. Häufig in Narkose durchgeführte diagnostische Maßnahmen sind beispielsweise endoskopische Untersuchungen, Probennahmen von schwer zugänglichen inneren Strukturen unter Ultraschallkontrolle, Biopsien sowie CT- und MRT-Untersuchungen.
Zahnbehandlungen
Zahnstein ist kein Schönheitsmakel, sondern eine echte Gefahr für den Zahnhalteapparat und ein massiver Entzündungsherd im Körper. Die unter dem Zahnfleisch im Zahnstein lebenden Bakterien können eitrige und schmerzhafte Entzündungen des Zahnhalteapparats und Kieferknochens verursachen und sich über das Blut im Körper verteilen. In der Folge können sie lebensbedrohliche Entzündungen im Herzen oder anderen Organen hervorrufen.
Eine komplette Entfernung des Zahnsteins beim Hund ist nur in Vollnarkose möglich. Zahnstein im Wachzustand abzukratzen lässt die Hundezähne zwar wieder schön aussehen, löst aber nicht das Problem. Der Zahnstein zieht fast immer in die Zahnfleischtaschen, die zu reinigen ohne Narkose hochgradig schmerzhaft wäre. Die Neubildung von Zahnstein lässt sich durch regelmäßiges Zähneputzen allerdings oft sehr wirkungsvoll verhindern, so dass Narkosen bei guter Zahnpflege seltener notwendig sind.
Zähne mit umgebender Entzündung des Kiefers, gebrochene oder lockere Zähne sind schmerzhaft und stören beim Fressen, auch wenn Hunde sich Zahnschmerzen selten anmerken lassen. Auch hier besteht die Gefahr, dass eine Entzündung über das Blut auf andere Organe übergreift, so dass entsprechende Zähne meist chirurgisch entfernt werden müssen. Manche Zahnwurzelveränderungen sind nur durch spezielle Zahnröntgenbilder zu erkennen, die ausschließlich am narkotisierten Hund durchführbar sind. Daher ist eine Narkose bei Verdacht auf Zahnschmerzen oder Zahnprobleme beim Hund alternativlos, um langes, unbemerktes Leiden zu verhindern.
Auch bei Welpen gibt es Zahnprobleme, die eine Behandlung in Narkose nötig machen. Persistierende Milchzähne, also Milchzähne, die nicht ausfallen, obwohl der bleibende Zahn daneben schon durchgebrochen ist, sollten zügig chirurgisch entfernt werden, um Fehlstellungen und Schäden der bleibenden Zähne zu vermeiden, auch wenn Züchter:innen ihren frischgebackenen Welpenbesitzer:innen oft fälschlicherweise zum Abwarten raten. Abgebrochene Milchzähne mit Eröffnung des Nervenkanals müssen in Narkose chirurgisch entfernt werden, da ansonsten Keime in den Knochen gelangen und massive Entzündungen und Schäden am bleibenden Zahn hervorrufen können. In manchen Fällen können auch Zahn- oder Kieferfehlstellungen ein chirurgisches oder kieferorthopädisches Eingreifen in Narkose notwendig machen, um schmerzhaftes Einbeißen in das Zahnfleisch oder massive Fehlstellungen zu verhindern oder zu beheben.
Narkosen/Sedationen zur Vermeidung von starkem Stress
Müssen aus gesundheitlichen Gründen Untersuchungen durchgeführt werden, die den betroffenen Hund stark stressen würden, kann in manchen Fällen eine Narkose oder auch Sedation eine sinnvolle Alternative zu starkem Zwang sein.
So kann es beispielsweise bei (Tierschutz-)Hunden mit Verhaltensauffälligkeiten, die in der Praxis durch starkes Flucht- oder Aggressionsverhalten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Stress zu handeln sind, sinnvoll sein, den Hund einmalig schlafen zu legen. So können notwendige Untersuchungen zur Abklärung körperlicher Probleme gebündelt durchgeführt werden, ohne dass der Hund extremem Stress ausgesetzt ist, schlechte Lernerfahrungen macht und schlimmstenfalls das Vertrauen in seine Bezugspersonen verliert. Für geplante Untersuchungen ist in Absprache mit der behandelnden Tierärzt:in die Gabe angstlösender Medikamenten vor der Untersuchung – gegebenenfalls in Kombination mit einer Narkose oder Sedation – anzuraten.
WELCHE MÖGLICHKEITEN DER NARKOSE GIBT ES?
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Narkosemedikamente, die unterschiedlich verabreicht und kombiniert werden können. Welche Präparate im Einzelfall zur Anwendung kommen, muss individuell entschieden werden und hängt unter anderem vom gesundheitlichen Zustand, etwaigen Vorerkrankungen und Alter des Patienten, Grund der Narkose, Ausstattung der Praxis oder Klinik und persönlichen Erfahrungen und Vorlieben der Tierärzt:in ab.
Injektionsnarkose in den Muskel
Sedativa und Narkosemedikamente können direkt in die Muskulatur injiziert werden. Da Muskeln stark durchblutet sind, werden die Medikamente von hier aus meist innerhalb weniger Minuten in das Blut aufgenommen und der Hund schläft ein. Die Injektion in den Muskel geht zügig, so dass der Hund nur kurz festgehalten werden muss. Allerdings kann sie, je nach Menge des benötigten Medikaments, leicht schmerzhaft sein. Da die Wirkung bei einer intramuskulären Injektion erst etwas verzögert eintritt, ist die richtige Dosierung der Medikamente oft nicht so einfach zu ermitteln. Reicht die injizierte Menge nicht und muss nachdosiert werden, so kommt es oft zu erheblichen Verzögerungen, bis der Hund ausreichend tief schläft, und damit zu einer Verlängerung der Narkosedauer. In vielen Fällen ist die Aufwachphase nach einer intramuskulären Injektion der Narkose verlängert, da über einen längeren Zeitraum noch Reste der Medikamente aus dem Muskel ins Blut aufgenommen werden und das Wachwerden verzögern.
Injektionsnarkose in die Vene
Über einen Venenzugang können Narkosemedikamente direkt in den Blutkreislauf injiziert werden. Auf diese Weise appliziert wirken sie innerhalb weniger Sekunden, so dass die Menge der Medikamente von der Wirkung abhängig gemacht werden kann. Bei Bedarf kann die Narkosetiefe und -länge über die intravenöse Injektion jederzeit flexibel angepasst werden. Da die meisten Narkosemedikamente im Blutkreislauf schnell verstoffwechselt werden, ist die Aufwachphase im Vergleich zur intramuskulären Injektionsnarkose oft deutlich kürzer.
Inhalationsnarkose
Gasförmige Narkosemedikamente können über eine sogenannte Inhalationsnarkose durch einen Tubus, also einen Schlauch in der Luftröhre, direkt in die Lunge geleitet und dort ins Blut aufgenommen werden. Voraussetzung für das Platzieren des Tubus, die Intubation, ist allerdings eine vorherige intramuskuläre oder intravenöse Narkose, da dies im Wachzustand nicht toleriert würde. Die Intubation dauert jedoch meist nur wenige Sekunden, so dass die Menge der Injektionsnarkose deutlich reduziert werden kann. Großer Vorteil der Inhalationsnarkose ist, dass Narkosegase nur extrem kurz wirksam sind und der Hund innerhalb kürzester Zeit wieder aufwacht, wenn die Zufuhr des Gases gestoppt wird. Je nach Menge des applizierten Gases und Tiefe der Narkose atmet der Hund entweder selbständig oder wird maschinell beatmet. Narkosegas wird nicht pur, sondern als Gemisch mit Sauerstoff verabreicht, so dass die Sauerstoffversorgung des Gewebes während der Narkose gerade bei potenziell kritischen Patienten oft deutlich besser ist.
Da Narkosegase zwar ein Ausschalten des Bewusstsein und eine Erschlaffung der Muskulatur, aber keine Schmerzausschaltung herbeiführen, dürfen schmerzhafte chirurgische Eingriffe nur in Kombination mit entsprechenden speziellen Schmerzmitteln durchgeführt werden. Für nicht invasive diagnostische Verfahren wie beispielsweise ein CT oder MRT ist keine spezielle zusätzliche Schmerzausschaltung notwendig.
WIE KANN DAS NARKOSERISIKO MINIMIERT WERDEN?
Jede Narkose birgt ein gewisses Risiko. Dieses kann jedoch durch eine sorgfältige Planung und die Beachtung einiger wichtiger Parameter deutlich gesenkt werden, so dass auch alte und/oder gesundheitlich stark belastete Hunde in den allermeisten Fällen mit einem absolut vertretbaren Risiko in Narkose gelegt werden können. Es sollte immer eine sorgfältige individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Doch in den meisten Fällen überwiegt der Nutzen der Narkose für den Hund das damit verbundene Risiko deutlich.
Voruntersuchungen
Vor jeder Narkose muss eine klinische Untersuchung erfolgen, um die Narkosetauglichkeit zu überprüfen. Bei auffälligen Befunden oder bei älteren Patienten sollten gegebenenfalls weiterführende Untersuchungen wie zum Beispiel Blutuntersuchungen, Röntgenbilder des Brustkorbs oder eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durchgeführt werden, um Risikofaktoren identifizieren, gesundheitliche Probleme behandeln und entsprechend das schonendste Narkoseverfahren auswählen zu können.
Bei älteren, aber fitten Hunden ab ca. acht bis zehn Jahren ist eine Blutuntersuchung vor einer Narkose ratsam, falls keine Blutwerte aus den letzten drei bis 12 Monaten vorliegen. Je älter der Hund ist, desto aktueller sollten die Blutwerte sein, um im Alter wahrscheinlicher werdende Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen oder den Verlauf besser einschätzen zu können. Bekannte Vorerkrankungen sollten vor einer Narkose gegebenenfalls kontrolliert werden. Ist der Grund für die Narkose eine akute Erkrankung, ist eine vorherige Blutuntersuchung unabhängig vom Alter immer ratsam.
Venenzugang und Infusion
Um die Narkosemedikamente gut und sicher dosieren und die Narkose optimal steuern zu können, ist eine Injektion über einen Venenzugang der intramuskulären Injektion vorzuziehen. Stellt das Legen eines Venenzugangs für den Hund großen Stress dar, so kann gegebenenfalls ein angstlösendes und sedierendes Medikament oder eine kleine Menge Narkosemedikament (ggf. in Kombination) vorab intramuskulär injiziert werden, um eine Toleranz für das Legen des Venenzugangs zu erreichen. Ist der Hund entspannt oder schläft, kann der Zugang stressfrei gelegt und die restliche Narkose über den Venenzugang, bei Bedarf in Kombination mit einer Inhalationsnarkose, gegeben werden.
Zudem sollte für die Dauer der Narkose über den Venenzugang Flüssigkeit appliziert werden, um den Kreislauf zu unterstützen. Bei Bedarf können über den Venenzugang auch schnell wirkende Notfallmedikamente gegeben werden, so dass ein Venenzugang für eine sichere Narkose essenziell ist. Lediglich bei einer reinen Sedation eines jungen, gesunden Hundes zur Stressreduktion für eine kurze und nicht schmerzhafte Untersuchung kann je nach Auswahl der verwendeten Medikamente eventuell auf einen Venenzugang verzichtet werden.
Auswahl geeigneter Narkosemedikamente
Die Auswahl der verwendeten Narkosemedikamente obliegt der Tierärzt:in. Viele Medikamente lassen sich sehr gut kombinieren, und bei bestimmten Kombinationen verstärken sie sich gegenseitig so, dass insgesamt deutlich weniger von jedem einzelnen Wirkstoff benötigt und die Belastung für den Organismus reduziert wird.
Je nach etwaigen Vorerkrankungen oder dem Grund der Narkose können bestimmte Wirkstoffe bei einem individuellen Hund eventuell nicht eingesetzt werden, doch durch die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Medikamente und Kombinationsmöglichkeiten gibt es fast immer eine Möglichkeit, auch einen sehr alten oder sehr kranken Hund mit einem überschaubaren Risiko in Narkose zu legen. Auch Hunde mit MDR1-Defekt oder unklarem MDR1-Status können in Narkose gelegt werden, so lange bestimmte Medikamente vermieden werden.
Intubation und Möglichkeit der Beatmung, Gabe von Sauerstoff
Auch bei sorgfältiger Planung und Medikamentenauswahl können während einer Narkose Zwischenfälle auftreten. Um die Atemwege frei zu halten und bei Bedarf eingreifen zu können, sollte zu Beginn jeder Narkose intubiert werden. Eine zusätzliche Sauerstoffapplikation während der Narkose verbessert die Sauerstoffversorgung des Gewebes und minimiert die Gefahr eines Sauerstoffmangels im Gehirn. Zudem sollte eine Möglichkeit zur Beatmung vorhanden sein, falls nicht ohnehin im Rahmen einer Inhalationsnarkose eine maschinelle Beatmung durchgeführt wird.
Narkoseüberwachung
Eine adäquate Reaktion auf Narkosezwischenfälle ist nur möglich, wenn diese rechtzeitig bemerkt werden. Dann jedoch kann in den allermeisten Fällen sehr gut gegengesteuert und beispielsweise durch die Gabe geeigneter Notfallmedikamente, Anpassung des Narkoseregimes oder assistierte Beatmung eingegriffen werden. Durch eine gute Kombination aus maschineller und personeller Überwachung können kleinste Veränderungen schnell wahrgenommen und entsprechend reagiert werden.
Die maschinelle Überwachung sollte mindestens die Sauerstoffsättigung, Pulsfrequenz, ein EKG und eine dauerhafte Blutdrucküberwachung beinhalten. Auch die Körpertemperatur sollte engmaschig überwacht werden, entweder durch eine an den Überwachungsmonitor angeschlossene Sonde oder durch rektales Messen in kurzen Abständen. Eine entsprechend geschulte Person sollte während der gesamten Narkosedauer mit dem Narkosemanagement und der Überwachung des Patienten betraut sein, um bei Bedarf jederzeit eingreifen zu können.
Narkosedauer
Je länger eine Narkose dauert, desto höher ist das Risiko von Zwischenfällen, vor allem bei vorerkrankten Hunden. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, mehrere chirurgische Maßnahmen auf mehrere Sitzungen aufzuteilen. So können zum Beispiel zwei unterschiedliche Tumore in zwei getrennten Operationen entfernt werden oder bei einem sehr schlechten Zustand des Gebisses eine Zahnsanierung auf mehrere Sitzungen aufgeteilt werden, um eine bestimmte Narkosedauer nicht zu überschreiten.
Betreute Aufwachphase
Der größte Teil der lebensbedrohlichen Narkosezwischenfälle passiert in der Aufwachphase. Vor diesem Hintergrund ist eine Überwachung des Hundes auch nach dem Entfernen des Tubus bis zu dem Zeitpunkt, an dem er selbständig den Kopf heben und sich in Brust-Bauch-Lage drehen kann, essentiell. Auch anschließend sollte er in der Praxis oder Klinik bleiben und weiterhin engmaschig überwacht werden. Erst, wenn der Hund auf seinen eigenen Beinen die Praxis oder Klinik verlassen kann, ohne deutlich zu schwanken, kann er gefahrlos entlassen werden. Abhängig vom Grund und Verlauf der Narkose sowie eventuellen Vorerkrankungen kann auch ein stationärer Aufenthalt über Nacht zur weiteren medizinischen Überwachung und Betreuung sinnvoll sein.
FAZIT
Durch eine sorgfältige Vorbereitung und Planung sowie die individuelle Auswahl einer geeigneten Medikamentenkombination und eine lückenlose Überwachung können auch alte und mehrfach vorerkrankte Hunde in den allermeisten Fällen risikoarm in Narkose gelegt werden. Es lohnt sich, bei der Auswahl der Tierärzt:in auf eine entsprechende Ausstattung und Erfahrung zu achten und im Zweifelsfall nachzufragen, wie das Narkosemanagement erfolgt. Fortgeschrittenes Alter oder Vorerkrankungen sind definitiv kein Grund, einem Hund eine notwendige Narkose zu verwehren und ihn mit Schmerzen leben zu lassen, und in den meisten Fällen überwiegt der Nutzen der Narkose aus gesundheitlichen Gründen das Risiko deutlich. Auch zur Vermeidung von massivem Stress oder unnötigen Schmerzen kann eine Sedation oder Narkose in vielen Fällen eine sehr gute und risikoarme Möglichkeit sein, Leiden zu verhindern.