Mein persönlicher Weg im Hundetraining: Erfahrungsbericht von Daniela Gassmann
VOM STRAFEN UND DOMINIEREN IN DER HUNDESCHULE
HIN ZUR KOOPERATION, VERTRAUEN, BEDÜRFNISORIENTIERUNG
UND TRAINING MIT BELOHNUNGEN
Oft lese ich von Menschen, die ihre Hunde im Training und Alltag nicht gut behandeln. Mit diesem sehr persönlichen Text möchte ich mich dazu bekennen, auch einmal so gewesen zu sein. Viele Tierfreunde machen es nicht aus Gemeinheit und Bosheit. Sie handeln meist so aus Unwissenheit. Aufklärung ist daher alles! Ich möchte mich hiermit auch bei allen Kolleg:innen bedanken, die sich in Foren engagieren und dort mitschreiben. Wie schön, wenn mehr Tierfreunde erreicht werden und sich auf den Weg machen!
- Die Crossover-Menschen und -Hunde erfordern viel Geduld von ihren Ausbilder:innen. Es ist schwierig, jahrelange Abläufe zu verändern. Glaubenssätze loszulassen macht oft Angst. Freund:innen zu hinterfragen ist schwierig.
Ebenso möchte ich voraus schicken, dass Sportarten nicht per se schlecht sind. Jede Sportart kann positiv aufgebaut werden und kann viel Spass für Mensch und Hund bedeuten. Genauso wie es ganz viele Vereine gibt, die sehr gute Übungsleiter:innen haben und in denen großartige Arbeit geleistet wird. In diesem Beitrag lasse ich Sie an meinen persönlichen Erfahrungen teilhaben:
Pumo und ich spazieren zusammen durch den Wald. Wie immer gesichert an der 20m Leine. Plötzlich legt er sich hin und friert ein. Das sichere Zeichen, dass er einen anderen Hund gesehen hat. Auch ich entdecke das entgegenkommende Team: eine unbekannte Frau mit zwei Jagdhunden, einer angeleint, der andere frei. Sie sehen uns auch, die Frau ruft den Hund und leint ihn an. Ich rufe Pumo retour zu mir. Obwohl sich die anderen schon wieder auf ihn zu bewegen, kann er sich lösen und er kommt. Auf mein “gehen wir zur Seite”, sticht er in den Wald und wartet dort auf die schöne Belohnung. Das Jagdhunde-Team konnte ganz ruhig an uns vorbei und ich hatte sogar noch Zeit für einen netten Gruss. Was für ein schönes Erlebnis für uns. In dieser Situation hat soviel geklappt – viel Ruhe und Kooperation! Wir haben unglaublich viel zusammen geschafft. In diesem Trainingserfolg steckt viel Arbeit, Zeit und Geduld, aber Arbeit mit Spass. Warum das früher anders aussah? Ich denke nicht gerne daran. Und doch ist es spannend, mit dem heutigen Blick zurück zu schauen, weil mir dadurch vieles klar wird.
Ich habe mir einen Australian Shepherd ausgesucht, weil ich einen Hund wollte, mit dem ich Hundesport betreiben kann, und ja, ich gebe zu, ich wollte das auch erfolgreich tun. Meine damalige Trainerin hat mir zu einem Aussie geraten und ich habe ihr vertraut. So kam Pumo (den niemand wollte, weil er soviel weiss hatte) zu uns.
Selbstverständlich gingen wir zusammen in die Welpenstunde. Pumo wollte nie spielen, außer mit seiner Freundin Bona – aber er musste, was die Leitung der Welpenstunde damals durchsetzte. Wir durften unseren Hunden keinen Schutz zwischen unseren Beinen oder in unserer Nähe geben, wir mussten weg laufen. Mein Hund musste die anderen über sich ergehen lassen. Wenn heute ein Gewitter kommt, sucht Pumo den Schutz nicht bei mir und das tut mir immer noch sehr weh. Das bringt mich zum Weinen. Aber mit dem Hintergrund und der Geschichte, die wir haben, verstehe ich ihn. Er findet Ruhe in unserem Haus oder in seiner offenen Hundebox. Wie froh bin ich, dass ich nun über ein aktuelleres Wissen verfüge und als Welpen- und Junghundetrainerin meine Kund:innen andere Trainingsanleitungen geben kann. Ich wünsche mir, dass das Vertrauen zwischen Hund und Mensch in den Welpenstunden wächst.
Das also waren Pumos erste Hundebegegnungen. Natürlich gingen wir dann auch schon bald ins Hundesporttraining. Kennt ihr das Hundebegegnungstraining im Verein nach alter Schule? Da werden beiden Hunden ein “Schnürli” (= dünnes Zughalsbändchen) angehängt und man läuft frontal aufeinander zu. Wenn ein Hund anfängt Konfliktzeichen und Meideverhalten zu zeigen, also sich wegdrehen möchte, dann wird an der Leine gerissen, immer wieder, solange bis der Hund wieder schön Fuss läuft. Er darf weder den anderen Hund ansehen, noch dem anderen Hund ausweichen. Er muss frontal im Fuss auf den anderen Hund zulaufen. Was also lernte Pumo? Wenn er einem Hund aus dem Weg gehen will, wenn er Distanz machen wollte, dann wird er dafür bestraft – und zwar von seiner Bezugsperson. Es dauerte nicht lange und er zeigte in Hundebegegnungen aggressives Verhalten, wenn er angeleint war. Heute macht mich das wütend und traurig!
Pumo ist ein Hund, der sehr schnell “nach vorne” geht. Von klein auf habe ich mit ihm Schutzhundetraining gemacht. Er hat den ganzen Aufbau mitgemacht. Er war ein super Hund und alle haben ihm eine erfolgreiche Zukunft vorausgesagt. Wir waren solange gut, bis ich ihn nicht mehr “kontrollieren” konnte. Sein Erregungsniveau ist so sehr angestiegen, dass er nicht mehr ansprechbar war und ich ihn ohne Hilfe (und da war wirklich alles dabei, auch tierschutzwidrige Hilfsmittel!) nicht mehr halten konnte. Und nun? Ein phantastischer Sporthund mit einem super Biss und einer vorzüglichen Begleithundeprüfung, aber leider nicht mehr führbar im Alltag. Er wurde immer für das „nach vorne gehen“ belohnt. Da bekam er die Beute. Alles andere war Hemmen und Schlimmeres. Was blieb ihm also anderes übrig?
Pumo musste noch ein paar weitere unsägliche Trainingsmethoden über sich ergehen lassen. Ein besonders makaberes Beispiel: Für einen Öffentlichkeitsauftritt wurde das Apportieren geübt. Und das ging so: Zwei Hunde laufen frontal aufeinander zu. Einer mit einem Apportierholz in der Schnauze. Wenn man sich genau Hund/Hund gegenüber steht, muss der eine Hund auf ein Kommando das Holz sofort ausgeben und stoisch sitzen bleiben, während der zweite Hund das Apportierholz aufhebt. Damit der Hund ausgibt, gab es eine immer eine Kopfnuss, außer während der Vorführung. Eine Begegnung dieser zwei Hunde musste außerhalb des Areals unbedingt vermieden werden.
Ich empfehle allen neuen Hundeeltern, die zukünftige Hundeschule zu prüfen. Hier finden Sie eine schöne Übersicht, was es zu berücksichtigen gilt bei der Auswahl einer Hundeschule.
Noch heute fällt mein Hund während einer Trainingssituation in sich zusammen und kann nicht mehr arbeiten, wenn irgendein Mensch daneben steht. Er zeigt starke Stress- und Konfliktzeichen sowie Meideverhalten. Trotz all der guten gemeinsamen Erlebnisse in der Zwischenzeit, denn das sitzt tief. Als ich Pumos Hütemädchen (=Hundesitterin) vormachte, wie ich gelernt habe, Pumo zu unterwerfen, indem ich mich auf ihn setze und ihm ins Ohr beisse, fragte sie mich staunend, ob ich das so wirklich will. Nein! Das wollte ich nicht! Daraufhin suchte ich nach neuen Trainingsmethoden. Ich fand Methoden, die mit positiver Verstärkung arbeiten. Genauso wie ich mit meinen Jugendlichen in der Jugendarbeit arbeite. Endlich “durfte” ich das auch mit meinem Hund machen. Beim Schreiben entspanne ich mich auch gleich. Die Last fällt ab.
In meinem ersten Clickerkurs erlebte ich zum ersten Mal, wie mein Hund für etwas, das er machte, belohnt wurde. Und es funktionierte! Jetzt war ich ganz überzeugt. Auch wenn ich nicht gleich in meinem langjährigen Verein aufhörte. Das waren ja auch meine Freunde geworden. Und was das Schwierigste war: ich musste zugeben, dass alles, was ich bis jetzt mit meinen Hunden gemacht habe, nicht gut war. Nicht nur nicht gut war, sondern schlimm war. Es ist vielleicht schwierig zu verstehen, doch ich wollte immer das Beste für meine Hunde. Ich habe wirklich daran geglaubt, dass es nur so geht. Ich änderte nicht nur das Training, sondern auch meine Haltung und meine Sprache. Diese Veränderung war mit vielen Abschieden verbunden. Abschieden von Ideen, Leitsätzen und Freunden, die mich lange Jahre begleitet haben.
Die Suche nach einer Hundeschule in meiner Region blieb erfolglos. Also entschloss ich mich, selbst eine Ausbildung zur Hundetrainerin bei www.cumcane-familiari.ch zu machen. Das erste Seminar bei Ute Blaschke-Berthold war eine Gefühlsachterbahn. Ich konnte so viele Parallelen ziehen zu meiner Arbeit mit Menschen. Endlich! Das tat gut und gab mir Sicherheit. Ich musste jeden Abend weinen, weil es mir so leid tat. Mir wurde bewusst, was ich alles falsch gemacht habe.
Was mir in meinem neuen Umgang mit Hunden besonders gefällt, ist die Kommunikation. Die Kommunikation von mir zum Hund hat sich sehr verändert. Ich gebe keine “Kommandos” mehr, ich mache meinem Hund “Angebote”. Er muss keine Befehle ausführen, er kooperiert. Ich habe gelernt, Hunde zu beobachten. Ich kann Hunde so belohnen, dass es wirklich eine Belohnung ist. Beispielsweise kann ich das Graben und Teile aus dem Jagen als Belohnung einsetzen. Ich weiss, wie ich meinem Hund Entspannung beibringen kann, so dass er für ihn schwierige Situationen besser bewältigt. Davon habe ich im Hundesport vorher noch nie etwas gehört. Pumos Körpersprache hat sich auch verändert. Er geht einem anderen Hund freiwillig aus dem Weg. Seine Bewegungen sind weich und rund geworden und sind nicht mehr so starr und steif. Er kann mir tief in die Augen schauen. Er setzt sich im Wald neben mich und wir beobachten gemeinsam die Eichelhäher bei ihrem Nestbau.
Danke Pumo. Mein Lehrer. Mein Freund.
Anmerkung Easy Dogs: Pumo ist inzwischen verstorben. Daniela Gassmann ist nicht mehr als Hundetrainerin und Verhaltensberaterin tätig.
(Beitrag aktualisiert: Juni 2024)