Mantrailing und ID-Tracking – Unterschiede und Gemeinsamkeiten
UNTERSCHIEDE UND GEMEINSAMKEITEN, VORTEILE UND NACHTEILE IM TRAININGSAUFBAU
TEIL 1
Mantrailing – ein Wort, das man unter Hundetrainern und -besitzern immer öfters hört. Aber was ist das eigentlich?
Beim Mantrailing geht es darum, dass der Hund der Individualspur eines bestimmten Menschen folgt. Dabei folgt er dem Geruch dieses Menschen und nicht, – wie bei der klassischen Fährtenarbeit – dem Geruch der Bodenverletzungen. Es ist für uns Menschen oft unvorstellbar wie das möglich ist. Wenn wir uns aber eine Hundenase genauer betrachten wird uns einiges deutlich:
WIE FUNKTIONIERT DIE HUNDENASE BEI DER NASENARBEIT?
Ein Mensch hat in seiner Nase eine Riechschleimhaut deren Größe ca. 10 cm² beträgt. Die Riechschleimhaut eines Hundes ist bis zu 170 cm² groß. Darüber hinaus haben Hunde auf jedem cm² Riechschleimhaut über hundertmal mehr einzelne Riechzellen als wir Menschen. Außerdem ist das Riechhirn eines Hundes – im Vergleich zu der Größe des gesamten Gehirns – sehr viel größer, als das des Menschen. Hunde haben uns noch etwas voraus: sie können „stereo“ riechen. Sie können also ganz genau erkennen, aus welcher Richtung ein Geruch kommt und einen Geruch sehr differenziert wahrnehmen. Komme ich z.B. in einen überfüllten Raum erkenne ich “Es riecht nach Mensch.“ Ein Hund kommt in diesen Raum und merkt „Es riecht nach Michaela, Lisa, Jacqueline, Viviane…“ Aus diesem Grund brauchen wir dem Hund auch nicht beizubringen, in welche Richtung die Spur läuft – er riecht es sowieso. Es wäre auch sehr unvorteilhaft für einen Beutegreifer, wenn er die Spur des Beutetieres in die falsche Richtung verfolgt.
Außerdem besitzen Hunde ein Organ am Gaumen, das Jakobsonsche Organ, welches ihnen ermöglicht Gerüche über die Mundhöhle aufzunehmen.
Beim Mantrailing wollen wir unserem Hund also beibringen, dass er einer ganz bestimmten Menschenspur folgt. Damit er weiß, welche der vielen Spuren um ihn herum die Richtige ist, bekommt er am Start einen Geruchsgegenstand der zu suchenden Person vorgehalten. Dieser Spur soll er dann – über Wiese und Feld, durch Wald und Stadt – so lange folgen, bis er bei der Person angekommen ist. Verliert er die Spur aus irgendeinem Grund oder war die Suchperson gar nicht am Startpunkt, sollte der Hund dies dem Hundeführer mitteilen können.
Dies zum Trainingsziel. Bevor wir mit dem Training anfangen, sollten wir uns allerdings über einige Grundsätzlichkeiten Gedanken machen.
WELCHE HUNDE SIND FÜR DAS MANTRAILING BZW. ID-TRACKING GEEIGNET?
Es gibt einige Hundetrainer, die der Meinung sind, wer erfolgreich trailen will, muss mit einem Bloodhound arbeiten. Ich denke, wenn wir uns die unvorstellbare Nasenleistung der Hunde ansehen, ist jeder Hund, welcher eine funktionierende Nase hat, in der Lage das Mantrailen zu erlernen. Das Problem sind nur wir Menschen. Ein Bloodhound hat gegenüber einem Hütehund den Vorteil, dass er sein Ding macht und der Mensch dahinter ihn nicht wirklich stört. Ein Hütehund wird viel öfter bei seinem Menschen nachfragen, ob er auch das Richtige macht oder sich gestört fühlen. Es ist also eine andere Herausforderung einen Border Collie zu einem guten Mantrailer auszubilden als einen Bloodhound.
Meiner Meinung nach kommen wir eher an Trainingsgrenzen als an Leistungsgrenzen unserer Hunde. Das bedeutet, es ist möglich jeden Hund zu einem Mantrailer zu machen, nur brauchen wir für einen Bloodhound einen anderen Trainingsplan wie für einen Border Collie, einen Foxterrier oder einen Barsoi.
SINNVOLLE AUSRÜSTUNG FÜR DAS MANTRAILING UND ID-TRACKING
- Leine und Geschirr
Beim Mantrailing wird der Hund an langer Leine und Geschirr geführt. Die Leine ist je nach Gelände, Ausbildungsstand und Vorlieben des Hundeführers zwischen 5 und 10 Meter lang. Sie sollte bei jedem Wetter gut in der Hand liegen und auch bei festem Zug nicht an den Händen schmerzen.Das Geschirr muss dem Hund unbedingt gut passen. Es muss, auch wenn der Hund im Geschirr „hängt“, also stark zieht, bequem sein ohne zu drücken oder einzuschneiden. Es sollte dem Hund Bewegungsfreiheit am Hals bieten, d.h. auch wenn er den Kopf beim Laufen nach unten hält, muss es am Hals bequem sitzen. Läuft der Hund Kurven und Winkel sollte das Geschirr nicht allzu viel hin- und herrutschen. Wichtig ist eine gute Polsterung der Riemen und Gurte. Läuft der Hund auch im Alltag am Geschirr, so empfiehlt es sich ihm beim Trailen ein anderes Geschirr anzuziehen. Zum einen macht man sich dann das Gehen an lockerer Leine nicht kaputt, zum anderen muss ein Geschirr zum Trailen andere Anforderungen erfüllen, als ein Alltagsgeschirr. - Allerlei Nützliches:
Unsere Hunde haben am Geschirr kleine Glöckchen befestigt. Dies hat mehrere Gründe:Es ist ein Ritual für den Hund, ein Signal für die Versteckperson und für unbeteiligte Passanten.Des weiteren brauchen wir Plastiktüten um dem Hund den Geruchsstoff zu präsentieren, Fähnchen, Wäscheklammern oder Kreide um den Trail zu markieren und evtl. Warnkleidung für den Hundeführer, damit er auch als solcher zu erkennen ist. Praktisch sind auch Funkgeräte, damit Versteckperson und Hundeführer oder Begleitperson in Kontakt bleiben können.Wichtig ist zudem, dass wir immer Wasser für den Hund dabei haben. Schnüffeln trocknet die Riechschleimhaut aus. Eine trockene Schleimhaut erschwert dem Hund die Arbeit. Um optimale Ergebnisse zu bekommen sollten wir immer für ausreichend Flüssigkeit sorgen.
Was riecht der Hund überhaupt, wenn er einer Spur folgt?
Das zu beantworten ist nicht ganz einfach, da dies noch nicht wirklich erforscht ist. Bekannt ist, dass jeder Mensch pro Minute viele tausende alte Hautzellen verliert. Meine Hautzellen haben einen ganz individuellen Geruch, der durch Ernährung, Kosmetik, Waschmittel, Kleidung, Medikamente, Genussmittel, Hormone, Stoffwechsel und individuelle Eiweißmolekühle zustande kommt. Auf diesen Hautzellen befinden sich Bakterien, die diese verstoffwechseln. Ob der Hund nun die Hautzellen, die Bakterien oder deren Stoffwechselprodukte erschnüffelt, wissen wir nicht. Möglicherweise ist es ein Gemisch aus allem. Dies ist noch viel zu wenig erforscht um eine verlässliche Aussage treffen zu können.
Nun kann man sich vorstellen, dass wir ständig von einer Wolke aus umherschwirrenden Hautzellen umgeben sind. Bewegen wir uns fort, bildet diese Wolke einen langen Geruchstunnel, den wir hinter uns herziehen. Egal wohin wir gehen unser Geruch bleibt immer zurück. Mit der Zeit rieseln die Hautpartikel langsam zu Boden bis schließlich keine mehr in der Luft sind.
Weht ein Wind, werden die Hautzellen, die sich noch in der Luft befinden auch entsprechend weggeweht. Die Partikel werden also vom Wind in Büsche, Baumgruppen, Wege, Zäune, Hauseingänge, Einfahrten, Häuserlücken oder auf die andere Straßenseite geweht und bleiben evtl. auch dort haften.
Diese Tatsache macht das Suchen der Spur nicht immer ganz so einfach, wie wir später noch sehen werden.
Darüber hinaus gibt es die Theorie, dass unter den Hautzellen, die wir ständig abstoßen auch größere „Päckchen“ sind. Das heißt, dass es Zellklumpen gibt, die schwerer sind als eine einzelne Zelle und damit auch schneller zu Boden sinken. Diese Zellklumpen werden auch nicht mehr vom Wind in eine andere Richtung geweht. Sie befinden sich genau dort, wo der dazugehörige Mensch gegangen ist.
TRAINING – WIE BRINGE ICH DEM HUND MANTRAILING ODER ID-TRACKING LEICHT BEI?
Bevor wir mit dem Training beginnen, sollten wir uns unbedingt Gedanken darüber machen, was wir unserem Hund beibringen wollen. Soll der Hund die leichten Hautpartikel suchen und dort laufen, wo diese hingeweht wurden oder soll er die schweren Zellklumpen suchen und dort laufen, wo die Suchperson gegangen ist? Beides ist möglich und beides hat Vor- und Nachteile, die ich im Folgenden beschreiben möchte.
DIE LEICHTE SPUR = Mantrailing oder Trailen
Fangen wir mit der ersten Möglichkeit an. Der Hund soll lernen die leichten Hautpartikel zu suchen und dort laufen, wo diese hingeweht wurden. Diese Art zu suchen nenne ich im Folgenden: suchen der leichten Spur. „Leicht“ bezieht sich nicht auf den Schwierigkeitsgrad, sondern auf die leichten Hautpartikel. Bei dieser Art zu Suchen bestimmt der Hund von Anfang an selbst wo er laufen möchte. Er sucht sich den Duft der zu suchenden Person und folgt der Duftspur bis zum Ziel. Dabei kann es sein, dass der Hund sehr von dem eigentlichen Weg der Suchperson abweicht. Je nach Wind, Wetter und Gelände ist der stärkste Duft auf der anderen Straßenseite oder mitten im Wald zu finden.
Die meisten Mantrailer lassen ihre Hunde auf diese Art und Weise arbeiten, was, auch berechtigt ist, da sie einige Vorteile mit sich bringt:
- Dadurch, dass der Hund von Anfang an sehr selbständig arbeiten kann, haben Hund und Hundeführer sehr schnell erste Erfolge.
- Da der Hundeführer wenig auf den Hund einwirkt und ihn innerhalb der Duftwolke laufen lässt wo er will, wird er den Hund nur wenig bei seiner Arbeit stören.
- Je nach Windlage kommt der Hund evtl. schneller ans Ziel, als wenn er dem ursprünglichen Weg der Person folgt.
- Der Hund kann auf ein breites Geruchsfeld zurückgreifen und verliert die Spur dadurch möglicherweise nicht so schnell.
- Es ist möglich ziemlich schnell mit Spuren zu arbeiten, deren Verlauf dem Hundeführer unbekannt ist.
Aber das Arbeiten der leichten Spur hat auch Nachteile:
- Je nach Windlage kann der Weg des Hundes auch um einiges länger sein, als der ursprüngliche Weg der Suchperson.
- Je nachdem, wo sich die leichten Duftpartikel befinden, kann es sein, dass der Hund über Privatgrundstücke, in Höfe, kreuz und quer durch den Wald oder im Zick-Zack über die Straße laufen möchte.
- Da der Hundeführer nicht weiß, bis wohin die Duftpartikel geweht wurden, ist es für ihn sehr schwierig zu entscheiden, wie weit er den Hund in die vermeintlich falsche Richtung laufen lässt.
- Sucht der Hund immer bis an die Grenze des Geruchs kann es sehr ermüdend für ihn sein.
- Der Hundeführer muss seinen Hund sehr gut lesen können, um zu entscheiden, ob er noch im Geruch läuft oder die Spur verloren hat.
- Da sehr schnell mit für den Hundeführer unbekannten Spuren gearbeitet wird, ist es wichtig, dass eine Begleitperson mitläuft, die den Spurverlauf kennt.
- Für den Hundeführer ist es schwierig, seinen Hund auf der Spur zu loben, weil er nie genau weiß, ob er noch richtig ist. Das bedeutet auch, es ist sehr schwierig auf der Spur mit Clicker zu arbeiten.
DIE SCHWERE SPUR = ID-Tracking oder ID Tracking
Bei der schweren Spur geht es darum, dass der Hund lernt, die schweren Geruchspartikel zu suchen, also die, die sofort zu Boden sinken. Hierbei lernt der Hund genau dort zu laufen, wo zuvor auch die Suchperson gegangen ist. Im Unterschied zur klassischen Fährtenarbeit soll der Hund aber nicht die Bodenverletzungen suchen, sondern den Individualgeruch der entsprechenden Person. Ob die Theorie der „Geruchsklumpen“ wirklich stimmt oder ob die Hunde sich an etwas ganz anderem orientieren weiß man nicht. Aber es ist möglich die Hunde so auszubilden, dass sie genau dort laufen wo die Versteckperson gegangen ist.
Es gibt meines Wissens nur wenige Mantrailer, die ihre Hunde so ausbilden, obwohl es auch hierfür einige Argumente gibt:
- Der Hund bleibt immer dort, wo die Suchperson gegangen ist. Er läuft also nur über Privatgrundstücke, in Höfe, durch den Wald oder über die Straße, wenn die Suchperson dies auch getan hat.
- Es wird viel mit genau markierten Spuren gearbeitet. Dadurch sieht der Hundeführer genau, wo die Spur verläuft und kann den Hund entsprechend belohnen.
- Auf genau bekannten Spuren hat der Hundeführer die Möglichkeit ganz gezielt zu trainieren, dass der Hund sich nicht am Hundeführer orientiert, sondern immer auf der Spur bleibt – egal, was der Mensch am anderen Ende der Leine macht.
- Da der Hundeführer immer weiß, wann der Hund auf der Spur läuft und wann nicht, lernt er gut zu erkennen, wie sein Hund aussieht, wenn er auf der Spur läuft. Er lernt also den Hund genau zu lesen.
- Wind und Wetter spielen für das Ausarbeiten der Spur keine Rolle. Der Hund ist in der Lage auf der schweren Spur zu bleiben, egal wie die Windverhältnisse sind.
- Aufgrund der Markierungen ist eine Begleitperson selten nötig.
- Da der Hundeführer besser sieht was der Hund tut, ist es möglich auf der Spur mit Clicker zu arbeiten.
Wie bei jedem Weg, dem Hund etwas beizubringen, gibt es aber auch hier Nachteile:
- Da der Hundeführer sehr lange weiß, wo die Spur verläuft, besteht die Gefahr, dass er den Hund lenkt ohne es zu merken.
- Aus dem oben genannten Grund ist es sehr wichtig sich als Hundeführer ständig kritisch zu hinterfragen: lernt der Hund wirklich was ich ihm beibringen möchte oder lernt er etwas ganz anderes? Das ist nicht immer einfach herauszufinden.
- Der Hundeführer hat keine Ausrede mehr wenn etwas nicht funktioniert. Es ist z.B. nicht möglich eine verlorene Spur mit dem starken Wind zu entschuldigen.
- Der Aufbau erfolgt in sehr kleinen Trainingsschritten, d.h. es dauert länger bis Erfolge zu sehen sind.
- Dadurch, dass der Hund genau dort geht, wo die Suchperson gegangen ist kann es sein, dass er einen Umweg läuft, um zur Person zu gelangen.
- Die Markierungen müssen wieder abgebaut werden.
Diese Form des Mantrailings habe ich vor einigen Jahren auf einem Seminar mit amerikanischen und englischen Polizeihundeführern kennen und schätzen gelernt. Anfangs dachte ich, es sei überhaupt nicht möglich den Hund so auszubilden. Unsere Erfahrungen der letzten Jahre haben uns allerdings gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist.
Mittlerweile gibt es auch bei uns immer mehr Hundeführer – privat genauso wie professionell arbeitende Hundeführer – die ihre Hunde so ausbilden.
Im heutigen Sprachgebrauch wird die Suche nach der leichten Spur MANTRAILING und die Suche nach der schweren Spur ID-TRACKING genannt.
Es ist immer wieder faszinierend, wie oft uns die Hunde zeigen, zu was sie in der Lage sind. Wie oft unterschätzen wir die Nasenleistung der Hunde, weil wir diese Welt einfach nicht nachvollziehen können. Nasenarbeit ist eine Einladung in die Welt des Hundes – eine faszinierende Welt, die es zu erforschen gilt! Also fangen wir an!
In dem nächsten Teil werde ich genauer auf die einzelnen Trainingsschritte beim Training des ID-Trackings eingehen.