Diagnose Magendrehung: Risikofaktoren und Erste Hilfe für den Hund im Notfall
Gesundheit & PflegeWAS HEIßT DAS FÜR MEINEN HUND?
Schäferhund Sammy ist ein Bild des Jammers. Der eben noch fitte, gesunde Hund steht mit aufgekrümmtem Rücken vor seinem Besitzer. Sein Bauch ist trommelartig aufgetrieben, er hechelt und Speichel läuft ihm in dicken Fäden aus dem Maul. Immer wieder geht ein Zittern über den gesamten Hundekörper. Plötzlich krampft Sammy sich zusammen, spannt den Bauch an und fängt an zu würgen. Doch statt das vor einer Stunde gefressene Futter zu erbrechen, fließt nur etwas zähflüssiger Speichel auf den Boden. Sammys Besitzer kommt ein fürchterlicher Verdacht: Das könnte eine Magendrehung sein! Sofort ruft er seinen Tierarzt an, schildert die Symptome und wird aufgefordert, Sammy unverzüglich in die Praxis zu bringen. Dort wird die Diagnose schnell bestätigt. Es handelt sich tatsächlich um eine Magendrehung. Sammy bekommt sofort Infusionen und Schmerzmittel, und innerhalb von einer Stunde nach Ankunft in der Praxis ist sein Zustand stabil genug, um mit der Notoperation zu beginnen.
Sammy hat Glück im Unglück: Nur drei Tage nach der Operation kann er nach Hause entlassen werden und als nach zehn Tagen die Fäden der Operationswunde gezogen werden, zeugen nur die noch etwas herausstehenden Rippen von den Strapazen der vergangenen Tage.
Die Diagnose „Magendrehung“ ist gerade für Besitzer großer Hunde eine absolute Horrorvorstellung. Doch was passiert eigentlich genau im Hundekörper bei einer Magendrehung, wie kann man eine solche erkennen und was ist im Verdachtsfall zu tun?
WAS PASSIERT BEI MAGENDREHUNG?
Kommt es zu einer Magendrehung, so dreht sich der Magen des Hundes in den meisten Fällen nach rechts, selten auch nach links. Eine Drehung kann partiell oder auch vollständig bis zu 360° erfolgen. Speiseröhre und Zwölffingerdarm sind fest mit dem Magen verbunden, aber auch in ihrer jeweiligen Position im Körper verankert. Daher werden sie bei einer Drehung des Magens ebenfalls in sich verdreht, was in einem teilweisen oder vollständigen Verschluss der beiden schlauchartigen Organe resultiert. Sind der Magenein- und Ausgang durch eine solche Drehung teilweise oder ganz verschlossen, kann weder im Magen befindlicher Futterbrei noch abgeschluckte Luft aus dem Magen entweichen. Bei einem vollständigen Verschluss des Magens werden immer große Mengen abgeschluckter Luft im Magen gefunden, so dass der Magen stark gedehnt und vergrößert ist. Ob das Abschlucken großer Luftmengen zur Magendrehung führt oder die Luft bei der Drehung des Magens aus Angst oder Schmerz geschluckt wird, ist bisher nicht bekannt. Die massive Dehnung der Magenwände und der Druck des großen Magens auf die anderen Bauchorgane sind sehr schmerzhaft.
Betroffene Hunde versuchen, den Mageninhalt zu erbrechen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Da die Speiseröhre verdreht und damit verschlossen ist, ist ein Erbrechen aber nicht mehr möglich. Das sogenannte „unproduktive Erbechen“ ist somit ein sehr deutlicher Hinweis auf eine Magendrehung. Zudem kann in der Maulhöhle gebildeter Speichel durch die verschlossene Speiseröhre nicht mehr abgeschluckt werden, so dass Hunde mit Magendrehung in der Regel stark speicheln.
Die größte Gefahr bei einer Magendrehung geht vom Druck des stark vergrößerten Magens auf die große Hohlvene, die Vena cava, aus. Die Hauptschlagader (Aorta) pumpt ununterbrochen Blut in die hintere Körperhälfte, um diese mit Sauerstoff zu versorgen. Da dieses Pumpen aktiv durch eine kräftige Muskulatur geschieht, kann die Aorta selbst dem Druck durch einen gedrehten Magen standhalten und das Blut daran vorbei pumpen. Der Rücktransport des sauerstoffarmen Bluts zum Herzen durch die Vena cava erfolgt jedoch passiv und fast ohne Muskelkraft. Der stark vergrößerte Magen komprimiert die Vena cava, so dass das sauerstoffarme Blut sich in der hinteren Körperhälfte staut. In Folge dessen sinkt die Menge an Blut, die dem Herzen und der vorderen Körperhälfte zur Verfügung steht, und mit jedem Herzschlag wird weiteres Blut durch die Aorta gepumpt und geht damit verloren. Es kommt zu einer kritischen Minderversorgung aller Organe und Körperregionen mit Sauerstoff. Dieser Mechanismus führt erst zu einer deutlichen Kreislaufschwäche und schließlich zum tödlichen Zusammenbruch des Kreislaufsystems.
WAS SIND DIE RISIKOFAKTOREN DER MAGENDREHUNG?
Warum es bei manchen Hunden zu einer Magendrehung kommt und bei anderen nicht, ist nicht abschließend geklärt. Der früher oft gepredigte Zusammenhang zwischen Bewegung unmittelbar nach dem Fressen und Magendrehungen ist inzwischen widerlegt.
Im Gegenteil treten Magendrehungen deutlich häufiger in den späten Abendstunden auf als tagsüber, obwohl die meisten Hunde tagsüber aktiver sind als abends.
Unbestritten ist, dass große Hunde mit besonders tiefem Brustkorb ein deutlich erhöhtes Risiko haben, eine Magendrehung zu erleiden. Insbesondere Doggen, Schäferhunde und große Windhunde, aber auch beispielsweise Großpudel und Collies und deren Mischlinge sind betroffen. Zudem gibt es familiäre Häufungen von Magendrehungen auch innerhalb der gefährdeten Rassen. In Einzelfällen treten Magendrehungen jedoch auch bei kleinen Hunden auf.
Mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko von Magendrehungen, vermutlich durch eine vermehrte Dehnung der Magenbänder, an denen der Magen lose befestigt ist. Hastiges Fressen und eine Fütterung von sehr großen Portionen sind ebenfalls Risikofaktoren. Zudem ist mittlerweile bewiesen, dass eine erhöhte Fütterungsposition Magendrehungen begünstigt, vermutlich durch ein vermehrtes Abschlucken von Luft beim Fressen aus erhöht platzierten Schüsseln.
WAS TUT MAN IM NOTFALL BEI DER MAGENDREHUNG?
Bei Verdacht auf eine Magendrehung ist keinerlei Erste Hilfe zu Hause möglich. Die einzige Rettung für einen betroffenen Hund besteht in einer operativen Zurückverlagerung des Magens. Bei Verdacht auf eine Magendrehung muss der betroffene Hund schnellstmöglich beim Tierarzt vorgestellt werden. Eine vorherige telefonische Anmeldung ist unbedingt ratsam, damit das Praxisteam sich für die Notfallbehandlung bereit machen kann.
WAS MACHT DER TIERARZT IM NOTFALL?
Die Diagnose wird anhand des klinischen Bildes in Kombination mit einer rechtsanliegenden Röntgenaufnahme des Bauchs gestellt. In einer solchen Röntgenaufnahme lässt sich in den allermeisten Fällen eine typische Falte der Magenwand bei einem massiv aufgegasten Magen erkennen, die den Magen scheinbar in zwei Teile teilt und ihm dadurch ein „schlumpfmützenartiges“ Aussehen verleiht.
Nach Stellen der Diagnose ist die oberste Priorität die Stabilisierung des Kreislaufs bis zum Beginn der Operation. Hierfür bekommt der Hund, je nach Kreislaufsituation, einen oder sogar zwei venöse Katheter gelegt, über die Flüssigkeit intravenös verabreicht wird. Die Flüssigkeit dient der Erhöhung des Flüssigkeitsvolumens im Körperkreislauf, um das in der hinteren Körperhälfte gefangene Blut kurzfristig zu ersetzen und die Zirkulation aufrecht zu erhalten. Dabei ist es von größter Wichtigkeit, dass die Katheter an den Vorderbeinen gelegt werden. Ein Venenkatheter am Hinterbein, über den Infusion in die hintere Körperhälfte verabreicht werden kann, ist bei einer Magendrehung aufgrund der Kompression der Vena cava nutzlos.
Im akuten Notfall und bei Versagen des Kreislaufs kann der aufgegaste Magen durch die Bauchwand mit einer Kanüle punktiert werden, um einen Teil des Gases abzulassen. Durch diese Maßnahme verkleinert sich das Magenvolumen sofort und der durch den Magen auf die Organe und Gefäße ausgeübte Druck sinkt. Das Legen der Venenkatheter sowie die Punktion des Magens durch die Bauchwand können im Notfall auch von Tierärzten durchgeführt werden, deren Praxen nicht auf das Durchführen großer Bauchoperationen ausgelegt sind, um einen Hund für den Transport in eine weiter entfernte Praxis oder Klinik zu stabilisieren.
WIE IST DIE PROGNOSE BEI MAGENDREHUNG?
Die Prognose ist abhängig von der Zeit, die vom Zeitpunkt der Magendrehung bis zur Operation vergeht, und davon, ob es bereits zum Absterben von Gewebe in der stark gedehnten und damit minderdurchbluteten Magenwand oder anderen unterversorgten Organen gekommen ist. Ohne eine Operation ist eine Magendrehung so gut wie ausnahmslos tödlich. Doch auch nach erfolgreicher Operation kann es noch zu Todesfällen kommen, da durch das Absterben von Zellen als Folge der mangelnden Blutversorgung Giftstoffe ins Blut gelangen und den Organismus belasten. Zudem besteht in den Tagen nach einer Magendrehung ein deutlich erhöhtes Risiko von potentiell tödlichen Herzrhythmusstörungen. Erfolgt die Operation innerhalb von sechs Stunden nach der Magendrehung und hat der Hund keinerlei Vorerkrankungen, ist die Prognose aber durchaus gut.
Zusammenfassung
Eine Magendrehung ist immer ein akuter Notfall, der unbehandelt oder bei zu spätem Eingreifen tödlich endet. Auch bei sofortigem Handeln kann nicht jeder Hund mit einer Magendrehung gerettet werden, die Prognose ist jedoch umso besser, je schneller der Hund tierärztlich behandelt und operiert wird.
Symptome sind ein trommelartig aufgeblähter Bauch und ein deutlich gestörtes Allgemeinbefinden durch die massiven Bauchschmerzen und die resultierende Kreislaufschwäche. Betroffene Hunde speicheln meist stark, da sie ihren Speichel durch die verschlossene Speiseröhre nicht abschlucken können. Zudem versuchen Hunde mit einer Magendrehung meist, den Mageninhalt zu erbrechen, können dabei aber nur wenig Speichel oder gar nichts hervorwürgen.
Besonders Halter großer, tiefbrüstiger Hunde sollten die Symptome einer Magendrehung kennen, um im Notfall schnell handeln zu können. Wird eine Magendrehung schnell erkannt und operiert, hat der betroffene Hund eine realistische Chance, schnell wieder gesund zu werden.