Wenn der Hund jagen geht: der Weg zum entspannten Hundespaziergang
MIT DEM HUND “GASSI GEHEN” – UNTERSCHIEDLICHE SICHTWEISEN MENSCH UND HUND
Betrachten wir zunächst die Dinge aus Sicht des Menschen. Herrchen oder Frauchen möchte sich beim täglichen Spaziergang mit dem Hund in erster Linie entspannen. Dazu gehört es, den Alltag hinter sich zu lassen, die schöne Natur zu genießen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Natürlich wünscht sich jede Hundebesitzer:in als vierbeinigen Begleiter einen zuverlässigen Hund, der sofort kommt, wenn man ihn ruft, der immer aufmerksam gegenüber seinem Menschen ist und keinen Unfug anstellt. Er sollte beispielsweise keine anderen Menschen oder Hunde belästigen, sich nicht in stinkenden Dingen wälzen und keinen Unrat fressen. Selbstverständlich sollte der Vierbeiner auch keinen anderen Tieren nachstellen und sich nicht ins Gebüsch absetzen, um nach Wild zu stöbern.
Betrachtet man die Dinge nun aus Sicht unserer Hunde, sieht ein gelungener Spaziergang allerdings ganz anders aus. Natürlich ist es für einen Hund erstmal wichtig, sein Bewegungsbedürfnis auszuleben und zu laufen und zu rennen. Dann lieben es viele Hunde auch, mit ihrer ausgesprochen guten Nase die Duftspuren von Artgenossen zu untersuchen und festzustellen, ob der Nachbarsdackel heute eventuell den gleichen Weg entlang gelaufen ist.
Manche Hunde haben allerdings ein noch ein viel größeres Interesse daran, mit ihrer Nase nach Wildspuren zu suchen oder im Gebüsch direkt nach verstecktem Wild oder irgendwelchem Unrat zu stöbern. Das Stöbern nach Unrat, z.B. um sich darin dann zu wälzen, kann für Menschen schlimmstenfalls sehr unangenehm sein, nämlich dann wenn der Hund mit einem „Eau-de-tote-Kaninchen-Duft“ behaftet aus dem Gebüsch wieder auftaucht.
Richtig gefährlich wird es, wenn der Hund beginnt auf dem Spaziergang Jagdverhalten zu zeigen. Sogar wenn der Hund das Tier, welches er hetzt, nicht bekommt, können kritische Situationen entstehen. Denn laufen Hunde einem anderen Tier hinterher, achten sie auf nichts mehr in ihrer Umgebung. Sie können dabei Straßen überqueren und so das Wild, sich selbst und auch Menschen in Gefahr bringen. Selbst wenn dies nicht passiert, bedeutet es für die Wildtiere großen Stress, gehetzt zu werden. Für das Überleben notwendige Energiereserven können so aufgebraucht werden und der dadurch entstehende Stress dem Wildtier schaden.
Je nach Veranlagung bevorzugen es manche Hunde eher mit der Nase auf dem Boden den Wildspuren hinterher zu laufen. Andere Hunde wiederum achten eher auf Bewegungen eines potentiellen Beutetieres, sind also eher optisch orientiert. Auf welchen Reiz die Hunde eher ansprechen liegt zum Teil an ihrer Veranlagung (z.B. an der ursprünglichen Verwendung der Rasse), aber auch Lernverhalten kann eine Rolle spielen.
Auch wenn „Jagen“ für uns Menschen zu den problematischen Verhaltensweisen zählt, ist es für den Hund eine ganz natürliche Verhaltensweise, die er von seinen Vorfahren geerbt hat. Und dies ist unabhängig von seiner Rassezugehörigkeit. Jeder Hund trägt diese Gene in sich. Allerdings ist je nach Rasse und deren ursprünglicher Verwendung das Jagdverhalten unterschiedlich stark entwickelt und ausgeprägt. Es darf hierbei nicht vergessen werden, dass viele der heutigen bekannten Hunderassen jahrhundertelang hauptsächlich gezielt zu Jagdzwecken gezüchtet wurden.
Jagdverhalten ist unseren heutigen Familienhunden deshalb – auch wenn sie bereits seit längerer Zeit domestiziert sind – immer noch angeboren.
Ein biologischer Fakt ist, dass Jagdverhalten selbstbelohnende Komponenten beinhaltet. Ein Hund muss dabei das Beutetier gar nicht bekommen, um diesen Belohnungseffekt zu erfahren. Jagdverhalten besteht aus einzelnen Verhaltenselementen. Auch einzelne Elemente des Jagdverhaltens, wie beispielsweise das Hinterherhetzen, sind selbstbelohnend. Es macht Hunden demnach einfach Spaß hinter einem beweglichen Objekt, z.B. einem Hasen oder Reh, hinterher zu hetzen. Dabei werden Glückshormone freigesetzt. Umso öfter ein Hund Gelegenheit zum Jagen hat, desto ausgeprägter ist diese Hormonfreisetzung. Es kann sich also ein wahrer Teufelskreis ergeben, der zu immer mehr Jagdverhalten führt.
ELEMENTE & BEWEGUNGSABFOLGE DES JAGDVERHALTENS
Verschieden Verhaltensweisen kann man zum Jagdverhalten zählen:
Orten – Fixieren – Anpirschen – Hetzen – Packen – Töten – Zerreißen – Fressen
Bei unseren heutigen Haushunden finden wir nur selten die vollständige Bewegungsabfolge. Dies wäre sicher auch äußerst unerwünscht. Durch gezielte Zucht wurden bei den unterschiedlichen Rassen bestimmte Elemente des Jagdverhaltens hervorgehoben oder unterdrückt. So arbeiten Stöberhunde (z.B. viele Spanielrassen), die Wild im Dickicht aufspüren und heraustreiben sollen, verstärkt mit ihrer Nase. Bei diesen Hunden wurde das „Orten“, verknüpft mit dem Geruchssinn, durch die Zucht besonders hervorgehoben.
Was bedeutet diese ursprüngliche „Verwendung“ der Hunde nun für den Hundebesitzer im Alltag? Man kann sich gut vorstellen, dass diese Stöberhunde auf dem Spaziergang nur schwer davon abzuhalten sind, allen möglichen Wildspuren, denen sie begegnen, zu folgen und auch gern mal im Gebüsch verschwinden um nachzusehen, ob sich nicht irgendein Wild aufspüren lässt.
Bei den sogenannten Vorstehhunderassen wurde unter anderem der Teil „Fixieren“ der oben genannten Bewegungsabfolge durch die Zucht hervorgehoben. Diese Hunde bleiben ganz gespannt vor einem Gebüsch mit Wild stehen und heben oft dazu auch eine Pfote. Diese Körperhaltung zeigt dem Jäger dann die Richtung, in der er das Wild zu suchen hat. Dieses Verhalten kann man sich sogar bei einem Antijagdtraining zu Nutze machen. Ein geübter Hundebesitzer kann so ebenfalls darauf aufmerksam werden, dass Wild in der Nähe ist und den Hund rechtzeitig zu sich heranrufen oder anleinen.
Weiterhin gibt es Hunde, die daraufhin gezüchtet wurden, erschossene Wasservögel aus dem Wasser zu apportieren und zum Jäger zu bringen (z.B. Retriever-Rassen wie Golden Retriever, Labrador Retriever, Flat Coated Retriever). Daraus erklärt sich auch die Neigung von Retrievern, gerne Dinge im Maul herumzutragen und ihre große Liebe zu Wasser- und Schlammlöchern, die sauberkeitsliebende Hundebesitzer:innen unter Umständen in den Wahnsinn treiben können.
Verschiedene Terrierarten, z.B. Jack Russel Terrier, oder auch ursprünglich der Yorkshire Terrier, der heute mehr als Schoßhund gehalten wird, wurden ursprünglich gezüchtet um auf Bauernhöfen kleine Beutetiere wie Ratten und Mäuse kurz zu halten. Bei ihnen findet man deshalb besonders verstärkt durch Zuchtauswahl die Verhaltensweisen „packen“ und „töten“. Diese Neigung der Hunde, kleine Beutetiere zu erlegen, kann natürlich zu Problemen im Alltag führen, dann nämlich, wenn im Haushalt noch weitere Tiere wie Meerschweinchen oder Kaninchen leben sollen oder der Nachbar solche Tiere im Garten hält.
Es ist übrigens ein Trugschluss, zu denken, dass Hütehunde kein Jagdverhalten zeigen, denn Hüteverhalten ist nichts anderes als umgewandeltes Jagdverhalten (bzw. bestimmte Teile davon). Border Collies beispielsweise zeigen aus der Bewegungsabfolge des Jagens besonders ausgeprägt das „Fixieren“ in geduckter Körperhaltung mit „Anpirschen“ und anschließendem „Hetzen“. Dieses Verhalten zeigen Hunde dieser Rasse übrigens schon als 10 Wochen alten Welpen in ihrem Spielrepertoire.
Schafe reagieren auf dieses Verhalten der Boder Collies sehr sensibel mit der vom Schäfer gewünschten Reaktion, nämlich mit Ausweichen. So können sie von den Hunden getrieben und gehütet werden und das Verhalten dieser Hütehunde ist auf diese Weise nützlich für den Schäfer.
Diese Neigung von Hütehunden, bewegliche Objekte zu fixieren und zu hetzen, kann dem Hütehundbesitzer, der kein Schäfer ist, im Alltag auf dem täglichen „Gassigang“, große Probleme bereiten. Dies speziell dann, wenn es sich auf alle beweglichen Objekte ausdehnt.
Solch bewegliche Objekte können dann beispielsweise Radfahrer:innen, Skateboardfahrer:innen und Jogger:innen sein. Manche Hunde neigen dazu allem hinter zu rennen, was sich schnell bewegt. Rennt ein Hund z.B. sporttreibenden Menschen hinterher, sind Probleme und Konflikte vorprogrammiert.
Was kann man aber tun, wenn man der Besitzer eines Hundes ist, der zum Jagen neigt oder gern zu fremden Menschen rennt oder sporttreibenden Menschen gern hinterherläuft…?
Kurzer Exkurs: Lernverhalten
Um unerwünschtes Jagdverhalten in den Griff zu bekommen oder dem Vorzubeugen, dass der Hund überhaupt Jagdverhalten entwickelt, ist es wichtig, einige Grundregeln des Lernverhaltens zu kennen.
Verhalten, welches belohnt wird, wird häufiger gezeigt, dies ist ein Lerngesetz, das durch viele wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt wurde. Wenn Sie also möchten, dass Ihr Hund das gewünschte Verhalten zeigt, sollten Sie dies belohnen. Man spricht in diesem Fall auch von dem Verstärken eines Verhaltens und bei der passenden Belohnung von einem Verstärker. Verschiedene Hunde empfinden dabei unterschiedliche Dinge als Belohnung bzw. Verstärkung. Sie müssen also selbst herausfinden, was für Ihren Hund die beste Belohnung/Verstärkung darstellt. Für manche Hunde ist die schönste Belohnung Leckerli zu erhalten, für andere ist es eher ein Ball- oder Zerrspiel mit dem Besitzer. Es kommt dabei ebenso auf die Situation an, für welche Art der Belohnung Sie sich entscheiden sollten. So ist es sicher keine passende Belohnung, wenn Sie Ihren Hund, der sich zum Beispiel gerade von einem flüchtenden Kaninchen abgewendet hat, mit einem Bröckchen Trockenfutter belohnen. In solch einem Fall müssen Sie schon zu etwas Besserem, bzw. für den Hund höherwertigem greifen wie z.B. einer Handvoll Fleischwurst oder Hühnchenfleisch etc. Ansonsten kann es Ihnen passieren, dass er sich beim nächsten Mal doch für das Kaninchen entscheidet, denn das Trockenfutter gibt es auch später zu Hause im Napf.
Natürlich stellt gutes Futter auch nur die richtige Belohnung für solch einen Moment dar, wenn sich Ihr Hund überhaupt durch Futter motivieren lässt. Für manche Hunde ist es die beste Belohnung, wenn Sie sein Lieblingsspielzeug auspacken und mit ihm ein Zerrspiel beginnen oder einfach ein Stück mit ihm zusammen rennen. Die wichtigste Regel die dabei gilt ist, dass nur das was Ihr Hund in diesem Moment als Belohnung empfindet, auch eine passende Belohnung darstellt. Für schwierige Situationen und Aufgaben sollte die Belohnung höherwertiger ausfallen als für Alltagsübungen.
Hier ist es hilfreich, wenn Sie dem Hund zunächst ein bestimmtes Lob- oder Markersignal beibringen. Das bedeutet, Ihr Hund lernt zunächst, ein bestimmtes Wort als Ankündigung bzw. Versprechen für Futter oder eine andere Belohnung kennen. Zeigt Ihr Hund dann eine gewünschte Handlung z.B. er schaut Sie auf dem Spaziergang an, dann können Sie ihm sofort durch das Lobwort signalisieren, dass Anschauen das richtige Verhalten war und er sich damit ein Leckerli verdient hat. Sie „markieren“ sozusagen das richtige Verhalten. Voraussetzung ist allerdings, dass der Hund zunächst das Lob- oder Markerwort mit Belohnungen verknüpft hat. Statt dem Lobwort können Sie auch ein Markersignal verwenden, wie z.B. einen Zungenschnalzer oder den Clicker. Der Clicker ist ein kleines Kästchen mit dem man ein kurzes Geräusch erzeugen kann, ähnlich wie ein Knackfrosch aus dem Spielzeugladen. Der Hund lernt das Geräusch mit einer Belohnung zu verknüpfen. Der Vorteil des Clickers ist, dass dieses Geräusch im Alltag nicht vorkommt. Es ist daher leicht für den Hund zu erkennen.
Problematisch: Selbstbelohnendes Verhalten
Es gibt Tätigkeiten, die Ihr Hund so schön findet, dass er gar keine zusätzliche Belohnung von außen braucht, um das Verhalten immer wieder zu zeigen. Das Durchführen dieser Tätigkeiten an sich stellt schon die Belohnung dar. Zu solchen Tätigkeiten zählt auch das Jagdverhalten. Hunde finden jagen so großartig, dass es keiner zusätzlichen Belohnung bedarf. Wie bereits erwähnt werden beim Jagen Glückshormone freigesetzt und diese können einen regelrechten Suchteffekt ausüben, so dass das Bedürfnis zu jagen bei jeder Möglichkeit, dies zu tun, verstärkt wird. Dieser Effekt tritt übrigens auch ein, wenn der Hund die Beute gar nicht bekommt. Das Hinterherhetzen an sich hat schon diesen Selbstbelohnungseffekt.
Was tun, wenn der Hund bereits Jagdverhalten entwickelt hat?
Wenn Ihr Hund schon ein gewisses Interesse an Wild entwickelt hat oder den Spaß entdeckt hat, hinter Jogger:innen, Radfahrer:innen etc. herzurennen, rate ich Ihnen im ersten Schritt nur eins: Sie müssen die Selbstbelohnung dabei verhindern. Das bedeutet, dass Sie zunächst Ihren Hund davon abhalten, hinter irgendetwas herzurennen, z.B. durch die Verwendung einer Schleppleine. Denn wenn der Selbstbelohnungseffekt immer wieder auftritt, werden Sie das problematische Verhalten niemals in den Griff bekommen. Mit Hilfe der Schleppleine können Sie dann weitere verschieden Übungen aufbauen, die alle zusammengenommen wie ein Baukastensystem helfen, das Problem zu lösen. Im Folgenden möchte ich Ihnen einige der nützlichsten Übungen kurz vorstellen.
Das Schleppleinentraining:
Wertvolle Dienste, um den Selbstbelohnungseffekt zu unterbinden und um unerwünschtes Verhalten auf dem Spaziergang zu verhindern, leistet die Schleppleine. Eine Schleppleine ist eine lange Leine (5 bis max. 10 Meter lang), die immer nur im Zusammenhang mit einem Brustgeschirr verwendet werden darf. Am Halsband befestigt, besteht sonst die Gefahr der Halswirbelsäulenverletzung, wenn der Hund mit der Leine plötzlich gestoppt wird.
Mit der Schleppleine verhindern Sie zum einen, dass sich der Hund selbst belohnt, denn er kann nun nicht mehr hinter irgendetwas herlaufen. Zum anderen ist die Schleppleine äußerst nützlich bei der Durchführung der Übungen auf dem Spaziergang, wie zum Beispiel für das Radiustraining, das Rückruftraining oder um dem Hund beizubringen auf dem Weg zu bleiben. Außerdem können Sie so dem Hund die Möglichkeit geben z.B. seinem Schnüffelbedürfnis nachzugehen ohne das die Gefahr besteht, dass sich der Hund verselbstständigt. Wenn Sie mit dem Schleppleinentraining beginnen, müssen Sie allerdings sehr konsequent sein. Es bringt nichts, an einem Tag mit einer Schleppleine durch den Wald zu laufen und am nächsten ohne. Der Hund weiß dann irgendwann ganz genau, wann die Leine dran ist und wann nicht und wann er demnach wieder in sein altes Verhaltensmuster fallen und eventuell weglaufen kann. Wenn Ihr Hund sich zwischendrin immer wieder seine Selbstbelohnung durch Hinterherhetzen holen kann, wird dieses Verhalten niemals verschwinden. Es lohnt sich ja immer wieder und Sie geraten in einen wahren „Teufelskreis“. Der Hund sollte so lange konsequent an der langen Leine geführt werden, bis ein sicheres Rückrufsignal antrainiert wurde und/oder der Hund gelernt hat sich bei Sicht auf das begehrte Jagdobjekt zur Besitzer:in umzuwenden. Das kann je nach Hund mehrere Monate und manchmal auch bis zu einem Jahr dauern, aber es lohnt sich. Natürlich ist es nicht angenehm bei Regenwetter mit so einer langen Leine, die teilweise auch am Boden schleift, durch die Landschaft zu laufen, aber es gibt heutzutage gute Schleppleinen, die sich auf bei schlechtem Wetter nicht vollsaugen und die leicht zu reinigen sind und die nicht in die Hände einschneiden. Denken Sie beim Training mit der Schleppleine ggf. trotzdem an einen Schutz für Ihre Hände z.B. durch Radfahrhandschuhe und daran, auf Ihre Umwelt zu achten, so dass z.B. niemand dadurch zu Fall kommt.
Sinnvolle Übungen für den Gassigang
Radiustraining:
Eine der wichtigsten Übungen, die mit Hilfe der Schleppleine aufgebaut werden können, ist es dem Hund beizubringen einen bestimmten Radius um Sie herum nicht zu verlassen. Ist Ihr Hund nämlich weit weg von Ihnen und es taucht unerwartet eine Ablenkung auf, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Hund auf Ihren Rückruf reagiert oder sich stoppen lässt. Die Verlockung durch die Ablenkung könnte dann einfach zu groß für Ihn sein und Ihr Einfluss auf den Hund sinkt mit steigender Entfernung.
Wie groß der Radius, den der Hund auf dem Spaziergang um Sie herum einhalten sollte, sein darf, ist zum einen vom Hund selbst abhängig und zum anderen von der Umgebung, in der Sie spazieren gehen. Ist die Gegend sehr unübersichtlich, zum Beispiel durch Büsche und Bäume, so ist es ratsam, den Hund relativ nahe (max. zirka 5 – 6 Meter Entfernung) bei sich zu behalten, denn hinter dem nächsten Busch oder der nächsten Wegbiegung könnte ein Wildtier sitzen oder ein spannender Mensch auftauchen. Wenn Ihr Hund in diesem Moment weit voraus läuft, haben Sie weniger Zeit um zu Reagieren und ihn zurückzurufen, denn die Ablenkung könnte dann schon bereits beim Hund sein. Die Größe des Radius ist weiterhin ebenso vom Hund wie vom Trainingsfortschritt abhängig. Wenn der Rückruf gut klappt, kann der Hund mehr Freiheit bekommen. Empfehlenswert ist es, mit einem kleinen Radius im Training anzufangen und diesen dann Schritt für Schritt zu erweitern. Zu Beginn sollte er nicht größer als 3 Meter sein. Schritt für Schritt kann der Radius dann bis auf 10 Meter (später max. 15 -20 Meter) erweitert werden. Wie gesagt ist es aber auch von Hund zu Hund unterschiedlich, wie weit man ihn weglassen kann. Es gibt Hunde, die auf dem Spaziergang relativ weit voraus laufen und trotzdem gut rückrufbar sind. Auf jeden Fall sollten Sie es sich zur Gewohnheit machen, den Hund vor jeder Wegbiegung oder unübersichtlichen Stelle kurz heranzurufen, so dass Sie zuerst um die Ecke schauen, um den Hund ggf. rechtzeitig vor einer Ablenkung anleinen zu können.
„Selbstgucker“ belohnen:
Dies ist eine ganz einfache Grundübung. Die meisten Hunde drehen sich auf dem Spaziergang immer mal wieder um und schauen dabei nach ihrem Menschen. Viele Menschen nehmen dies zwar wahr, belohnen den Hund aber für dieses Verhalten leider nicht. Dies hat dann oft zur Folge, dass der Hund das Verhalten nicht mehr so oft zeigt, denn es ist ein Lerngesetz, dass nicht mehr belohntes Verhalten auch irgendwann nicht mehr gezeigt wird. Deshalb ist es sehr sinnvoll, spontanes Anschauen des Menschen seitens des Hundes zu belohnen. Hierzu kann man sehr gut das Lobwort nutzen oder auch den Clicker. Kuckt sich Ihr Hund mal kurz zu Ihnen um, sprechen Sie sofort sein Lobwort aus oder betätigen Sie den Clicker. Anschließend wird der Hund von Ihnen belohnt – auch dabei lohnt sich der Einsatz von verschiedenen Belohnungen wie zum Beispiel Lob, Futter, gemeinsames Spiel, Aufgaben, die ihm Spaß machen und vieles mehr.
Durch das konsequente Belohnen seines Blickkontaktes wird sich Ihr Hund immer mehr zu Ihnen umschauen. Dadurch wird Ihr Hund aufmerksamer auf andere Signale und leichter ansprechbar, wenn eine Ablenkung auftaucht.
Aufmerksamkeitstraining:
Den Blickkontakt zu seinem Menschen auf ein bestimmtes Signal hin zu trainieren, ist eine weitere hilfreiche Übung für Hunde auf dem täglichen Spaziergang. Denn schaut der Hund seinen Menschen erst an, ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass der Hund nachfolgende Signale auch mitbekommt. Außerdem ermöglicht Ihnen ein solches Signal, die Aufmerksamkeit des Hundes von etwas anderem abzulenken, wie beispielsweise einem Menschen oder Hasen. Die meisten Menschen verwenden den Namen des Hundes, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Der Name eines Hundes wird aber auch öfter mal ausgesprochen, ohne dass etwas Interessantes für ihn passiert. Deshalb nutzt sich der Name als Aufmerksamkeitssignal schnell ab und es ist deshalb empfehlenswert ein besonderes Wort zu verweneden wie z.B. „Look“ oder „Schau“ oder „Guck mal“.
Ein sicheres Rückrufsignal:
Auf ein Rückrufsignal zu reagieren, ist letztendlich eine Lebensversicherung für Ihren Hund. Dass ein Hund kommt, den man ruft – so glauben viele Menschen – sei eine Selbstverständlichkeit. Dies ist aber leider nicht der Fall, denn ein Hund muss erst Schritt für Schritt erlernen, auf ein bestimmtes Signal zu seinem Besitzer zu laufen.
Oft wird der Fehler gemacht, dass beim Welpen oder Junghund der Rückruf zu früh benutzt wird, ohne dass er durch intensives Üben genügend gefestigt wurde. Man erkennt den Fehler daran, dass sich der Hund, nachdem er gerufen wurde, erstmal interessiert in der Gegend umschaut. In diesem Fall ist das Rückrufsignal zur Ankündigung dafür geworden, dass sich etwas Interessantes nähert. Ganz nach dem Motto: „Frauchen ruft ganz aufgeregt, da muss irgendwo ein anderer Hund (Hase, Reh, Jogger:innen etc.) sein, wie spannend“.
Übrigens: Auch ältere Hunde können noch ein sicheres Rückrufsignal erlernen. Manchmal ist es sinnvoll, ein neues Signal zu verwenden. Wurde der Hund früher z.B. mit dem Wort „Komm“ gerufen, so lohnt es sich ein neues Wort wie z.B. „Hier“ anzutrainieren.
Auch die Verwendung einer Pfeife ist empfehlenswert. Denn der Pfiff ist gut hörbar, auch wenn der Hund schon mal weiter weg sein sollte oder es Nebengeräusche durch Wind, Blätterrauschen usw. gibt. Ein Pfiff ist auch unabhängig von Ihrer Stimmung immer gleich. Beispielsweise verändert sich unsere Stimme, wenn wir aufgeregt sind. Bei einem sensiblen Hund, der Ihre Aufregung wahrnimmt, kann dies dazu führen, dass er gerade dann nicht herankommt, da er Ihre vermeintlich schlechte Stimmung registriert und Ihnen dann lieber aus dem Weg geht.
Aufbau des Rückrufsignals:
Gehen Sie beim Aufbau eines Rückrufsignals, egal ob mit der Stimme oder der Pfeife, ganz kleinschrittig vor, denn der Hund muss mehrere Aktionen mit dem Rückrufsignal verknüpfen. Wenn er das Signal von Ihnen hört, muss er sich zu Ihnen umwenden, zu Ihnen herankommen und solange dableiben bis Sie ihn wieder freigeben. Jeder einzelne Teilschritt muss geübt werden. Den ersten Schritt, die Aufmerksamkeit, trainieren Sie so wie oben beschrieben. Als nächstes trainieren Sie das Herankommen und Dableiben. Sie beginnen die Übung, indem Sie ihren Hund vor sich setzen, (wir gehen mal davon aus, dass er das Setzen auf Signal beherrscht) dann nehmen Sie Futter in die Hand, geben ihr Rückrufsignal und gehen anschließend einen Schritt rückwärts vom Hund weg, dabei locken sie den Hund mit dem Futter vor der Nase mit. Anschließend geben Sie wieder das Signal zum Sitzen. So bauen Sie in das Signal für das Herankommen gleich ein Sitzen mit ein. In den folgenden Schritten gehen Sie immer weiter von Hund weg, ehe Sie das Rückrufsignal geben und anschließend den Hund mit Futter zu sich locken. Wenn Sie anschließend immer auch gleich das „Sitz-Signal“ geben, so dass sich der Hund vor Sie setzt, wird er sich irgendwann automatisch vor Sie hinsetzen, wenn er bei Ihnen ankommt. So haben Sie Herankommen und Dableiben (durch das Sitzen) trainiert. Eine weitere sehr effektive Möglichkeit, den Rückruf zu trainieren besteht darin, dass Sie den Hund zunächst aus dem Stehen zu Ihnen locken. Dabei gehen Sie wie oben beschrieben vor, nur dass der Hund dabei steht. Also Sie sagen das Rückrufsignal und locken mit Futter anschließend den Hund sofort zu sich. Dann erweitern Sie die Entfernung zwischen sich und Hund schrittweise immer mehr. Kommt ihr Hund auf ca. 3 bis 5 Meter auf Ihr Signal hin auf Sie zu, können Sie einen Schritt weitergehen: Sie geben das Signal für das Herankommen, drehen sich dann mit dem Rücken zum Hund und rennen ein paar Meter vom Hund weg. Dies animiert die meisten Hunde sofort, hinter Ihnen her zulaufen, denn Sie haben ja eine tolle Belohnung und dem Besitzer hinterherzurennen macht vielen Hunden richtig Spaß. Sobald der Hund bei Ihnen ankommt, belohnen Sie in ausführlich. Dies kann auch mit einem Spiel, z.B. Zerrspiel geschehen, je nachdem was ihr Hund toll findet. Auch hier kann man die Entfernung immer weiter ausdehnen. Wenn Ihr Hund von weiter weg zu Ihnen rennt, sollten Sie ihm schon auf dem Weg zu Ihnen signalisieren, dass er es richtig macht. Rufen Sie ihm also sein Lobwort schon bereits zu, wenn er sich auf den Weg zu Ihnen befindet. Die anschließende Belohnung gibt es dann bei Ihnen. Diese Methode, den Rückruf zu trainieren, funktioniert besonders gut bei Hunden, die gern Action mögen. Allerdings muss man hier das Dableiben z.B. durch ein „Sitz“ anschließend gesondert trainieren.
Wichtig:
Übrigens: Sollte Ihr Hund mal weggelaufen sein, so dürfen Sie ihn auf keinen Fall schimpfen oder ihn bestrafen, wenn er irgendwann zu Ihnen zurückkehrt. Der Hund würde die Strafe mit dem Zurückkommen zu Ihnen verknüpfen, denn das ist das, was ganz kurz hintereinander passiert. Sein vorheriges Weglaufen wird er nicht mit der Strafe verbinden, dies ist zu lange her für eine Verknüpfung. In Zukunft wird er noch seltener zu Ihnen kommen.
Auf dem Weg bleiben üben:
Einem Hund beizubringen, nur auf dem Weg zu laufen und nicht im Gebüsch zu stöbern – genau wie ein sicherer Rückruf oder das Aufmerksamkeitssignal ist dies eine weitere wichtige Vorbeugemaßnahme, um unerwünschtes Verhalten auf dem Spaziergang zu verhindern. Auch bei dieser Übung leistet die Schleppleine wichtige Dienste. Der Hund wird konsequent mit direkten Verstärkern oder positiv trainierten Signalen verstärkt, wenn alle vier Pfoten auf dem Weg sind.
Der Weg zu einem entspannten Spaziergang:
Nehmen Sie die oben beschriebenen Übungen zusammen, haben Sie wie in einem Baukasten-System ein gutes abgestimmtes Handwerkszeug zusammen, um mit Ihrem Hund nach einiger Übung zu einem für beide Seiten entspannten Spaziergang zu kommen. Auch wenn Sie jetzt denken, dass es ziemlich anstrengend sein muss, so viel mit dem Hund zu üben, irgendwann gehen Ihnen die Übungen in „Fleisch und Blut“ über und sie machen sie quasi automatisch. Die Erfahrung zeigt: Es wird Sie im Laufe der Übungszeit nicht mehr so anstrengen wie vielleicht am Anfang. Wie beim Autofahren funktionieren viele Abläufe, an die Sie am Anfang denken müssen, irgendwann wie von allein. Wenn die Grundübungen irgendwann klappen, können Sie auch Beschäftigungsübungen wie zum Beispiel das Üben von bestimmten Tricks wie Pfoten heben, Balancieren auf Baumstämmen, irgendetwas Umrunden, oder etwas mit der Nase suchen in das „Spaziergangs-Repertoire“ integrieren. Denn Vorbeugen ist besser als unerwünschtes Verhalten mühsam abzutrainieren. Beschäftigen Sie sich mit Ihrem Hund auf dem Spaziergang, so bleibt es für Ihren Hund immer eine spannende Sache, zusammen mit seinem Menschen spazieren zu gehen und er neigt nicht so schnell dazu, seine eigene Art von Beschäftigung zu suchen. Wenn Sie mit Ihrem Hund auf dem Spaziergang üben, hat dies auch weitere Vorteile. Erstens müssen Sie keine zusätzliche Zeit für das Training mit dem Hund aufwenden. Sie üben einfach auf dem täglichen Gassi-Spaziergang, den Sie sowieso mit Ihrem Hund machen müssen. So lernt Ihr Hund ganz nebenbei viele praktische Signale und Verhaltensweisen. Zweiter positiver Nebeneffekt ist: Ihr Hund wird nicht nur körperlich, sondern auch geistig besser ausgelastet. Diese geistige Auslastung führt zu größerer Zufriedenheit bei Ihrem Hund. Er muss sich somit seine Beschäftigung auf dem Spaziergang nicht mehr selbst suchen. Auch die Bindung zwischen Ihnen und Ihrem Hund wird gestärkt. Sie werden interessanter für Ihren Hund und ganz automatisch werden Sie ein noch besseres Team.
Nicht zu vergessen ist dabei allerdings, dass Ihr Hund zwischendurch auch immer mal wieder die Möglichkeit haben sollte, seinem Bedürfnis nach Schnuppern, neue Gegenstände und Dinge erkunden, Markieren, Duftspuren der Artgenossen untersuchen etc., nachkommen zu dürfen. Das bedeutet, dass Sie während dem Spaziergang auch immer wieder regelmäßige Übungs-Pausen einbauen. Während dieser Zeiten wird der Hund nicht permanent angesprochen und es werden keine Übungen von ihm verlangt. Eines sollten Sie dabei beachten: Solange Ihr Hund noch nicht soweit im Training fortgeschritten ist, dass er in jeder Situation zuverlässig auf Ihren Rückruf reagiert oder noch dazu neigt, jagen oder stöbern zu gehen, sollten Sie ihn für diese Trainingspausen auf jeden Fall mit einer Leine absichern. Dies gilt natürlich ebenso für die Zeit, in der Sie noch das Schleppleinentraining durchführen.
Dies ist übrigens auch ein Tipp für Tage, an denen Sie selbst sehr angespannt sind oder den Kopf mit eigenen Dingen „voll haben“ und sich nicht so auf den Hund konzentrieren können oder möchten. Nehmen Sie an solchen Tagen Ihren Hund an eine ausreichend lange Leine, je nach Hund sollte diese 3 bis 5 Meter lang sein, so dass er schnüffeln und sich in einem bestimmten Radius um Sie herumbewegen kann. So können Sie Ihren eigenen Gedanken nachgehen und trotzdem laufen Sie nicht Gefahr, dass Ihr Hund unerwünschte Dinge tut und Sie einen Trainingsrückschritt riskieren. Auf diese Weise haben Sie und Ihr Hund einen entspannten Spaziergang.
(Beitrag aktualisiert: Mai 2022)