PROBLEME IN HUNDEBEGEGNUNGEN UND HUNDEKONTAKT
WARUM ICH NIE MIT HUNDE-DUMMIES (STOFFHUNDEN) ARBEITE
Hundebegegnungen sind mein Steckenpferd. Ich arbeite seit 2006 als Hundetrainerin und Verhaltensberaterin, seit 2018 hauptberuflich und in Vollzeit. Während ich früher quasi alle Themen bedient und auch Gruppentrainings angeboten habe, mache ich mittlerweile fast ausschließlich Coachings für Menschen deren Hunde Begegnungsprobleme mit anderen Hunden haben, an der Leine, im Freilauf und vor allem auch dann, wenn es um Direktkontakte geht.
EINBLICK IN MEINE ARBEIT
Jedem praktischen Coaching geht ein Online-Starttermin voraus. Für diesen Termin füllen mir meine Klientinnen vorab einen sehr umfangreichen Fragebogen aus. Ich muss genau Bescheid wissen über den Hund, denn oft sind Defizite in den Haltungsbedingungen, unpassende Ernährung und gesundheitliche Probleme mindestens mitursächlich für die Probleme, die der Hund im Alltag hat. Manchmal verschwinden die Probleme sogar komplett und ohne großes Training, wenn wir dafür sorgen, dass sich die Lebensumstände und das Wohlbefinden des Hundes verbessern. Anhand der genauen Anamnese, dem Gespräch mit meiner Klientin und idealerweise Videos des Ist-Zustands in Begegnungen kann ich mir in der Regel ein recht klares Bild davon machen, wo der Schuh drückt bei dem jeweiligen Hund und wir besprechen, wie das einige Tage nach dem Online-Starttermin stattfindende Intensivcoaching für Hund und Mensch aussehen wird.
DABEI TAUCHT IMMER WIEDER DIE FRAGE AUF, OB ICH MIT HUNDE-DUMMIES ARBEITE.
Vielleicht hast du das auch schon mal in irgendwelchen Videos im Internet gesehen: Einem Hund mit Begegnungsproblemen wird in einem bestimmten Abstand ein lebensgroßer Stoffhund präsentiert, ein Hunde-Dummy eben.
Ich arbeite ganz bewusst nicht mit solchen Dummies und generell nicht mit gestellten Situationen, sondern im öffentlichen Bereich, dort wo das Leben passiert. Dabei wähle ich meine Trainingsorte selbstverständlich so, dass das Coaching für Mensch und Hund nicht nur bewältigbar, sondern äußerst effizient und zielführend ist und vor allem alltagsnah ist.
Als Argumente für die Arbeit mit Dummies wird oft genannt, dass der Mensch dann erst einmal in einer sicheren Situation neues Verhalten üben kann, ohne Angst haben zu müssen, dass “etwas passiert”. Für mich macht dieser Ansatz keinen Sinn, denn bei Hundebegegnungen geht es nicht in erster Linie um Techniken.
Bevor der Mensch irgendwelche Verhaltensweisen oder Techniken lernt, die er dann in Hundebegegnungen einsetzen kann/soll, geht es für mich erst einmal um etwas ganz anderes und zwar etwas elementares:
Die allermeisten Menschen, die zu mir ins Coaching kommen sind mindestens unsicher, ängstlich und gestresst in Begegnungsituationen. Manche geraten sogar regelrecht in Panik, sind massiv gestresst und haben richtig Angst. Trainingstechniken zu lernen in einem “sicheren Umfeld” ist dafür nicht die Lösung!
Was diese Menschen brauchen, ist psychosoziale und emotionale Unterstützung und vor allem einen Coach an ihrer Seite, der ihnen aus ihrer Stress- und Konfliktreaktion heraushilft, sie durch Co-Regulation bei der Selbstregulation unterstützt und ihnen dadurch zu Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit verhilft. Diesen ersten, wichtigsten Schritt mit den Menschen zu gehen funktioniert nicht, wenn wir einen Hunde-Dummy benutzen, eben weil es ein Dummy ist und die Menschen durch den Dummy eben gar nicht in Stress geraten. Wachstum findet niemals innerhalb der Komfortzone statt. Um Ängste zu überwinden, Stress und Emotionen besser regulieren zu lernen und Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit zu erlangen, braucht es die Bewältigung von Herausforderungen, die genau diese Zustände mit sich bringen.
Beim Menschen verhält es sich nicht anders als beim Hund: Wenn Stress das Ruder übernimmt, dann reagieren wir nur noch. Mit den bekannten Stress- und Konfliktreaktionen, den vier (bzw. fünf) F’s: Fight, flight, freeze, fiddle, in der Humanpsychologie fawn genannt, und faint. Zu deutsch kämpfen, flüchten, einfrieren, herumkaspern beim Hund ‒ stark beschwichtigendes Verhalten beim Menschen und die Ohnmachtshaltung beim Hund bzw. das tatsächliche in Ohnmachtfallen beim Menschen.
Während dieser Stress- und Konfliktreaktionen ist das rationale Denken komplett gehemmt. Das Vorderhirn wird stummgeschaltet, denn Nachdenken ist für den Körper in dieser Situation evolutionär nicht sinnvoll. Wenn der Säbelzahntiger vor dir stand und du hast überlegt, was jetzt am besten zu tun ist, dann hast du dich in grauer Vorzeit nicht fortgepflanzt… Heute ist es kein Säbelzahntiger mehr, sondern eben die Hundebegegnung, die unsere Stressreaktion triggert, den präfrontalen Kortex ausknipst und uns die wildesten Dinge tun lässt. Menschen und Hunde anschreien, sich in die Büsche werfen und dabei den Hund mitzerren, manche Menschen bewaffnen sich sogar mit Pfefferspray, um sich freilaufende Hunde vom Hals zu halten.
Mein Job ist es also, Menschen dabei zu helfen, Stress und Emotionen regulieren zu lernen.
Damit sie mit funktionierender Großhirnrinde ihrem Hund dabei helfen können SEINEN Stress und SEINE Emotionen regulieren zu lernen. Co-Regulation durch psychosoziale und emotionale Unterstützung, durch das kleinschrittige Erlernen passender Regulationstechniken, nicht Hundetrainingstechiken und -methoden, das ist mein Einstieg ins Thema Hundebegegnungen. Und dazu brauchen wir echte, lebendige Hunde. Denn durch die wird die Stressreaktion ausgelöst und durch das Bewältigen dieser Situationen werden die betroffenen Menschen immer besser darin, mit ihnen umzugehen. Dadurch wird der Stress immer weniger, die Emotionen wandeln sich von negativ und unangenehm hin zu positiv und angenehm. Nichts fühlt sich besser an, als etwas geschafft zu haben und zu wissen, ich kann das, ich weiß, was ich tun muss. Das hat ganz viel mit Kontrolle anstatt Kontrollverlust zu tun. Genau das, was ich letzten Endes bei den Hunden selbst auch erreichen will. Das geht aber nur, wenn der Hund einen Menschen an seiner Seite hat, der denken kann, handlungsfähig ist und die Ruhe bewahrt, wenn der Hund es nicht mehr kann.
Das allein reicht also eigentlich schon als Erklärung, warum bei mir keine Stoffhunde zum Einsatz kommen und auch, warum ich nicht mit gestellten Situationen arbeite.
WEITERE NACHTEILE FÜR DEN HUND
Aber ich möchte an dieser Stelle noch auf einige gravierende Nachteile hinweisen, die ich bei der Nutzung von Hunde-Dummies sehe:
- Ein Hund, der ohnehin schon Begegnungsprobleme hat, ist in einem empfindlichen emotionalen Zustand. Viele dieser Hunde fürchten sich vor anderen Hunden. Uns allen ist klar, dass und warum viele Hunde auf Menschen, die aus Hundesicht seltsam gekleidet sind oder sich anders als der Durchschnitt bewegen oder verhalten, teilweise heftig reagieren. Sie springen in die Leine, bellen, geraten völlig außer sich. Und dann stellen wir ihm etwas vor die Nase, das zwar aussieht wie ein Hund, aber sich weder verhält wie ein Hund noch riecht wie ein Hund. Das fügt dem Portfolio dessen, wovor ein Hund sich in Begegnungen fürchten kann, noch etwas hinzu und ich finde das ist überflüssig.
- Die Reaktion des Hundes sagt rein gar nichts darüber aus, wie der Hund im Kontakt mit einem lebendigen, anderen Hund reagiert, der wiederum selbst auch reagiert. Zwischen lebendigen Hunden findet Kommunikation statt. Ein gut sozialisierter Hund wird auf einen Hund, der Drohverhalten zeigt, mit Deeskalation reagieren und genau diese Erfahrung muss ein Hund, der Angst vor Hunden hat, machen dürfen: Der andere sieht mich, hört mich, nimmt meine Kommunikation wahr und reagiert angemessen darauf. Der Stoffhund tut nichts davon.
- In manchen Settings wird der zu trainierende Hund angeleint oder auch frei auf den Stoffhund losgelassen “um mal zu testen, was der tun würde”. Ich mag mir gar nicht vorstellen müssen, was es bei jemandem auslöst, wenn sein Hund sich auf den Hunde-Dummy stürzt und anfängt ihn zu schütteln. Wie hoch sind die Chancen, dass jemand der erlebt hat wie sein Hund einen anderen “Hund” umbringt, sich jemals wieder in echte Begegnungssituationen traut?
- Zu guter Letzt gibt es dann aber natürlich auch noch die Kandidaten, die nach wenigen Sekunden Unsicherheit sofort merken, dass der Stoffhund nur ein Stoffhund ist und sich schlicht und ergreifend nicht weiter für ihn interessieren. Dann stellt sich die Frage, was fangen wir mit der restlichen Zeit der Trainingseinheit an?
Fazit: Aus meiner Sicht bringt der Einsatz von Hunde-Dummies bei der Bearbeitung von Begegnungen keinen einzigen Vorteil, aber viele Nachteile mit sich, weshalb ich sie nicht nutze.
Für mich steht bei der Arbeit an sämtlichen problematischen Verhaltensweisen immer zuerst die Stress- und Konfliktreaktion des Menschen im Fokus. Durch Co-Regulation fördere ich die Selbstregulation bei meinen Klientinnen und damit ihre Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit. Erst wenn die hergestellt ist, befassen wir uns mit den paar Techniken, die es braucht, um mit dem Hund erfolgreich Verbesserungen in Begegnungssituationen zu erzielen, sowohl beim angeleinten Vorbeilaufen, als auch in der Bewältigung von Direktkontakten.
DU MÖCHTEST GENAU DAS VON MIR LERNEN?
Wenn du einen Hund mit Begegnungsproblemen hast und daran etwas ändern möchtest, dann schau dir gerne mein Angebot an. Neben den Intensivcoachings bei mir vor Ort in München gibt es auch einige Online-Angebote, die dir zu mehr Verständnis für deinen Hund und sein Verhalten verhelfen können. Ein reines Online-Trainingsangebot für Hundebegegnungen findest du bei mir nicht. Denn wie gesagt: Es geht um Co-Regulation in Stresssituationen und das ist schlicht und ergreifend nur im richtigen Leben möglich.
Wenn du Hundetrainerin oder Verhaltensberaterin bist und dich für meine Arbeitsweise in Sachen Hundebegegnungen bzw. Problemverhalten allgemein interessierst, dann schau dir meine verschiedenen Weiterbildungsmöglichkeiten an. Von Webinaren, über Job-Shadowing und 1:1-Coachings ist alles dabei.