Die großen Emotionen des Alltags bei Hund und Mensch
WIE SEHT IHR DAS…?
Ich persönlich empfinde es als Herausforderung mit starken Emotionen wie Angst, Trauer oder Wut im Alltag umzugehen. In entsprechenden Situationen steigt mein Stresslevel und es folgt eine mehr oder weniger kontrollierte Stressreaktion, die nicht immer die klügste bzw. angenehmste ist.
Wenn ich wütend bin, fällt die Reaktion eher überhastet und kurzentschlossen „nach vorne“ aus. An dieser Stelle atme ich immer gaaaanz tief ein und wieder aus!
Angst macht mich dagegen handlungsunfähig. Es ist dann schwer, aus der Lethargie heraus neue Kraft zu schöpfen. Wenn ich mich also zum Beispiel bei Konflikten in meiner eigenen Bubble schwer tue, wenn jemand traurig oder wütend ist. Oder es sogar als unangenehm empfinde nur Zeuge eines Konflikts, in irgendeiner Hinsicht zu sein, beziehungsweise danebenzustehen, dann werfe ich hier auch die Frage auf: Dürfen oder sollten unsere Hunde diese Emotionen und den damit einhergehenden Stress kennen und fühlen?
Sicher fühlen Hunde auch Trauer und Wut. Wie wir wollen sie wahrscheinlich auch nicht wütend, ängstlich oder traurig sein. Daher sehe ich in uns, als wichtigste:r Bindungspartner:in, natürlich in der Verantwortung, diese Emotionen bei unseren Hunden nicht gezielt oder fahrlässig auszulösen. Verhindern lassen sie sich dennoch nicht.
Es liegt gar nicht immer in unserer Hand, ob und wann unsere Hunde Wut oder Angst empfinden. Nehmen wir beispielhaft den traumatisierten Hund aus dem Tierschutz. Hier können wir Auslöser identifizieren und den Hund stabilisieren, aber wissen wir immer, was genau den Hund triggert? Was die Angst auslöst? Gerade in der Anfangszeit, bis man seinen Hund wirklich kennt, sage ich: Nein, nicht immer können wir die großen Emotionen bei unseren Hunden verhindern.
Auch in unserem Alltag kennen wir das. Ich will natürlich nicht, dass meine Frau Wut verspürt. Wenn ich oder mein Handeln aber nicht Auslöser für diese Wut bin, was soll ich dann tun? Ich kann auch den Verlust von lieben Menschen nicht verhindern – und die Trauer darüber werde ich empfinden.
Wir können unsere Umwelt eben nur bedingt kontrollieren.
Verhindern geht also nicht und verbieten funktioniert auch nicht.
WIE KÖNNEN WIR DANN MIT STARKEN GEFÜHLEN UNSERER HUNDE UMGEHEN?
Aus meiner Sicht ist geschicktes Management an der ein oder anderen Stelle sehr klug. Zum Beispiel, wenn der Terrier hinter der Balkontür tobt, weil auf der anderen Seite das Eichhörnchen Vogelfutter klaut. Ein Sichtschutz könnte hier möglicherweise für mehr Gelassenheit sorgen. Doch ist es auch immer eine verpasste Chance, mit all dem Frust, der da entsteht, umzugehen.
Was es braucht, damit Hund lernt, sich selbst zu regulieren, sind Bindungspartner:innen, die auffangen und begleiten. Die verlässlich sind, soziale Unterstützung bieten und sich, im Falle unseres Terriers nicht vom Stress anstecken lassen.
„ZWEI SCHREIENDE KINDER WERDEN SICH EBEN NICHT GEGENSEITIG BERUHIGEN.“
Bieten wir unseren Hunden bei ihren Gefühlsausbrüchen Trost und Schutz oder einfach nur Beistand dann führt das zur besseren Selbstregulation und stärkt außerdem die Bindung. Verbiete, schimpfe oder (menschlich sozialer Kontext) bagatellisiere ich die Gefühle der anderen, so erreiche ich keine Besserung der emotionalen Lage und verknüpfe möglicherweise sogar noch mehr Dinge mit unangenehmen Gefühlen.
Bei aller Liebe sollten wir uns dabei nicht aufopfern. Das Thema Selbstfürsorge ist wichtig! Wenn ich selbst nicht stabil bin, wie soll ich dann eine Stütze für andere sein?
Ja, die großen Gefühle sind oft auch unangenehm. Wenn der eigene Hund schreiend in der Leine hängt und Passanten schlaue Ratschläge parat haben oder Besuch zuhause bereits ausbleibt, weil der eigene Hund aggressives Verhalten zeigt.
Dennoch tun wir gut daran, solche Situationen zu reflektieren, uns Strategien bereit zu legen und zu üben mit Emotionen wie Angst oder Wut umzugehen. Gleiches gilt, wenn wir unsere Hunde dabei unterstützen wollen.
BELLEN ALS AUSDRUCK STARKER GEFÜHLE
Hunde bellen, wenn sie etwas aufregt. Bellen ist also Ausdruck starker Emotionen. Das kann Freude sein oder z.B. Frust, gut oder schlecht. Manche schreien sofort los, andere sind vielleicht subtiler: jammern, winseln, wuffen, Körpersprache. Im besten Fall wissen wir, wie wir der Situation begegnen und sorgen dafür, dass unser Hund sich wieder beruhigt.
Nehmen wir ein Beispiel aus meinem Alltag mit Eddie. Eddie trägt nicht zuletzt den Beinamen Sheriff Ed. Er bewegt sich frei auf unserem Grundstück, allerdings so gesichert das Post & Co. ohne Überraschung zum Briefkasten und zur Tür kommen. Wenn Eddie mitbekommt, dass jemand über den Hof läuft oder fährt, bellt er, denn er möchte gern hin, kann es aber nicht. Da ist eine Menge Frust im Spiel. Darauf einzugehen und ihm zu helfen, sich wieder zu beruhigen, hat dazu geführt, dass er weniger bellt und schneller wieder zur Ruhe kommt.
Hier haben wir nicht am Verhalten trainiert, sondern die Selbstregulation und unsere Bindung gestärkt. Aber Achtung, ich bin in der Lage, gelassen zu bleiben und meinen Hund in dieser Situation zu unterstützen. Das liegt einfach daran, dass es hier keinen interessiert, wenn ein Hund bellt. Wenn sich die Nachbarn bereits bei der Hausverwaltung beschwert haben, brauche ich vielleicht selbst erst einmal eine Strategie mit meinem Ärger darüber umzugehen. Dann wäre eine empathische Bindungsperson, mit der ich mich austauschen kann, eine echte Stütze.
Fazit: Starke Gefühle gehören zum Leben und ohne Salz in der Suppe wäre dieses doch auch ziemlich fad. Sie sind erlaubt und legitim, oft ja auch angebracht. Aber wer sich aufregt, sollte sich auch abregen können. Empathie und ein wohlwollender Umgang sind der Schlüssel dazu.
Miteinander statt gegeneinander!
(Beitrag aktualisiert am 16. Februar 2024)