Hund und Kind – Kind und Hund: über das Jonglieren mit Bedürfnissen
Wir sind gerüstet, um spazieren zu gehen: die zwei Hunde, das neugeborene Baby, und ich. Endlich: morgens dauert es jetzt länger, als die Hunde gewohnt sind. Da weint das Baby plötzlich, es will wieder gestillt werden. Ich setze mich auf den Küchenstuhl, die Hunde legen sich mit einem leisen Seufzer zu meinen Füßen. Nach dem Stillen spuckt das Baby, es muss komplett umgezogen werden. Die Hunde legen sich an die Wickelkommode, neben meine Füße.
Anderthalb Jahre später, wir machen Ferien am Meer. Das Baby ist ein Kleinkind geworden, es will ins Meer laufen, die Füße von den Wellen überspülen lassen, kreischt vor Vergnügen. Die Hunde stehen unschlüssig am Strand. Sie wollen laufen. Das Kind will nicht laufen, jedenfalls nicht parallel zum Wasser. Ich verhandle in beide Richtungen, jeder kommt zum Zug.
Beide Situationen sind typisch für mein Leben mit Hunden und Kleinkind: sie alle – und, man vergisst es zu schnell: auch ich – haben Bedürfnisse. Manche sind dringend, manche werden dringend, wenn man sie zu lange aufschiebt. Der Säugling ist angewiesen auf ein promptes Befriedigen seiner Bedürfnisse, das Kleinkind kann ich bitten, zu warten. Ihm erklären, was die Hunde brauchen, es einbeziehen in die Suche nach Lösungsmöglichkeiten, die alle zufriedenstellen. So erzählte mir eine Freundin, wie sie mit ihrem Hund und ihrem Zweijährigen unterwegs war, und letzterer plötzlich auf den Spielplatz wollte. „Aber wir haben den Hund dabei“, erinnerte sie ihn, und fragte „was schlägst du vor?“ „Timer stellen!“, antwortete das Kind (eine Methode, die ihm aus dem Alltag bekannt ist). Sie überlegten, wie lange es für den Hund wohl okay sei, am Spielplatzrand zu warten, bezogen ihn sogar spielerisch in das Gespräch ein, und er – der Hund – ”stimmte schweigend zu”, zehn Minuten auszuharren.
Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass ein Zweijähriger zu so etwas fähig ist. Tatsächlich bietet das Leben mit Hunden Kindern die Möglichkeit, früh zu erfahren, dass auch andere Lebewesen Bedürfnisse haben, die man in die Planung und den Lebensvollzug einbezieht. Und: dass das nicht ein Kompromiss sein muss, der letztlich alle unzufrieden macht, sondern dass wir Bedürfnisse verbinden können.
Um Kinder in ein solches bedürfnisorientiertes Leben mit Hund(en) einzuführen, braucht es einige Voraussetzungen:
1. INNEHALTEN
Das Leben mit kleinen Kindern und gerade mit jungen oder wenig trainierten Hunden neigt dazu, chaotisch, laut und überwältigend zu sein. Der Welpe muss raus, die Nudeln kochen über, das Baby schreit, das Telefon klingelt. Als verantwortlicher Erwachsener verfällt man manchmal in ein reines Reagieren. Ich komme mir an solchen Tagen vor wie die Feuerwehr, die einen Brandherd nach dem anderen löscht, ohne Atempause, und an der nächsten Ecke flackert schon wieder was auf. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, immer, wenn ich in diesen Modus komme, innezuhalten. Immer, wenn zwei Anforderungen an mich gestellt werden. Immer, wenn ich merke, dass es mir zu viel wird, dass einer von uns nicht mehr im Gleichgewicht ist. Innehalten. Atmen.
2. EINE ANDERE GERECHTIGKEIT
Ich möchte, dass es in meiner Familie, zu der ich mich, meinen Mann, unsere Tochter und die zwei Hunde Rike und Balou (bis Anfang des Jahres Rike und die alte Habca) zähle, allen gut gehen kann. Dass alle sich entfalten können. Spannend wird das da, wo Ressourcen begrenzt sind: meine Nähe, meine Zeit, meine Aufmerksamkeit. Die wird nicht gleichmäßig verteilt (ein Fünftel für jeden von uns?), sondern ich schaue, wer was braucht. Und wie dringend. Die Verteilung passe ich immer wieder an. Tag für Tag, manchmal auch Minute für Minute. Beim Stillen des Neugeborenen lagen die Hunde gewöhnlich auf und an mir und tankten auch Nähe. Beim Hunde-Spaziergang hatte ich das Baby im Tragetuch dabei und konnte mit den Hunden genauso über Stock und Stein laufen wie ohne Kind. Im Kühlschrank habe ich immer vorbereitete Kongs®, die ich an die Hunde verteilen kann, wenn ich dringend was mit dem Kind, aber ohne sie machen möchte.
3. BEDÜRFNISSE VON STRATEGIEN UNTERSCHEIDEN
Nähe, Zuwendung, Bewegung, Nahrung: das sind Bedürfnisse. Bedürfnisse sind allen Menschen gemeinsam, und viele teilen wir auch mit Hunden. Wie wir uns unsere Bedürfnisse zu erfüllen versuchen, nennt man Strategien: Rike will auf meinem Schoß sitzen, während das Kind mit mir Bauklötze stapeln will. Ich will mit dem Kind ein Bild malen, Balou will den Stift nehmen. Das einjährige Kind will stehen bleiben und der Schnecke zuschauen, Balou will Jagen gehen. Konflikte entstehen also immer auf der Ebene von Strategien. Es hilft, das Bedürfnis dahinter zu sehen. Das braucht ein bisschen Übung. Vielleicht kann Rike sich an meinen Rücken kuscheln, während ich mit meiner Tochter einen Turm aus Bauklötzen baue. Oder Rike kann auf meinem Schoß sitzen, und ich bin mit dem Kind in Verbindung, indem ich mit ihm über seine Bauklötze spreche. Ich kann Balou Bewegung verschaffen, indem ich ihn Dummys suchen schicke, während meine Tochter die Schnecke beobachtet. Oder kann sie ein leeres Schneckenhaus untersuchen und dabei in der Trage sitzen, und ich laufe mit Balou? Die Konzentration auf Bedürfnisse eröffnet einen Raum von Möglichkeiten! Spätestens seit mein Kind sprechen kann, versuche ich, ihr Bedürfnis zu benennen: „Du möchtest Rike auf den Kopf küssen. Du hast sie richtig gern, und möchtest ihr das zeigen, stimmt’s? Oder findest du das Geräusch beim Küssen so lustig?“ Das sind zwei Vermutungen, je nachdem, auf welche sie eher reagiert oder zustimmt, kann ich vorschlagen: „Komm, ich zeige dir, wie du ihr sagen kannst, wie gern du sie hast.“ oder „Magst du mich küssen?“ oder „Wollen wir Küsse auf die Hand machen und dann zu Rike rüber pusten?“
4. KREATIV WERDEN
Letzteres ist schon ein Beispiel dafür, dass es gerade in Konfliktsituationen immens hilft, kreativ zu werden. Also: Erstens: Innehalten. Zweitens: Die Bedürfnisse identifizieren. Rike ist auf ihre Sicherheit und Individualdistanz bedacht, meine Tochter möchte ihre Zuneigung ausdrücken, Verbindung fühlen, ich möchte Sicherheit und Leichtigkeit in dieser eigentlich so herzerwärmenden Situation, die so schnell gefährlich werden kann. – Was jetzt? Mit der Zeit entwickeln sich ein paar Standards, so hat unser Kind zum Beispiel einen lebensgroßen Stoffhund, der ihre Liebe und Fürsorge gern entgegennimmt, wenn es den echten Hunden zu viel wird. Den kann man küssen, bürsten, anziehen, ausziehen, erziehen, durch die Gegend tragen. Umlenken also, nicht ablenken.
Um Hunde auszulasten, die einen langweiligen Tag hatten, vielleicht weil das Kind krank ist oder die Eltern aus anderen Gründen gerade viel braucht, habe ich Bücher, Pinterestboards, Listen. Die Klassiker bei uns sind Intelligenzspiele (mit anderthalb kann das Kind die schon befüllen), mit Futter gefülltes Spielzeug, im Innenhof verteiltes Trockenfutter, verstecktes Spielzeug.
Kreativ werden kann auch heißen, Babysitter und Hundesitter einzubeziehen. Futterautomaten zu verwenden. Wiederkehrende Konfliktsituationen versuche ich, in Ruhe zu durchdenken, und wenn ich nicht weiterkomme, mit Freundinnen zu besprechen. So hat es mich zum Beispiel eine Zeitlang fürchterlich genervt, dass das Krabbelkind immer mit den Wassernäpfen der Hunde spielte. Ich fand keine Variante, sie so hinzustellen, dass die Hunde drankommen, das Kind aber nicht. Ich beobachtete jetzt mal ganz genau, was passierte: meine Tochter krabbelte auf den Napf zu, hielt einen Meter davor an, sah sich zu meinem Mann und mir um, strahlte, lachte, krabbelte den Rest in einem Affenzahn, im Wettbewerb mit uns, die wir aufgesprungen waren, irgendwas riefen, versuchten, den Napf in Sicherheit zu bringen. Das war natürlich wahnsinnig komisch! Das Bedürfnis war also Verbindung zu uns, gemeinsame Unterhaltung. Das können wir anders erfüllen. Und wie toll, dass sie vorher anhielt, dafür bedankte ich mich die nächsten Male bei ihr.
5. ALLES ÄNDERT SICH. IMMER.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Tochter den nächsten Entwicklungsschritt macht, sobald die Hunde und ich mich an den vorherigen einigermaßen gewöhnt hatten. Ich bin eigentlich nicht so ein Fan von Veränderung, richte mich gern ein in meinen Routinen. Damit ist seit ihrer Geburt Schluss! Habca konnte nicht fassen, als das Kind in Bauchlage auf einmal den Kopf hob und sie anschaute. „Fixierte“, aus Hundesicht. Vielleicht sogar nach den Pfoten patschte. Kindergitter zogen ein und aus und um, mal an der Tür, dann an jener, plötzlich wechselte das Baby selbständig die Räume. Erst war die Treppe gesichert, dann sollte sie erkundet werden. Eine Weile wollte ich die Hunde nicht im Spielzimmer haben, dann fand ich das unpraktisch, weil ich so viel Zeit dort verbrachte. Ich stellte eine Art Laufstall auf, der Habcas Ruhezone wurde. Das Kind lernte, sich daran hochzuziehen. Ich holte Hundeboxen aus dem Keller, nichts liebt das Kind mehr. Ich baute den Laufstall wieder ab und erfand neue Tabu-/Schutzzonen. Es gibt – für mich – mit Kind nur eine Konstante: dass sich alles immer wieder ändert. Und ich jeden Tag neu schaue: wer braucht was, wer kann was, und welche Hilfsmittel können uns drei unterstützen.
6. SICHERHEIT UND VERANTWORTUNG
Eins ist mir dabei ganz klar: Die Verantwortung bleibt immer bei mir. Die können weder mein Kind noch meine Hunde tragen. Meine Hunde sind sehr vorsichtig mit dem Kind, und mein Kind ist meistens wirklich toll (achtsam, liebevoll, vorsichtig?) mit den Hunden. Aber darauf verlassen würde ich mich nie. Ein Grund ist, dass sie alle wenig Impulskontrolle haben. Wenn meine Anderthalbjährige sich richtig doll ärgert, weil, zum Beispiel, sie es nicht schafft, den Karabiner am Hundegeschirr einzuhaken, dann kann es sein, dass sie dringend irgendwo reinbeißen muss. Oder dass sie sich schreiend vor den Hund wirft. Da bin ich lieber daneben. Ein Hund kann losrennen, ohne darüber nachzudenken, dass das Kind im Weg steht. Er kann schnappen, wenn das Kind ihm weh tut. Manches mal stehe ich verzückt in der Tür und schaue zu, wie das Kind „Si[tz]“ und „P[l]a[tz]“ zu unserem Balou sagt, untermalt von energischen Gesten, und der Hund sich brav hinsetzt und hinlegt, und mein Herz fühlt sich ganz weich und weit an. Ich halte mich im Hintergrund, ich lasse ihnen so viel Freiraum wie möglich. Ich denke an all die Bücher und Filme über das Aufwachsen mit Hund. Aber ich bin immer da. In Hör- und Reichweite für beide. Manchmal scrolle ich dann auf dem Handy durch die sozialen Medien und sehe Fotos von Hunden und Babys an, und sehe die Stressaugen der Hunde, das Hecheln, die Stressfalten im Mundwinkel, den mühsam abgewandten Blick, oder auch ein Anstarren des Kindes mit fest zugepresstem Maul. Ich sehe lauter Signale von Hunden, denen es nicht gut geht mit der Interaktion mit Kind. Das darf nicht sein, und das ist meine Verantwortung. Für manche Hunde ist es okay, mit Kindern nah zu sein, für sehr viele nicht. Umarmen ist für Hunde fast immer bedrohlich. Am Fell ziehen, am Schwanz ziehen, in die Augen fassen: natürlich machen Kinder sowas. Und genauso natürlich schreite ich ein, stelle Regeln auf, lehre das Kind, wie es mit Hunden umgehen kann. Es ist so häufig der eigene Hund, der Kinder verletzt, und so häufig gehört dazu ein Erwachsener, der die Hundesignale selbst nicht deuten konnte, der ein Stressanzeichen niedlich fand oder fand, ein Hund müsste das aushalten.
7. DEN EIGENEN WEG FINDEN
Es wäre sicherlich einfacher, die Hunde und das Kind mehr zu trennen. Ich erinnere mich an eine Situation in den Ferien, als ich mit Kind, gerade in der Phase des Rückwärtskrabbelns, Rike und der alten Habca auf einer Decke im Garten lag, und jemand sich dem Hoftor unseres Feriengrundstücks näherte. Habca sprang auf, bellte, rannte los, ich rief sie, sie kam zu mir zurück und trat dabei auf das Kind, das natürlich weinte. „Der Hund müsste lernen, dass er nicht auf die Decke darf“, sagte meine Schwiegermutter, die das mitangesehen hatte. Sie hat recht, dachte ich mit schlechtem Gewissen. Trainieren kann man das ja alles. Oder eben Laufställe und Trenngitter nutzen, ob für Hund oder Kind. Zugleich merkte ich, dass mir etwas daran nicht passte. Habca war zu dem Zeitpunkt vierzehn, hatte seit Jahren Krebs, sollte nach Meinung der Tierärzte seit Jahren tot sein. Sie war der Hund, den ich über alles liebte, der meiner Seele so nah war. Sechs Monate nach diesem Vorfall starb sie, und fehlt mir jeden Tag. Es gibt nur einen Gedanken, der mich tröstet: dass ich gerade in den letzten Jahren jeden Moment mit ihr genossen habe. Auch der Moment auf der Decke, mit ihr und meinem kleinen Baby in der Sonne liegend, war schön. Ich bin nah mit meinen Hunden. Ich will nicht, dass sie am Rand der Decke im Gras liegen. Habca war immer in HautKörper?kontakt mit mir, fünfzehn Jahre lang. So waren wir. Ich musste andere Lösungen finden, dass sie nicht aus Versehen aufs Baby trat.
Mit dem zweijährigen Balou, der manchmal vor lauter Überschwang nicht gucken kann, wo er hinrennt, ist das wieder was anderes. Meine Beziehung zu ihm ist anders als zu Habca, mein Kind ist größer. Und wenn ich merke, eine Sicherheitsvorkehrung oder eine Konfliktlösung fühlt sich nicht gut an, dann denke ich an die Decken-Episode und überprüfe, ob das vielleicht nicht zu mir passt. Zu meiner Art, mit meinen Hunden zu leben. Oder zu meiner Art, Mutter zu sein. Oder zu meiner Art, ich zu sein.
8. AUF MICH SELBST ACHTEN
Mich gibt es nämlich auch in diesem System, ich bin nicht nur die große Bedürfniserfüllerin. Es ist anstrengend, Mutter zu werden, und Mutter zu sein. Ich habe wenig familiäre Unterstützung. Ich habe zwei Hunde, die ich voller Liebe doch durchaus als anstrengend bezeichnen würde. Weder meine Hunde noch mein Kind werden im Laufe des Tages sagen: „Jetzt mach ruhig mal was für dich, wir kommen schon klar!“. Auch hierfür trage ich die Verantwortung, und ich musste erst lernen und mir klar machen, dass es niemandem hilft, wenn ich mich vergesse. „Aus einem leeren Behälter kann man kein Glas füllen“, oder so ähnlich. Mit Säugling und zwei Hunden einen ganzen Tag allein zu hause: da hieß auf mich selbst zu achten manchmal einfach nur, daran zu denken auf’s Klo zu gehen und ab und zu selbst was zu essen. Mit Anderthalbjähriger und zwei anderen Hunden heißt es: ich trinke jeden Tag einen Kaffee in Ruhe. Ich mache ab und an einen ganzen Tag ein Seminar allein. Ich versuche, einen Vormittag allein zu haben.
In der Regel bin ich diejenige, die ihre Bedürfnisse am ehesten aufschieben kann. Dann kann es sein, dass ich meinem Mann, kaum dass er abends durch die Tür kommt, das Kind in den Arm drücke und für mich allein oder mit einem der Hunde eine Runde laufen muss. Den Sonnenuntergang über den Vogesen anschauen. Auf einer Bank sitzen und atmen. Mich erinnern, dass ich noch ich bin, auch als Mama.
Manchmal ist es aber auch im Tagesverlauf so dringend, für mich selbst zu sorgen, dass die Hunde eine Kaustange kriegen oder allein in einem Zimmer warten und ich das Kind vor einer Fernsehsendung auf meinem Laptop parke. Fünf Minuten die Augen zumache. Durchatme. Ich habe dabei kein schlechtes Gewissen, denn ich will, dass meine Tochter genau das lernt: es ist wichtig, auf sich selbst zu achten. Und zwar rechtzeitig.
9. KANN MAN DIE HUNDE AUFS KIND VORBEREITEN?
Manchmal versuche ich mich daran zu erinnern, wie ich mir das Leben mit Hund und Baby vorgestellt hatte, vor der Geburt. Tatsächlich konnte ich es mir kaum vorstellen: zum einen kannte ich kaum Babys aus der Nähe, zum anderen wusste ich ja nicht, wie ich als Mutter sein würde. Ich hatte hin und wieder werdende Eltern als Hundetrainerin beraten. Ich riet, den Hund langfristig auf Veränderungen vorzubereiten. Fremde Gegenstände wie Autositz und Kinderwagen schon einzuführen, bevor das Kind da ist. Zu überlegen, ob sich Routinen ändern, ob der Hund zum Beispiel länger allein sein muss, und sowas dann schon einzuführen. Managementmaßnahmen aller Art kann man üben: hinterm Kindergitter warten, in der Box warten, in einem anderen Zimmer warten. Ein bisschen habe ich das auch gemacht. Vor allem habe ich in der Schwangerschaft viel mit den Hunden entspannt. Ich habe ihre Entspannungssignale aufgefrischt, Entspannungsmusik, Duft und ein Wort, und eine lange Mittagspause zur Regel für uns alle gemacht. Das kommt uns heute noch immer zugute. Darauf, dass da wirklich und wahrhaftig ein neuer Mensch ist, konnte ich weder sie noch mich vorbereiten. Darauf, wie sich all mein Fühlen und Denken ändern würde. Wie Wichtiges unwichtig wurde, und Unwichtiges wichtig. Mit wie wenig Schlaf wir alle auskommen würden. Dass ich manchmal gereizt und genervt mit ihnen war, und dann wieder so glücklich und liebevoll. Das erste Wort meiner Tochter war „[R]ike“, das zweite „Ha[b]ca“, und noch heute, ein halbes Jahr nach Habcas Tod (was einem Viertel ihres Lebens entspricht!) zeigt sie auf Fotos und ruft „Haca!“. Wenn ich sie mit einem Kindergitter trenne, steht meistens das Kind rüttelnd auf der einen Seite, Rike sitzt geduldig wartend auf der anderen. Das Kind schiebt ihr Spielzeug rüber.
Meine Tochter darf jetzt manchmal Rikes Leine halten. „Komm“, ruft sie dann, und marschiert los. Rike schaut mich nochmal an, und trappelt dem Kind hinterher, vorsichtig bedacht, nicht zu sehr zu ziehen. Sie sehen aus wie Lassie und Timmy, Billie und Annie, Charlie und Snoopy, Dorothy und Toto, Ethan und Bailey, Parker und Hachiko. Es ist die immer neue Inszenierung der alten Geschichte zwischen Hund und Mensch, und ich bin glücklich, dass mein Kind diesen Aspekt des Menschseins kennen lernen darf, und dass meine Hunde diesen Aspekt des Hundseins erleben dürfen.