Manche Hunde brauchen eine harte Hand!
“Wie bitte?”, Sie fragen sich vielleicht gerade, ob Sie sich im Blog verklickt haben…? Nein, Sie sind bei Easy Dogs – und ja, wir stehen für einen freundschaftlichen Umgang und faires, gewaltfreies Training mit dem Hund.
Und es stimmt:
Manche Hunde brauchen eine “harte Hand” – wenn man für das Zusammenleben und das Training mit dem Hund den strafbasierten Ansatz wählt.
WAS BEDEUTET “STRAFBASIERTER ANSATZ”?
Wenn man den strafbasierten Ansatz verfolgt, dann werden “Fehler”, unerwünschte Verhaltensweisen oder “Regelverstöße” des Hundes geahndet. Durch den Einsatz von Strafe sollen die Fehler, unerwünschten Verhaltensweisen oder Regelverstöße weniger häufig oder am besten gar nicht mehr auftreten. Das schließt nicht aus, dass der Hund für “gutes” Verhalten gelobt oder auch mit Leckerchen oder Spiel belohnt wird. Ich habe live erlebt, wie ein Hundehalter seinen Hund mit Clicker und Futter für das richtige Verhalten belohnt und mit einem Leinenruck am Stachelhalsband für Fehler bestraft hat. Zuckerbrot und Peitsche lautete die Devise.
Das Training über Strafe funktioniert, wenn es – wie auch das Training über Verstärkung – korrekt durchgeführt wird. Dass es gravierende Nebenwirkungen hat, steht auf einem anderen Blatt Papier und ich möchte in diesem Artikel nicht weiter darauf eingehen. Korrektes Durchführen bedeutet:
SICH AN DIE REGELN ZUR BESTRAFUNG ZU HALTEN:
- Sie muss immer erfolgen, wenn das Verhalten, das verschwinden soll gezeigt wird. Jedes einzelne Mal.
- Sie muss prompt erfolgen, weil der Hund die Strafe sonst nicht mit dem Verhalten verbindet, das verschwinden soll.
- Und sie muss heftig genug sein, damit der Hund sich wirklich nie wieder traut, das Verhalten, das bestraft wurde zu zeigen.
Richtig gemacht würde sich Bestrafungsregel Nummer 1 also fast erübrigen, denn wird Bestrafungsregel Nummer 3 eingehalten, wirkt die Strafe so nachhaltig, dass der Hund das Verhalten nicht wiederholen wird. Fast deshalb, weil es immer zu einer “spontanen Erholung” kommen kann und der Hund zeigt das Verhalten doch wieder.
Bestrafungsregel Nummer 3 ist es aber auch, die die Grundlage für das Argument der “harten Hand” bildet. Es gibt Hunderassen, die seit Jahrhunderten darauf selektiert werden sich, in der Regel eigenständig und ohne Beteiligung des Menschen, mit wehrhaftem Wild auseinanderzusetzen. Paradebeispiel hierfür sind vor allem die kleinen Terrierrassen, die Fuchs und Dachs aus dem Bau treiben, die Wildschweine stellen, Ratten fangen und töten und sich mit allerlei anderem Raubzeug anlegen. Wehren sich diese Tiere, dann sagt der geneigte Terrier nicht etwa “Oh sorry, ich wollte dich nicht belästigen, bin schon weg!”, sondern er legt nochmal ein Schippchen drauf. Tut er das nicht, dann ist er für die Arbeit nicht geeignet und fliegt aus der Zucht. Heute ist das natürlich nicht mehr so, es gibt inzwischen auch bei diesen Hundetypen Züchter, denen andere Eigenschaften wichtiger sind, weil sie nicht jagdlich züchten. Aber über lange lange Zeit wurde es so gehandhabt und diese “Härte” ist in vielen Terriern, aber eben auch anderen Rassen, deren Mixen oder eben Typen noch sehr präsent. Sie steht in deutlichem Kontrast zur “Leichtführigkeit” von Hunderassen, die im Gegenzug dazu über Jahrhunderte auf die enge Zusammenarbeit und Lenkung durch den Menschen selektiert wurden, wie z.B. Hütehunde. Ich bitte darum, diese Etiketten auch als solche wahrzunehmen. Natürlich ist jeder Hund ein Individuum und es gibt in jeder Rasse, jedem Schlag, bei jedem Typ immer solche und solche. Aber die Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Merkmale ist deutlich unterschiedlich, ansonsten wäre ja die Selektion auf bestimmte Merkmale und damit die gesamte Zucht ad absurdum geführt. Und ich möchte auch klarstellen, dass es mir nicht um “besser”, “schlechter”, “einfacher”, “anspruchsvoller” geht, was den Umgang und das Training betrifft. Es sind Unterschiede und viele Menschen suchen sich den Hundetyp entsprechend der eigenen Vorlieben aus und so manche Liebe zu einer bestimmten Rasse oder einem bestimmten Typ entwickelt sich auch erst mit der Zeit.
Aber zurück zur “harten Hand”. Hunde, die Eigenständigkeit und die Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit wehrhaftem Wild mitbringen, lassen sich weniger leicht beeindrucken, als Hunde, die diese Eigenschaften nicht oder weniger stark ausgeprägt mitbringen. Das bedeutet, dass Fehlverhalten deutlich heftiger bestraft werden muss, damit der Hund es sein lässt. Und genau hier liegt die Krux von Bestrafungsregel Nummer 3: Was ist HEFTIG GENUG? Bei “harten” Hunden muss man in der Regel zu extrem starken aversiven Einwirkungen greifen, um sie in ihrem Verhalten zu hemmen, Stromhalsband lässt grüßen. Aber meistens sind die Einwirkungen zu Beginn nicht heftig genug und so beginnt eine Gewaltspirale, die immer weiter eskaliert. Durch diese Eskalation stumpfen viele dieser so behandelten Hunde aber immer weiter ab – bis es keine weitere Möglichkeit mehr gibt NOCH aversiver zu werden. Wenn es soweit ist, dann ist in der Regel alles zu spät. Bindung und Vertrauen konnten sich bei einem solchen Umgang ohnehin nie entwickeln, aber der Hund hat zu diesem Zeitpunkt auch gelernt, dass Menschen gefährlich sind, dass man sich auch gegen sie zur Wehr setzen muss, sie fühlen sich extrem schnell bedroht und fackeln dann auch nicht lange mit der Gegenwehr. Angriff ist die beste Verteidigung. Wenn man dann als Verhaltensberater hinzugezogen wird, tritt man ein Erbe an, bei dem man im Zweifelsfall nichts mehr retten kann. Das sind die Extremfälle, mit denen wir nicht besonders häufig konfrontiert werden, weil Hunde, die so zugrunde gerichtet wurden in der Regel eingeschläfert werden, ohne eine weitere Chance zu bekommen. Und manchmal ist das auch die einzig richtige Entscheidung, weil der Hund tatsächlich eine Gefahr darstellt und es nur wenige Anlaufstellen gibt, die solche Hunde nicht nur sicher unterbringen, sondern ihnen auch ein hundewürdiges Leben und Training bieten können.
Es gibt sie also wirklich, die Hunde, die eine harte Hand brauchen?!
Nein, es gibt sie nicht!
Nicht, wenn man den strafbasierten Ansatz endlich da hin steckt, wo er hingehört: In die Archive der Geschichte des Hundetrainings und ganz generell die der Gesellschaft als Ganzes.
Wir wissen heute so viel über Lernverhalten, über Bindung, Beziehung, Kognition und Emotionen, über die Gehirnentwicklung usw. und es steht völlig außer Frage, dass JEDER Hund ohne den Einsatz aversiver Maßnahmen über einen bedürfnisorientierten Umgang und belohnungsbasiertes Training zu einem angenehmen Alltagsbegleiter, einem fähigen Jagd- oder Hütepartner, Blindenführ- oder Assistenzhund oder was auch immer werden kann. Hunde, die Schwierigkeiten mit Artgenossen oder Menschen haben, die Fahrräder, Jogger, Züge oder Autos jagen, die im Wald stiften gehen, ihren Futternapf, Liegeplatz oder ihr Spielzeug verteidigen können lernen, all dieses “Fehlverhalten” nicht zu zeigen, sich stattdessen an ihren Menschen zu orientieren und alternative Verhaltensweisen und Strategien zu entwickeln.
Dazu ist es aber notwendig, dass der Mensch sich für den bedürfnsiorientierten Umgang und das belohnungsbasierte Training entscheidet. Ja, Sie lesen richtig: Es ist eine Entscheidung. Sie können jetzt beschließen, dass Sie ab sofort nicht mehr “Fehlverhalten” bestrafen wollen, sondern mit Ihrem Hund einen anderen Weg einschlagen wollen. Einfach wird dieser Weg nicht. Sie müssen sich dafür von alten Glaubenssätzen verabschieden, Sie müssen viel dazulernen und bereit sein, sich und Ihre Handlungen immer und immer wieder kritisch zu hinterfragen. Das kann mitunter unangenehm, manchmal sogar schmerzhaft sein.
Aber was Sie dafür bekommen, entschädigt für alle Mühen.
Die Beziehung zu Ihrem Hund wird nie mehr dieselbe sein, es wird ein gegenseitiges Vertrauen und Verständnis wachsen, von dem Sie nie geglaubt hätten, dass sowas überhaupt möglich ist. Viele andere haben sich schon vor langer Zeit auf diesen Weg gemacht und nicht nur Leute wie ich, als Verhaltensberaterin und Coach für Menschen mit Hund, sind nur zu gern bereit, Sie ein größeres oder kleineres Stück auf Ihrem Weg zu begleiten. Laufen Sie los!