Gibt es Grenzen der Trainierbarkeit? Die Einflüsse von Erfahrungen, Genen, Bedürfnissen, Zeit, Rückschlägen und der inneren Einstellung
Stoßen Sie auch manchmal an Ihre Grenzen im Zusammenleben und Training mit Ihrem Hund? Ich bin sehr häufig an meine Grenzen gestoßen, körperlich und auch psychisch, mit allen Gefühlen, die dazu gehören: Wut, Frust, das Gefühl zu versagen und tiefe Traurigkeit.
Trotz aller Liebe zu meinen Hunden waren so manche Phasen und Situationen in unserem Leben alles andere als einfach. Beide Hunde, meine Alano-Hündin Zara (†) und Tali (†) unser Rhodesian Ridgeback Rüde, sind Lebewesen mit besonderen Bedürfnissen. Sie haben recht lange suboptimale Trainingsmethoden erdulden müssen, welche wenig auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nahmen. Ich hatte es seinerzeit nicht besser gewusst. Sie waren es, die mich haben umdenken lassen und mich dazu brachten, neue Wege im Training zu suchen. Hundetrainer:innen sind auch gleichzeitig ganz normale Hundehalter:innen und sind nicht als Meister vom Himmel gefallen. Auch jetzt passen meine Hunde vielleicht immer noch nicht ganz in das Bild eines „perfekten“ Familienhundes, welches uns die Gesellschaft gerne aufzeigen möchte. Aber sie haben bisher im Rahmen ihrer und meiner Möglichkeiten sehr viel gelernt. Ich bin stolz auf sie und unser Training geht weiter!
Gibt es sie, die Grenzen der Trainierbarkeit? Wo legen wir uns vielleicht selbst Steine in den Weg und wo werden uns vielleicht auch von außen welche in den Weg gelegt, so dass wir uns schwer tun, die gewünschten Erfolge zu erzielen? Oder sind unsere Ziele vielleicht zu hoch gesteckt? Grenzen entstehen im Kopf, so heißt es. Was kann man jedoch wirklich im Training mit seinem Hund erreichen?
Wir erwarten viel von unseren Hunden in unserer Gesellschaft. Unsere Ansprüche an sie sind oftmals sehr hoch! Hunde sollen nicht auffallen, sollten immer lieb und nett anderen Hunden und Menschen entgegentreten und auf das hören, was wir ihnen sagen – am besten sofort! Auf geliebte Gegenstände, Orte und/oder Personen sollten sie keine Besitzansprüche erheben. Andere Tiere, Radfahrer:innen, Jogger:innen und Autos sollten sie nicht jagen. Zudem wäre es auch schön, wenn sie möglichst leise wären und Bellen als Kommunikationsmittel oder Stressventil selten bis gar nicht einsetzen. Ein Hund soll sich unserer Umwelt trotz all ihrer Reize, welche sie für ihn parat hält, auf Basis unserer Vorstellungen am besten zu mehr als 100% angepasst verhalten.
Es gibt Hunde, denen das aufgrund ihrer Persönlichkeit leichter fällt und Hunde, welche sich schwerer damit tun. Entspricht der Hund dann diesen Anforderungen nicht und trifft aus unserer Sicht falsche Entscheidungen, führt das zu Problemen in unserer Gesellschaft. Aggressions-, Angst- und Jagdverhalten sowie “Hyperaktivität” sind die Hauptprobleme, mit welchen Kund:innen sich häufig an mich wenden. Ein Hund jedoch kann sich nur so verhalten, wie es seine Genetik und bisher Erlerntes es zulassen! Je nach Konstellation von Mensch, Hund und Umwelt stellt das den Hundehalter:innen vor große Herausforderungen.
Ich mag Steine auf meinem Weg! Sie lassen mich nachdenken und mein Verhalten reflektieren. Über etwas zu stolpern, sich Dingen bewusst zu werden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, verhilft einem zu einem besseren Verständnis in der Mensch-Hund-Beziehung und dem damit verbundenem Training.
So manchem Steinchen in meinem Leben bin ich sehr dankbar. Manche Steinchen werfe ich symbolisch hinter mich, wenn ich sie bewältigt habe, manche stecke ich in meine Tasche, um mich an diese Momente zu erinnern. Steinchen, Brocken und Felsen sind wichtig!
Manchmal ist es nicht so einfach, die Steine als solche zu erkennen und sie zu verstehen. In dieser Artikelserie möchte ich Ihnen u.a. etwas über die Steinchen der Gene, Erfahrungen, Bedürfnisse und Zeit erzählen und zudem Möglichkeiten aufzeigen, mit ihnen umzugehen.
Jede:r wächst mit den Anforderungen! Sie schaffen das und ihr Hund mit Ihnen! Vertrauen Sie auf sich und ihren Hund!

Bilder: Nicole Dumke
DIE STEINCHEN DER GENE, ERFAHRUNGEN UND BEDÜRFNISSE
Ob Menschen oder Hunde, jedes Individuum ist das Ergebnis seiner Gene, seiner Umwelt und seiner Erfahrungen. Ihr Hund wurde mit besonderen körperlichen Voraussetzungen geboren, mit individuellen Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Mit dieser Grundausstattung bestreitet er von Geburt an sein Leben in der Menschenwelt, in welcher er sich entwickelt und seine Fähigkeiten verbessert.
Erfahrungen in seiner Umwelt formen sein Verhalten. Er lernt. Verhalten dient der Anpassung an die Umwelt, um in dieser möglichst lange und angenehm leben zu können. Aber ein Hund kann nur im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten lernen. Manches wird ihm leicht fallen zu lernen, manches wird ihm schwerer fallen und einiges wird er nicht erlernen können.
Vielleicht haben Sie sich für einen bestimmten Hundetyp oder eine Rasse entschieden in Erwartung auf bestimmte Verhaltensweisen, welche diesem zugeschrieben werden. Aber es lohnt sich, die Hunderassebrille abzunehmen und den Hund als das anzuschauen, was er ist: Ein Individuum, das es kein zweites Mal gibt!
An seinen Genen können Sie nichts verändern und bereits gemachte Erfahrungen sind geschehen. Eine besondere Herausforderung im Training stellt hier z.B. auch ein Second Hand-Hund dar, denn oftmals hat man wenige Informationen über sein bisheriges Leben. Aber Lebewesen sind lernfähig! Jeder Moment, welchen wir mit unserem Hund verbringen, schenkt uns auch die Möglichkeit, Einfluss auf sein Verhalten zu nehmen, es zu verändern bzw. aufrecht zu erhalten und ihn dort zu unterstützen, wo er unsere Hilfe braucht, wenn ihm die Anpassung an unsere Welt schwerfällt.
Wir als Menschen haben unsere Bedürfnisse und Hunde haben auch ihre ganz individuellen Bedürfnisse. Dass hierbei Konflikte entstehen können, liegt auf der Hand. Selbst die Bedürfnisse von Menschen untereinander gehen so manches Mal sehr weit auseinander und führen bekanntermaßen zu Konflikten. Unser Training mit dem Hund stellt einen Kompromiss dar zwischen seinen Bedürfnissen und den unsrigen.
Der Mensch geht gerne seinen Bedürfnissen nach. Hat er Hunger, sucht er sich was zu essen, braucht er Ruhe, versucht er sich zurückzuziehen, drückt die Blase, sucht er ein WC auf, juckt ihm die Haut, kratzt er sich, ist ihm nach menschlicher Nähe, sucht er Gesellschaft, möchte er lesen, schnappt er sich ein Buch, ist ihm nach Bewegung, schafft er sich Freiraum für Spaziergänge. Es werden Ihnen vermutlich unzählige Beispiele einfallen. Als Menschen haben wir trotz des Alltags Momente, in denen wir unseren Bedürfnissen nachkommen können oder aber wir wissen, wann wir es schaffen könnten. Das, was uns wichtig ist, versuchen wir uns zu ermöglichen.
Vielleicht werden Sie auch sagen: “Ich kann aber nicht immer das tun, was ich möchte!” Das ist richtig! Aber was passiert mit uns, wenn es uns nicht möglich ist? Wenn wir keine Alternative haben? Was passiert, wenn wir uns häufig zurücknehmen müssen? Wie fühlt es sich an, wenn wir uns in bestimmten Situationen immer und immer wieder zurücknehmen müssen oder Situationen drohen, außer Kontrolle zu geraten? Nicht so gut, oder?
Der Mensch ist das Tier mit dem größten Maße an Selbstkontrolle. Wie schnell fahren wir manchmal in Situationen aus unserer Haut, werden ungeduldig und/oder unbeherrscht? Sei es an der Schokolade, den Gummibärchen, an der Ampel, die ewig braucht, um auf Grün zu schalten, oder wenn der Hund den 100sten Grashalm auf einer Strecke von 3 Metern in einer Zeit von 15 Minuten beschnüffelt.
Hunde sind letztendlich immer auf unser Wohlwollen angewiesen. Sie sind deutlich weniger frei in ihren Entscheidungen als wir Menschen. Wir verwalten zu einem Großteil ihre Ressourcen und entscheiden sogar, wann sie ihr Geschäft erledigen sollten. Hunde müssen häufig ein hohes Maß an Selbstkontrolle zeigen, müssen lernen, sich in ihrem Verhalten zurückzunehmen. Oftmals geben wir ihnen noch nicht einmal diese Zeit des Lernens. Im einfachsten Fall werden sie von uns im Verhalten durch eine Leine gehemmt, welche sie eigentlich nur sichern soll. Begrenzungen, Hemmungen, Selbstkontrolle. Frustration und Stress sind in vielen Bereichen vorprogrammiert. Sollte dem Hund dann „der Kragen platzen“, da er die Situation nicht mehr bewältigen und den Druck nicht mehr ertragen kann, kann dies unschöne Folgen für alle Beteiligten haben.
Ein Hund wird in unserer Umwelt mit den verschiedensten Auslösern konfrontiert. Seine Motivation, bei Kontakt mit Auslösern ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen, z.B. durch Hetzen oder Flüchten, kann sehr groß sein. Kann der Hund das Bedürfnis nicht im ausreichenden Maße befriedigen, entsteht Frust. Frust steigert die Erregung und unerwünschtes Verhalten wird noch wahrscheinlicher.
Lange anhaltender Frust oder immer wiederkehrender Frust erzeugt Stress. Chronischer Stress vermindert die Lernfähigkeit und kann krank machen.
Als Mensch habe ich die Möglichkeit zu reflektieren, Dinge im Kopf durchzuspielen und zu überlegen, wie ich meine Bedürfnisse befriedigen könnte oder was ich tun könnte, wenn ich es nicht schaffe. Ein Hund hat diese Möglichkeit nicht.
DAS STEINCHEN DER ZEIT
Zeit spielt in der heutigen Gesellschaft eine große Rolle. Alles muss möglichst schnell erledigt werden und wenn möglich sollte einem auch alles ohne viel Anstrengung von der Hand gehen. Man hat viele wichtige Dinge zu erledigen. Unser Leben ist sehr schnelllebig geworden. Ob Lieferungen oder E-Mails, Fertigessen oder die Zahnspülung, die verspricht, dass das Reinigen der Zähne damit schneller geht, wir sind es gewohnt, dass Dinge schnell erledigt werden und kalkulieren das ein. Brauchen Dinge Zeit, zehrt es schnell an unserer Geduld. Was hat das mit dem Training ihres vierbeinigen Freundes zu tun?
Vielleicht haben Sie sich schon im Training mit Ihrem Hund für einen fairen und gewaltfreien Umgang auf Basis der positiven Verstärkung entschieden. Verstärkung ist jedoch ein Prozess und dieser braucht – Sie erraten es – Zeit.
Möchten wir Verhalten verstärken, möchten wir es aufrechterhalten oder von unserem Hund häufiger oder auch länger sehen, brauchen wir für das Training Zeit. Gutes wird nicht an einem Tag erbaut! Versprechen von Hundetrainer:innen auf garantierten Trainingserfolg in kürzester Zeit sind daher unseriös.
Eigentlich ist Zeit kein Problem, aber in unserer Gesellschaft, in welcher man oft schnelle Erfolge sehen möchte, stellt dieses doch ein Problem dar. Der Druck, der seitens der Gesellschaft auf einem Mensch-Hund-Team lastet, ist manchmal sehr groß. Ebenso der Druck, den man sich selbst macht. Unerwünschte Verhaltensweisen eines Hundes können sehr an den Nerven zehren und man möchte sie schnell beseitigen.
Bestrafungen, welche Verhalten hemmen, wirken nach außen hin und auch auf einen selbst, vermeintlich sehr effektiv und oft fühlen sich Menschen daher genötigt zu strafen. Es wurde dann zwar kein Verhalten aufgebaut und verstärkt, sondern nur gehemmt, aber der Hund ist, wenn man Glück hat, für den Moment erst einmal ruhig und der Druck der Gesellschaft lässt nach. Puh!
Dies suggeriert einem einen schnellen Trainingserfolg, der jedoch nicht wirklich einer ist. Der Mensch fühlt sich jedoch vorerst besser und fühlt sich in seinem Verhalten bestätigt. Die Strafen verselbstständigen sich und nehmen zu. Oder es wird vielleicht heftiger gestraft, wenn es nicht mehr so gut funktioniert.
Wie ergeht es dem Hund dabei?
Ich steckte seinerzeit in diesem Teufelskreis. Dann zeigten mir meine Hunde, dass die “Hemmung” einmal nicht so funktioniert, wie ich es all die Jahre gewohnt war. Sie waren unsicher in meiner Gegenwart und besonders Zara mied den Kontakt zu mir.
Ich begann zu verzweifeln. Was hätte ich tun sollen? Heftiger in meinen Aktionen werden, so wie es mir empfohlen wurde? Für mich war das keine Option und letztendlich fand ich einen anderen Weg des Trainings, welcher mir und meinen Hunden das Vertrauen wiedergab.
Warum habe ich mich so unter Druck setzen lassen? Ich habe mich aus den verschiedensten Gründen für den Hund an meiner Seite entschieden. Ich war es, die ihn in mein Leben geholt hat. Der Hund wurde nicht gefragt, ob er sich vorstellen könne, in meinem Lebensumfeld glücklich zu werden. Ich bin es, die Verantwortung für sein Wohlergehen trägt! Gerade in Momenten, in denen der Hund unsere Unterstützung braucht, ist es wichtig, dass wir die Nerven behalten!
Befinden Sie sich in so einer Zwickmühle, versuchen Sie dem Druck der Gesellschaft auszuweichen, machen Sie ihm Platz, indem sie einen Schritt beiseite gehen, den Druck vorbei lassen und ihm ein Lächeln hinterher schicken! Alles mit dem guten Gewissen, dass Sie es besser wissen! Zum Wohle Ihres Hundes! Menschen nehmen sich so häufig das Recht heraus, den Hund zu strafen, wenn er unerwünschtes Verhalten zeigt. Nehmen Sie sich das Recht heraus, Ihren Hund regelmäßig für sein Verhalten zu belohnen! Sie müssen sich nicht dafür rechtfertigen!
Nehmen Sie sich die Zeit, die auch Sie brauchen, um zu lernen! Situationen erkennen, Bedürfnisse und Ursachen ergründen, Verhalten objektiv sehen, ggf. markieren und bedürfnisgerecht belohnen – diese Fähigkeiten wachsen bei Ihnen mit der Zeit. Je mehr Werkzeuge Sie für Ihr Training in Ihrer imaginären Werkzeugkiste haben, desto leichter wird Ihnen das Training fallen. Sie werden sicherer im Umgang mit den verschiedensten schwierigen Situationen im Training! Und es kommt der Zeitpunkt, an dem Sie plötzlich merken, dass sich etwas verändert hat! Oft kommt es schleichend und in kleinen Schritten, sodass man manches gar nicht wirklich wahrnimmt. Verstärkung ist ein Prozess!
Gestehen Sie sich und Ihrem Hund diese Zeit des Lernens zu!
Das Thema Zeit spielt noch auf anderen Ebenen eine Rolle. Es gibt Hunde, die sehr gehemmt in ihrem Verhalten sind. Sie trauen sich wenig. Vielleicht sind es generell zurückhaltende, eher ängstliche Individuen, oder sie haben vielleicht schon einiges an verschiedenen, auch aversiven (=unangenehme, erschreckende, angst- oder schmerzauslösende) Trainingstechniken erlebt.
Gerade Hunde, die oft über Bestrafungen in ihrem Verhalten gehemmt wurden, haben manchmal Probleme damit, Verhalten anzubieten aus Angst vor einer Strafe. Haben Sie in solchen Fällen Geduld. Markieren und belohnen Sie jeden kleinen Schritt Ihres Hundes. Mit der Zeit wird er das Vertrauen finden, dass ihm nichts passiert! Er wird wieder Selbstvertrauen erlangen!
Mit dem Zurückerlangen des Selbstvertrauens wird der Hund die Umwelt auch wieder ganz anders wahrnehmen können. Plötzlich werden vielleicht Dinge spannend und interessant werden, die er vorher nicht wahrnehmen konnte, da er zu sehr damit beschäftigt war, seine Umwelt nach eventuellen Gefahren zu scannen. Manchmal wirken diese Momente, als würde man Rückschläge erleiden. Da hat man eine „Baustelle“ mit seinem Hund abgearbeitet und ehe man es sich versieht, geht eine neue auf. Das ist normal! Freuen Sie sich, wenn Sie dies bemerken, denn es heißt vor allem auch, dass Ihr Training Früchte trägt, so schräg sich das vielleicht auch anhören mag.
Sie haben Ihrem Hund ein Stück Lebensqualität wiedergegeben.
DAS STEINCHEN DER VERMEINTLICHEN RÜCKSCHLÄGE
Es gibt Tage, an denen Sie denken werden: “Hey, das läuft ja schon alles prima!”. Ihr Hund kann einen Artgenossen in ein paar Meter Entfernung anschauen, ohne bellend in der Leine zu hängen, oder er bleibt auf dem Feld stehen und zeigt Ihnen einen Hasen an, der dort lebensfroh entlang hoppelt. Dann gibt es aber auch Tage, an denen Sie denken: “Womit habe ich das jetzt wieder verdient?”.

Foto: Nicole Dumke
- Kennen Sie das, dass Ihnen an manchen Tagen einfach alles schwerer fällt als an anderen? Hunden geht es nicht anders. Verhält sich ein Hund einmal gereizter als an anderen Tagen, oder es scheint, als hätte er die berühmten Tomaten auf den Ohren, denken Sie daran, dass auch er vielleicht mal einen der Tage erwischt hat, an welchem er eigentlich lieber “im Bett geblieben wäre”.
Halten diese Phasen länger an und Sie sind sich sicher, dass im Training eigentlich alles super gelaufen ist, macht es auch immer Sinn einmal zu schauen, ob gesundheitlich wirklich alles in Ordnung ist. Lassen Sie im Zweifelsfall von einer Tierärztin beraten, damit sie Ihren Hund gründlich untersuchen kann.
Manche Bewegungen fallen sehr schwer, wenn man Schmerzen verspürt. Oder man möchte alles von sich fernhalten, um Ruhe zu haben. Ein Hund kann nicht sagen, “Hilfe, ich habe einen Hexenschuss!”. Er bleibt vielleicht eher vor dem Auto stehen und springt nicht mehr hinein oder wartet unten an der Treppe, um hochgetragen zu werden.
Viele Menschen, welche Probleme mit ihrer Schilddrüse haben, wissen, wie sehr diese Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben kann. Auch bei Hunden kann die Versorgung mit Schilddrüsenhormonen gestört sein, was sich auf das Befinden und Verhalten auswirken kann.
Es heißt, viele Köche verderben den Brei. In diesem Spruch steckt einiges an Wahrheit. Hat Ihr Hund mehrere Bezugspersonen, z.B. verschiedene Mitglieder Ihrer Familie, vielleicht auch die Tagesbetreuung, sollte man versuchen, im Rahmen der Möglichkeiten jedes einzelnen, dieselbe Sprache im Training zu sprechen. Es fühlt sich für den Hund besser an, wenn mit ihm in bestimmten Situationen so trainiert wird, wie er es von Ihnen kennt! Je mehr alle am selben Strang ziehen, desto schneller werden sich auch Erfolge im Training einstellen.
Ein ähnliches Problem stellt sich ein, wenn Sie geneigt sind, sich diverse Tipps zum Training aus dem Internet zu holen, wenn das Training nicht schnell genug voran geht. Keine Frage, das Internet ist toll! Aber man sollte viele Tipps, welche online gegeben werden, kritisch hinterfragen. Selbiges gilt für all die Hundetrainingsvideos, Reels und Co. im Netz.
Hormonelle Veränderungen und Schwankungen können ebenso Einfluss auf die Tagesform, oder sogar auf die Wochen- und Monatsform haben. Zu erwähnen sei hier auch die Jugendentwicklung der Hunde, in welcher wichtige Umstrukturierungsprozesse im Gehirn stattfinden. Diese sind für die weitere Entwicklung eines Hundes im nächsten Lebensabschnitt wichtig. Diese Prozesse können jedoch auch der Grund dafür sein, wenn wir das Gefühl haben, unser junger Hund möchte Grenzen austesten oder er plötzlich alles verlernt zu haben scheint, was wir ihm so mühsam beigebracht haben. Hunde brauchen in dieser Phase unsere besondere Unterstützung, damit wir sie in diesem wichtigen Lebensabschnitt auffangen können.
Lassen Sie sich von vermeintlichen Rückschlägen nicht entmutigen! Bereits neu Erlerntes ist im Gehirn gespeichert und verschwindet nicht plötzlich, nur weil der Hund in einer Situation wieder in sein altes Verhalten gefallen ist. Der Alltag ist nicht zu 100% kontrollierbar! Wichtig ist nur, wie Sie mit den jeweiligen Momenten umgehen!
DIE INNERE EINSTELLUNG UND DIE TALENTSUCHE
Das Leben und das Training mit unserem Hund, der ein Produkt seiner Gene, seiner Umwelt und seinen Erfahrungen ist und der sich daher nur so verhalten kann, wie es seine Genetik und sein bisher Erlerntes es zulassen, erfordert unsererseits viel Engagement, Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen.
Möchten wir das Verhalten des Hundes trainieren und nicht einfach nur den Deckel auf den Topf mit Verhalten drücken in der Hoffnung, dass der Druck nicht doch irgendwann zu groß wird, kommen wir nicht umhin, uns Wissen anzueignen.
Es käme von uns vermutlich auch niemand auf die Idee, wenn die Kartoffeln überkochen, den Deckel noch fester auf den Topf zu drücken, um somit noch mehr Druck zu erzeugen. Wir drehen die Flamme kleiner, oder?
Wir sollten lernen unseren Hund zu lesen, sollten uns Gedanken um seine Bedürfnisse und Motivationen machen und schauen, wie wir diese im Training nutzen, um erwünschtes Verhalten zu verstärken und unerwünschtes Verhalten immer weniger häufig auftreten zu lassen.
Scheuen Sie sich nicht davor, auf Managementmaßnahmen wie Schleppleine, Maulkorb, Trenngitter (=Kindergitter) etc. zurückzugreifen, bis erlangte Fertig- und Fähigkeiten Managementmaßnahmen nach und nach ablösen können. Managementmaßnahmen sind kein Zeichen von Schwäche! Sie nehmen Ihnen in einigen Situationen den Druck, Verhalten schnell trainiert haben zu wollen. Und sie schaffen einen sicheren Rahmen für das Training. Wird der Druck von außen zu groß, treten Sie zur Seite, machen ihm Platz und lächeln Sie ihm hinterher.
Müssen Sie Ihren Hund häufig durch eine Leine begrenzen und er hat selten die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, versuchen Sie, eingezäunte Auslaufflächen zu finden, in welchen er sich in seinem Tempo bewegen kann. An dieser Stelle möchte ich Sie auf die tolle Aktion “Schnüffelgärten” aufmerksam machen. http://www.schnüffelgärten.de – Schnüffelgärten sind in der Regel im Privatbesitz, gut eingezäunt und hundegeeignet. In diesen kann der eigene Hund nach Absprache mit den Eigentümern schnüffeln, buddeln, den Garten erkunden, ganz so, wie es dem Hund gefällt.
Auch wenn es manchmal lästig erscheint, führen Sie ein Trainingstagebuch. So gehen auch die kleinen Momente nicht im Alltag verloren, welche Sie und Ihr Hund bereits prima gemeistert haben! Und Sie haben so die Möglichkeit, eventuelle Fehlerquellen auszumachen, wenn Sie das Gefühl haben, Sie treten im Training auf der Stelle.
Vielleicht haben Sie auch das Gefühl, dass Ihr Hund nur unerwünschtes Verhalten zeigt. Wie sollen Sie da erwünschtes Verhalten finden, um es zu verstärken? Versuchen Sie zu visualisieren! Versuchen Sie, ein genaues Bild dessen, was Sie von Ihrem Hund möchten, in ein imaginäres Foto zu projizieren und in Ihrem Kopf abzuspeichern.
Sie werden erstaunt sein, wieviel einfacher es auf einmal ist, dieses Bild im Verhalten Ihres Hundes zu erkennen. Es gibt immer den Moment vor dem unerwünschten Verhalten! Dieses fangen Sie ein – CLICK – und lassen eine bedürfnisgerechte Belohnung folgen. Werden Sie zum Jäger für erwünschtes oder noch akzeptables Verhalten!
Versuchen Sie, für sich und Ihren Hund Trainingssituationen zu schaffen, welche Sie beide bewältigen können. Je häufiger Sie und Ihr Hund die Möglichkeit haben, in gezielt ausgesuchten Situationen Dinge zu trainieren, desto leichter fällt Ihnen beiden die Umsetzung auch im normalen Alltag.
Sie bekommen Routine und Sicherheit. Erfolge werden sich schneller einstellen. Auch Sportler:innen schaffen sich im Training eine solide Basis mit Hilfe von gezielten Trainingseinheiten, bevor sie Großes leisten.
Für einen Hund, der eine große Distanz zu Artgenossen braucht, um sich wohl zu fühlen, ist es schon eine große Leistung, wenn er gelernt hat, ihre Nähe gut ertragen zu können.
Für einen Hund, der einen großen Radius um seine Bezugsperson braucht, was bei einigen Jagdhunderassen züchterisch gewollt ist, um sich wohl zu fühlen, wird es schwieriger, über eine lange Strecke mit viel Freude fußnahe an dem Bein seiner Bezugsperson zu laufen. Ein Hund mit kurzen Beinchen und kurzer Nase wird vielleicht nie ein ausdauernder Langstreckenläufer werden.
Hunde, deren Gene weniger Kooperationsbereitschaft mit ihren Menschen beinhalten, machen es ihrem Menschen zunächst schwerer, geeignete Belohnungen zu finden, da sie ihre Belohnungen in der Umwelt finden und den Menschen nicht zwangsläufig dazu brauchen.
Diese Liste kann man noch lange fortführen. Ja, es gibt sie, die Grenzen der Trainierbarkeit. Die Trainierbarkeit eines Hundes hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Und trotzdem ist es so, dass man sich wundert, zu was der eigene Hund und man selbst eigentlich fähig ist!
Das sind jene Momente, in denen unser Kopf die Grenzen gesetzt hatte, da man sich und dem eigenen Hund bestimmte Dinge einfach nicht zutraute!
Stecken Sie sich im Training mit Ihrem Hund realistische Ziele. Gehen Sie auf Talentsuche und schauen Sie, welche Talente in Ihrem Hund schlummern! Vielleicht kennen Sie es, dass Ihnen Dinge viel leichter von der Hand gehen, welche Sie interessieren oder für die Sie eine Begabung haben. Bei Ihrem Hund ist es nicht anders! Arbeiten Sie mit den Bedürfnissen Ihres Hundes, nicht gegen sie. So nehmen Sie dem Frust und Stress Ihres Hundes den Raum! Training auf Basis positiver Verstärkung ist das Mittel der Wahl.
Holen Sie sich gegebenenfalls Unterstützung von ein fachkompetenten, gewaltfrei arbeitenden Trainer:innen Ihres Vertrauens. Ein:e kompetente:r und gut ausgebildete:r Trainer:in kann einen objektiven Blick auf Sie und Ihren vierbeinigen Freund werfen, um einen individuellen Trainingsplan für Sie beide zu erstellen. Mit jemandem an Ihrer Seite, der Sie unterstützt und zwischen Ihnen und Ihrem Hund vermitteln hilft, sieht die Welt oft schon ganz anders aus. Ursachen für ein Verhalten erkennen und dann gezielt trainieren führt ein Mensch-Hund-Team schneller zum Erfolg!
Und – ganz wichtig – gönnen Sie sich und Ihrem Hund Entspannungsphasen! Vielleicht schaffen Sie sich Zeiten, in denen Sie gemeinsam entspannen können! Sie erinnern sich an die Ressource im Gehirn namens Selbstkontrolle? Vergessen Sie nicht, dass auch Sie gut für sich sorgen müssen, damit Sie in der Lage sind, schwierigen Situationen mit Gelassenheit zu begegnen.
Begrüßen Sie die Steinchen auf Ihrem Weg, sammeln Sie sie auf und bearbeiten Sie sie. Werfen Sie sie hinter sich oder stecken Sie sie ein als Erinnerung an eine spannende Zeit, welche Sie zusammen mit Ihrem felligen Freund gemeistert haben! Wachsen Sie und Ihr Hund über Ihrer beider Grenzen hinaus!
(Beitrag aktualisiert im März 2025)