Diagnose Schilddrüsenunterfunktion – nicht (immer) so einfach!
Loki, Elsa, Milow und Jette – diese vier Hunde haben alle eines gemeinsam: eine Untersuchung der Schilddrüsenwerte im Blut hat ergeben, dass sich der T4-Wert im unteren Referenzbereich oder sogar geringfügig darunter befindet, während der TSH-Wert im Normalbereich liegt.
T4 ist ein Hormon, das die Schilddrüse des Hundes bildet. Ist die Schilddrüse erkrankt, kann sie das Hormon nicht mehr im erforderlichen Umfang produzieren, sodass der T4-Wert im Blut sinkt.
Leiden nun alle diese Hunde unter einer Schilddrüsenunterfunktion?
Anhand der beiden Werte lässt sich dies leider nicht beantworten, sodass wir im Folgenden einen genaueren Blick auf die vier Patienten werfen.
Tipp: Wenn du dich bisher noch nicht so ausführlich mit dem Thema Schilddrüsenunterfunktion beim Hund beschäftigt hast, bildet der Blogartikel „Schilddrüsenunterfunktion beim Hund“ einen guten Einstieg in das Thema.
Der folgende Blogartikel dient dem tieferen Einstieg in das Thema und der Veranschaulichung anhand unterschiedlicher Patienten.
LOKI – WARUM DIE FÜTTERUNG ENTSCHEIDEND IST
Loki ist ein sechs Monate alter Labrador Retriever. Er lebt seit der achten Lebenswoche bei seiner Familie und war seither nicht krank. Da er sich seit einiger Zeit in manchen Situationen plötzlich fürchtet, haben seine Menschen den Wunsch, das Blut bei ihm untersuchen zu lassen, da sie befürchten, dass dieses Verhalten an einer Erkrankung der Schilddrüse liegen könnte. Seine Familie füttert ihm eine selbstgekochte Ration aus Muskelfleisch und Innereien, Gemüse, Kohlenhydraten, Knochen und Ölen.
Es fällt auf, dass in Lokis Fütterung kaum Jod enthalten ist. Fehlt der Schilddrüse über einen längeren Zeitraum Jod als wichtiger Baustein der Schilddrüsenhormone, ist sie bald nicht mehr in der Lage, ausreichend Hormone zu produzieren, obwohl sie selbst nicht erkrankt ist. Ein niedriger T4-Wert, wie er auch bei Loki zu sehen ist, ist die Folge. Eine klassische Schilddrüsenunterfunktion wäre in Lokis Alter hingegen sehr ungewöhnlich.
Daher wird zunächst einmal Lokis Fütterung optimiert und Fehlversorgungen ausgeglichen. Bei einer Kontrolle der Schilddrüsenwerte wenige Wochen später zeigen die Werte keinerlei Auffälligkeiten mehr.
In Lokis Fall ist die Schilddrüse selbst gesund, es fehlten ihr nur durch eine unzureichende Nährstoffversorgung die Bausteine zur Hormonproduktion.
ELSA – ANDERE ERKRANKUNGEN ALS „STÖRFAKTOR“
Elsa ist eine zweijährige Mischlingshündin. Sie stammt ursprünglich aus Griechenland und wurde vor zwei Monaten von ihren Menschen aufgenommen. Ihre Menschen füttern ihr ein kommerzielles Nassfutter. Im neuen Zuhause fällt Elsas Familie auf, dass sie keine gute Kondition hat und schnell schlapp ist. Ihre Familie möchte wissen, ob die Schilddrüse die Ursache sein könnte. Bei der Blutuntersuchung zeigt sich, dass sich der T4-Wert im unteren Referenzbereich befindet, der TSH-Wert hingegen im Normalbereich liegt. Die zusätzlich durchgeführte Untersuchung auf Reisekrankheiten ergibt jedoch das Vorliegen einer Infektion.
Leidet der Körper unter einer anderen Erkrankung, kann der T4-Wert niedrig sein, ohne dass die Schilddrüse selbst erkrankt ist. Es ist wichtig, hier die eigentliche Erkrankung zu finden und zu behandeln, da die Gabe von Schilddrüsenhormonen in diesen Fällen nicht zielführend ist.
MILOW – DER EINFLUSS DURCH MEDIKAMENTENGABEN
Milow ist ein sechsjähriger Deutsch Drahthaarrüde. Er stammt aus einer jagdlichen Zucht und wurde im Alter von drei Jahren aus schlechter Haltung in seine jetzige Familie übernommen. Seine Menschen füttern ihm eine professionell berechnete BARF-Ration. Milow wirkt körperlich gesund, bekommt aber aufgrund von massivem Trennungsstress das Medikament „Clomicalm“ (Wirkstoff Clomipramin). Beim jährlichen Routine-Check fällt auf, dass der T4-Wert im unteren Referenzbereich liegt, während der TSH-Wert unauffällig ist.
Bestimmte Medikamente, wie trizyklische Antidepressiva (z. B. Clomicalm), aber auch Cortison und bestimmte Antibiotika, können zu einem niedrigen T4-Wert führen, ohne dass die Schilddrüse selbst erkrankt ist. Da Milow keinerlei körperliche Symptome zeigt, die auf eine Unterfunktion der Schilddrüse hindeuten, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Schilddrüse selbst gesund ist, aber durch die Medikamentengabe ein niedriger T4-Wert zu beobachten ist.
JETTE – UND MANCHMAL IST ES DOCH DIE SCHILDDRÜSE
Jette ist eine zweieinhalbjährige Golden Retriever Hündin. Ihre Familie hat sie vor einem halben Jahr aus dem Tierheim übernommen. Jette bekommt ein kommerzielles Trockenfutter gefüttert sowie verschiedene Leckerchen während des Trainings. Als Jette bei ihrer Familie einzog, litt sie unter einer Ohrenentzündung, die sich jedoch durch eine entsprechende Behandlung schnell besserte. Jette bekommt keine weiteren Medikamente und wirkt auf ihre Menschen gesund. Allerdings sind sie der Meinung, dass Jette für ihr Alter sehr ruhig ist. Als Jette in der Tierarztpraxis untersucht wird, fällt auf, dass ihr Fell ein wenig stumpf wirkt. Bei der Untersuchung des Blutes ist ungewöhnlich, dass der T4-Wert im unteren Referenzbereich liegt. Der TSH-Wert ist normal. Alle anderen Blutwerte liegen ebenfalls im Normbereich. Diese Wertekombination kann zwar für eine beginnende Unterfunktion der Schilddrüse sprechen, da der T4-Wert aber im Laufe eines Tages schwanken und somit auch ohne klinische Bedeutung niedriger sein kann, ist zu diesem Zeitpunkt dennoch keine eindeutige Diagnose möglich.
Weil Jette keine weiteren Symptome zeigt, entschließen sich ihre Menschen daher zu einer Verlaufskontrolle wenige Monate später. Bei dieser Verlaufsuntersuchung liegt der T4-Wert nun unterhalb des Referenzbereichs. Es wurden nun außerdem die Antikörper gegen Thyreoglobulin bestimmt, die deutlich erhöht sind. Jette hat außerdem an Gewicht zugenommen, obwohl ihre Menschen sicher sind, dass sie gleiche Mengen an Futter und Leckerchen gefressen hat wie zuvor. In diesem Fall ist eine Schilddrüsenunterfunktion sehr wahrscheinlich. Bei einem bestimmten Prozentsatz an Hunden geht diese trotz niedrigem T4-Wert nicht mit einem erhöhten TSH-Wert einher, sodass die Diagnose erschwert sein kann. Verlaufsuntersuchungen können hier Aufschluss geben. Ebenfalls können körpereigene Antikörper gegen die Schilddrüse (Thyreoglobulin-Autoantikörper) einen wichtigen Hinweis auf die Autoimmunkrankheit liefern, in deren Folge die Schilddrüse zerstört wird und es zu einer Unterfunktion kommt.
FAZIT:
Steht der Verdacht auf eine Schilddrüsenunterfunktion im Raum, tritt manchmal der glückliche Fall ein, dass Symptome des Hundes und Blutwerte sehr gut zusammenpassen und eindeutig zu interpretieren sind. Ein Beispiel wäre hier ein Hund, der an Gewicht zugenommen hat, Haut- und Fellprobleme zeigt und im Blut einen sehr niedrigen T4-Wert sowie einen erhöhten TSH-Wert aufweist.
Im Rahmen der Schilddrüsendiagnostik ist es aber leider gar nicht selten, dass Werte weniger eindeutig zu interpretieren sind. Sehr ähnliche Werte-Kombinationen können dennoch ganz unterschiedliche, zugrunde liegende Ursachen haben.
Ein schneller Ratschlag aufgrund einer bestimmten Werte-Konstellation ist daher nicht möglich und wird der Gesundheit des Hundes nicht gerecht.
Für eine präzise Einordnung und um das Stellen der korrekten Diagnose zu ermöglichen, müssen daher der Vorbericht, die Fütterung, die Krankheitsgeschichte und körperlichen Symptome des Hundes, Medikamentengaben sowie etwaige Verhaltenssymptome genau bekannt sein. In einigen Fällen sind zudem Verlaufsuntersuchungen notwendig.
Wenn du nun neugierig geworden bist und mehr über die Hintergründe der Schilddrüsenunterfunktion beim Hund, die Besonderheiten der subklinischen Schilddrüsenunterfunktion, die Zusammenhänge zwischen Schilddrüse und Verhalten sowie Tipps und Tricks zur Therapie erfahren möchtest, finden Sie diese Informationen im Buch „Schilddrüsenunterfunktion beim Hund – Fragen und Antworten für Hundehalter“ von Dr. Lara Steinhoff, erschienen im Easy Dogs Hundebuch-Verlag.