Emotionen einschätzen, Hunde verstehen, Buch von Robert Falconer-Taylor
BücherDAS EMRA TM-SYSTEM ALS INDIVIDELLE HERANGEHENSWEISE AN VERHALTENSPROBLEME UND DEREN THERAPIE
Robert Falconer-Taylor, Peter Neville & Val Strong, Cadmos Verlag Gmbh
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt es als unwissenschaftlich, Tieren Gefühle zuzusprechen. Auch heute noch frage ich mich ab und an, ob sich so mancher Hundetrainer bewusst ist, dass er ein fühlendes Lebewesen vor sich hat, wenn er seinen Kunden Trainingsideen an die Hand gibt. Zugegebenermaßen war ich zu Anfangs trotz des für mich ansprechenden Titels skeptisch, was den Inhalt des Buches betraf.
Was ist das EMRA™-System?
Vorweg, das Layout des Buches ist sehr ansprechend gestaltet und hat mich sehr zum Lesen eingeladen – eine schöne Bebilderung, viele grafische Darstellungen und eine gute Formatierung unterstreichen die Thematik des Buches.
Wer nach einer englischen Originalausgabe dieses Buches sucht, wird tatsächlich derzeit nicht fündig werden. Eine Veröffentlichung des EMRA™-Systems in Buchform war eigentlich gar nicht geplant. Das Buch entstand laut Angabe von Madeleine Franck, der Chefredakteurin der Zeitschrift „SitzPlatzFuss“/Cadmos Verlag GmbH, aufgrund eines Missverständnisses. Für diese Zeitschrift wurde Peter Neville um einen Artikel zum EMRA™-System gebeten. Dieser wurde jedoch viel zu lang und so wandelte er sich letztendlich zum Manuskript des jetzigen Buches. Was für ein Glück!
Dieses Buch der Haupt-Autoren Robert Falconer-Taylor, Peter Neville und Val Strong hat mich angenehm überrascht. Ihr am COAPE-Institut (Center of Applied Pet Ethology/ Zentrum für angewandte Heimtier-Verhaltenskunde) in England entwickeltes EMRA™-System setzt beim Training von Verhaltensproblemen bei den Emotionen der Hunde an.
Ihre besondere Kritik richtet sich an Verhaltensexperten und Tierärzte, die teils standardisierte Ansätze zur Verhaltenstherapie heranziehen. Pseudodiagnostische Begriffe wie beispielsweise Dominanzaggression und Trainingsansätze aus dem Bereich der Rangreduktion sowie eine zu schnelle medikamentöse Behandlung von Verhaltensproblemen, sind nach ihrer Meinung der falsche Weg, um Mensch und Hund ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.
Das Buch enthält keine reine Abhandlung über das EMRA™-System. Nach einer für meinen Geschmack etwas kompliziert geschriebenen Einleitung in die Thematik folgen 6 detaillierte Fallbeispiele unterschiedlicher Trainer und somit auch Autoren. Hier lässt sich sehr gut verfolgen wie das System in der Praxis bei Hunden angewandt wird. Ein 7. Fallbeispiel beschreibt das Training bei einer Katze.
Es werden keine standardisierten Trainingsanleitungen in dem Buch veröffentlicht, da jedes problematische Verhalten der Tiere individuell gelöst werden muss. Die Fallbeispiele geben jedoch einen spannenden Einblick darüber, wie komplex und vielschichtig zum einen die Problematiken sind und wie verantwortungsvoll die Aufgabe eines Trainers ist, um Hund und Mensch wieder zusammen zu führen.
Im Groben geht es beim EMRA™-System darum, dass Hunde, wie auch Menschen, versuchen, ihr inneres Gleichgewicht anzustreben. Kommt es hier zu Störungen, wird problematisches Verhalten wahrscheinlicher.
EMRA ist die Abkürzung für Emotional Mood State and Reinforcement Assessment – sprich, das Verhalten der Hunde wird auf 3 Ebenen analysiert:
- Emotionseinschätzung – Die Einschätzung des emotionalen Zustandes des Hundes in der jeweiligen Problemsituation
- Lebensgefühleinschätzung – Die Einschätzung des alltäglichen Lebensgefühls des Hundes
- Verstärkereinschätzung – Welche inneren und äußeren Faktoren sind es, die das problematische Verhalten aufrecht halten
Den Autoren ist es sehr wichtig, dass die jeweiligen Bedürfnisse der Hunde beachtet werden und deren inneres Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Emotionen sind fließend, Verhalten ist fließend. Unterschiedliche Hundetypen haben unterschiedliche Bedürfnisse – beispielswiese Jagen/ Erkunden, Buddeln, Spielen, Rennen, Kauen, Bellen, Sozialkontakt. Werden diese nicht beachtet, kann es zu einem Ungleichgewicht des inneren Zustandes kommen.
In dem Buch wird mir ein wenig zu sehr auf die Einteilung der Bedürfnisse in Hunderassen gesetzt, denn nach meinen Erfahrungen können Individuen einer Rasse sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, aber für den Leser ist diese grobe Einteilung mit Sicherheit für den Anfang klarer. Ich bin mir sicher, dass die Autoren im Praxisalltag dieses gewiss ebenfalls beherzigen.
Ebenfalls wurde mir nicht ganz klar, ob beim EMRA™-System auch der für mich nächste Schritt gegangen wird und die mit den Hundehaltern erarbeiteten Bedürfnisse des Hundes auch direkt als Belohnung/ Verstärker im Training eingesetzt werden, oder diese größtenteils „nur“ der Verbesserung des Lebensgefühls dienen. Was diesen Bereich angeht, hätte das Buch gerne ein paar Seiten mehr haben dürfen. Es wird jedoch deutlich, dass es im EMRA™-System wichtig ist, im Training Situationen so zu gestalten, dass der Hund überhaupt ein alternatives Verhalten zu seinem problematischen Verhalten zeigen kann, welches dann belohnt und verstärkt werden kann.
FAZIT:
Dieses Buch zu lesen war Balsam für meine Seele! Auch wenn ich die Hauptzielgruppe dieses Buches bei den Hundetrainern und -Verhaltensberatern, sowie den Verhaltenstierärzten sehe, möchte ich es auch allen interessierten Hundehaltern ans Herz legen. Solide Grundkenntnisse zu den Themen Hund und Training sind beim Lesen des Buches von Vorteil – Easy Dogs Insidertipp!
INHALT:
Was sind Emotionen?
Fallbeispiele für die Anwendung cas EMRA™-Systems
1. Angst vor Fremden
2. Übererregung mit aggressiven Attacken
3. Unsauberkeit
4. Knurren und Schnappen – „Cockerwut“?
5. Trennungsproblem
6. Aggressionsverhalten
Bonuskapitel: Fallbeispiel zum Einsatz von EMRA™- Systems bei Katzen „Urin verspritzen“
VERLAGSINFO:
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- Autoren: Robert Falconer-Taylor, Peter Neville & Val Strong
- Verlag: Cadmos Verlag (5. August 2013)
- Umfang: 128 Seiten
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3840425073
- Format: 24 x 17 cm
- Preis: 15,90 €
Das englische COAPE-Institut (Zentrum für angewandte Haustier-Verhaltenskunde) hat mit dem EMRA™-System eine neue Herangehensweise an Verhaltensprobleme geschaffen. Statt pauschaler Diagnosen, die meist zu standardisierten Therapiewegen führen, sucht EMRA™ eine individuelle Einschätzung des Problems auf drei Ebenen. Die Einschätzung des emotionalen Zustandes des Hundes in der Problemsituation, seines alltäglichen Lebensgefühls und des jeweiligen Verstärkers des problematischen Verhaltens. Dieses ganzheitliche Bild ermöglicht eine individuell passende Therapie, die oft überraschende Wege geht.