“Dog Friendly Doc” von Mirjam Cordt, ein Handbuch für Tierärzte und deren Praxisteam
Meines Wissens nach ist dieses Buch das erste seiner Art. Ein Buch mit vielen Anregungen, wie das Team einer Tierarztpraxis bzw. Tierklinik dem vierbeinigen Patienten den Aufenthalt und die Behandlung erleichtern kann.
Weiterhin wird auch auf die Rolle des Hundebesitzers eingegangen. Wie kann der Mensch seinem Hund in der oftmals sehr belastenden Situation beim Veterinär optimal zur Seite stehen?
Im Vorwort von Dr. G. Delfs wird deutlich, dass die Inhalte des Buches bereits in der Tierklinik in Hofheim erfolgreich umgesetzt werden – die Praxiseignung ist also bereits erwiesen!
Folgende Schwerpunkte setzt das Buch:
- Verhaltensempfehlungen für Tierärzte und Praxispersonal gegenüber dem vierbeinigen Patienten und seinem Besitzer
- Tipps für die Gestaltung der Praxisräumlichkeiten und deren Umgebung zur Stressreduktion bei Mensch und Tier
- besondere Aspekte bei der Behandlung des Hundes – vor allem dann, wenn er sehr gestresst, unsicher und/oder aggressiv reagiert
- Betreuung des Tieres im stationären Aufenthalt einer Klinik
Mirjam weist immer wieder darauf hin, dass die Tipps in diesem Buch eben nicht nur für Hunde gelten, die bereits ein Problem mit dem Tierarztbesuch haben. Die empfohlenen Maßnahmen können helfen, dass die Behandlungssituation für das Tier gar nicht erst problematisch, das Praxisteam vor Verletzungen geschützt und die Manipulation am Tier erleichtert wird. Weiterhin gibt es ein längeres Kapitel zum Thema “Hintergrundwissen”, in dem sich verschiedene Auszüge aus anderen Büchern finden, die Mirjam geschrieben hat.
Zu Beginn des Buches wird darauf hingewiesen, dass es einen Online-Kurs zum Buch/Thema gibt und Tierärzte sich auch als “Dog Friendly Doc” zertifizieren lassen können. Mehr dazu findet sich auf der Homepage: https://mirjamcordt.com/dfd-home
Das erste Kapitel ist dem Ausdrucksverhalten des Hundes gewidmet.
Dieser Teil des Buches rechtfertigt allein schon den Erwerb! Dort wird – auch für Laien – die Körpersprache nachvollziehbar immer im Kontext beschrieben und mit vielen aussagekräftigen Bildern verständlich dargestellt. Dieses Kapitel halte ich unabhängig der Thematik des Buches empfehlenswert für jeden, der mehr über dieses Thema lernen und erfahren möchte!
Das nächste Kapitel steigt in die eigentliche Materie ein und widmet sich dem Zeitraum zwischen der Terminvergabe bis zur Ankunft in der Tierarztpraxis.
Hier liegt der Fokus darauf, dem Patienten “Hund” und seinem Mensch bereits im Vorfeld Stress zu nehmen bzw. ihn gar nicht erst entstehen zu lassen. Mirjam gibt Hinweise, wie eine sinnvolle Informationsgewinnung über die Erkrankung des Hundes, aber auch über sein Verhalten im Vorfeld erfolgen können – z.B. über einen Fragebogen, der vor der Behandlung vom Besitzer ausgefüllt und an die Praxis gesandt wird. Der Besitzer hingegen sollte vor dem Termin schriftlich alle wichtigen, individuell nötigen Informationen erhalten, damit auch er sich auf den Besuch bei Tierarzt einstellen kann. Mirjam weist darauf hin, dass eine nachvollziehbare Beschilderung auf dem Gelände und in der Praxis dem Patientenbesitzer Sicherheit gibt und ihm das Zurechtfinden erleichtert.
Auch das Thema “Parken” findet hier Beachtung:
So sollten die Parkplätze beispielsweise ausreichend breit sein, um das Ein- und Aussteigen des Hundes zu erleichtern, bzw. ein separater Eingang und entsprechende Parkmöglichkeiten für aggressive oder panische Hunde vorgehalten werden. Diese Maßnahme ist wahrscheinlich nicht für jede Tierarztpraxis umsetzbar. In Ballungsräumen zum Beispiel teilen sich die Praxen oftmals Parkräume mit anderen Einzelhändlern oder ihnen stehen überhaupt keine eigenen Parkflächen zur Verfügung. Was ich allerdings grundsätzlich für umsetzbar halte, ist das Vorhalten spezieller Hitzeschutzfolien für Autos, wie Mirjam es empfiehlt. So kann ein ängstlicher und/oder unverträglicher Hund auch während der wärmeren Jahreszeit im Auto warten und muss nicht unnötig dem Stress eines Wartezimmers ausgesetzt werden.
Anmerkung von Easy Dogs: Bei hohen, sommerlichen Temperaturen verhindern die Hitzeschutzfolien die Erwärmung des Auto allerdings nicht ausreichend. Geben Sie bei der Anmeldung in der Praxis Bescheid, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Hund bei geöffneten Türen und Fenstern im Auto warten werden, ohne dabei der Gefahr einer Überhitzung ausgesetzt zu sein.
Zusammenfassend plädiert Mirjam bei der Gestaltung einer Tierarztpraxis für klare Wege, auf denen es nicht zum Gedränge vieler Tiere und/oder Personen kommen kann – vor allem auch im Bereich der Wartezonen. Eine überlegte Farbgestaltung der Wände könne sich positiv auf die Gemütslage von Hund, Besitzer und Praxismitarbeiter auswirken, ebenso der Einsatz bestimmter Öle und angenehmer Musik. Weiterhin wird beispielsweise empfohlen, auch Wartezonen draußen anzubieten und sie entsprechend mit einzeln angeordneten Sitzgelegenheiten und natürlichen Barrieren auszustatten. Diese können dann von Patienten und Haltern aufgesucht werden, deren Hunde/Tiere nicht gut im Wartezimmer mit anderen Hunden/Tieren zusammen sein können. Besonders hilfreich finde ich den Tipp, spezielle Pager in der Praxis anzubieten, damit der Hund mit seinem Menschen im Auto warten und trotzdem seinen Aufruf mitbekommen kann. Nicht selten verfügen Praxen, vor allem in Städten, gar nicht über ein eigenes Grundstück, dass sie entsprechend gestalten können. Mit Hilfe der Pager kann der/die Mitarbeiter/in an der Anmeldung bereits proaktiv darauf hinarbeiten, dass ein unverträglicher und/oder sehr gestresster Hund problemlos mit seinem Menschen im Auto oder im Außenbereich warten kann.
Im 3. Kapitel wird die eigentliche Behandlung thematisiert.
Zunächst wird auf den achtsamen Umgang mit dem Patienten Hund eingegangen. Der Hund sollte von allen Praxismitarbeitern so einfühlsam wie möglich behandelt werden – wenngleich natürlich nicht jede Behandlung/Manipulation für den Hund komplett stressfrei gestaltet werden kann. Mirjam erläutert, wie sich der Tierarzt bei Betreten des Behandlungsraums verhalten kann und auch, wie die Begrüßung und das Gespräch mit dem Tierbesitzer idealerweise ablaufen sollte. Weiterhin wird auch auf die Bekleidung des Praxisteams eingegangen – so können flatternde Arztkittel beim Hund Unruhe erzeugen oder beispielsweise große Ohrringe oder lange Ketten vor dem Gesicht des Tieres “herumbaumeln” und sind daher ungünstig. Gelungen finde ich die Tipps ab Seite 90. Hier wird erläutert, wie der Hundebesitzer sein Tier beim Tierarztbesuch unterstützen kann. Dazu gehören u.a. Hinweise, wie der Hund am besten gehalten werden sollte, ohne dass er sich bedroht fühlt oder wie das Wiegen möglichst stressfrei ablaufen kann. Abgerundet wird dieser Abschnitt mit Vorschlägen, wie der Halter positiven Einfluss auf seinen Hund nehmen kann. Ich finde diesen Teil des Buches sehr wichtig, denn die Bezugsperson ist meines Erachtens ein bedingender Faktor und kann viel tun, um die Belastung des Hundes gering zu halten! Anschließend geht es darum, wie Hilfsmittel – unter anderem ein Maulkorb – sinnvoll und möglichst wenig invasiv eingesetzt werden können. Ein weiterer einfach umzusetzender Tipp ist, dass Flüssigkeiten, die auf den Hund kommen, nicht zu kalt sein sollten.
Weiter zu Kapitel 4:
Hier geht es um den Einsatz der Führleine und die damit verbundene Nutzung von Geschirr und/oder Halsband. Mirjam gibt viele Handlungsanleitungen, wie die Leine als verbindendes Element zwischen Mensch und Hund funktioniert und nicht als Hilfsmittel, um das Tier vermeintlich leichter zu führen. Es gibt wieder viele themenbezogene Bilder, die das Geschriebene nachvollziehbar visualisieren.
Der nächste Teil richtet sich wieder an das Praxisteam. Er handelt davon, wie die Betreuung des Patienten “Hund” in Abwesenheit des Besitzers gestaltet werden kann.
Hier gibt es hilfreiche Tipps, die dem Hund die Trennung von der Bezugsperson erleichtern sollen. Einige von ihnen sind sehr einfach umsetzbar, z.B. die Gestaltung der Stationsboxen mit weichen Materialien, einem Heizkissen und der Einsatz von Pheromonen. Hierbei hat Mirjam auch an die hygienischen Aspekte in der Tierklinik gedacht und wird diesen bei ihren Überlegungen gerecht. Einfache Verhaltenshinweise für die Mitarbeiter runden das Thema ab – auch sie können durch entsprechende Bewegungen, Stimmlage usw. eine Menge tun, damit der Hund sich besser fühlt. Und – so betont es Mirjam immer wieder – ein Hund mit einer positiven Grundstimmung ist ein “unproblematischerer” Patient als einer, der gestresst und ängstlich ist und sich gegen die Behandlung wehrt.
Der letzte Teil des Buches trägt die Überschrift “Hintergrundwissen”.
Hier findet der Leser unter anderem Auszüge aus anderen Büchern von Mirjam Cordt. Dabei geht es beispielsweise darum, wie man Anzeichen einer Ressourcenverteidigung erkennt und wie eine stabile Bindung zwischen dem Hund und seinem Besitzer gefördert werden kann.
Wie im gesamten Buch bezieht sich die Autorin auch hier immer wieder auf verschiedene Studien, die als Fußnoten entsprechend dokumentiert sind.
FAZIT:
Sicherlich ist es nicht jeder Tierarztpraxis möglich, alle Tipps und Anregungen des Buches eins zu eins umzusetzen. Oft werden bauliche Vorgaben bestimmt ein Problem sein. Aber ich denke, jeder einzeln umgesetzte “Baustein” des Buches bringt für sich schon eine Verbesserung. Das Buch ist gut lesbar und eignet sich gleichermaßen für Hundebesitzer und Tierärzte/Praxispersonal. Mein persönlicher Wunsch wäre es, dass dieses Buch in vielen Tierarztpraxen dazu beiträgt, die Behandlung eines Hundes für ihn selbst, seinen Menschen und alle Praxismitarbeiter zu erleichtern und weniger belastend zu gestalten! Easy Dogs Insidertipp!
VERLAGSINFO:
- Hier kaufen
- Autor: Mirjam Cordt
- Verlag: Caniversum
- Umfang: 224 Seiten
- Sprache: deutsch
- ISBN: 3981289056
- Format: 21,4 x 2,2 x 21,6 cm
- Preis: 64,95 €
Zu Mirjam Cordt
Mirjam Cordt leitet seit 2000 das von ihr gegründete DOG-InForm Kompetenzzentrum für Hunde und ihre Menschen, eine Hundeschule mit Verhaltensberatung sowie ein Hundehotel und das Kompetenzzentrum für Herdenschutzhunde und ist eine gefragte Referentin im in- und Ausland. Im Tierschutz ist sie seit 1996 engagiert, im speziellen in “Hilfe für Herdenschutzhunde e.V.”, und hat sich auf die Arbeit mit verhaltensbesonderen Hunden und Herdenschutzhunden spezialisiert. Ihre Familie wird bereichert durch eine große Hundegruppe (durchschnittlich 12 Hunde) bestehend aus Herdenschutzhunden und Hunden anderer Rassen aus dem Tierschutz. Herdenschutzhunde bereichern seit 1997 ihr Leben.