Wie bringe ich meinem Hund bei ein Verhalten länger zu zeigen oder ein Signal länger auszuführen?
WICHTIGE TIPPS ZU AUFBAU UND DOKUMENTATION VON DAUER IM HUNDETRAINING
Ihr Hund legt sich zuverlässig hin, wenn Sie seine Kuscheldecke ausbreiten, steht aber nach spätestens 10 Sekunden wieder von selbst auf, obwohl er im Biergarten länger unter dem Tisch liegenbleiben sollte? Er kann sehr schön ohne Leine bei Fuß laufen, aber nach einigen Schritten ohne Belohnung geht er lieber schnüffeln?
Er kann die niedlichsten Tricks, hält Sie aber nicht lange genug, so dass Sie einfach kein schönes Foto davon machen können?
Und eigentlich haben Sie ein Kooperationssignal für Ihr gemeinsames Medical Training etabliert, aber Ihr Hund bleibt einfach nicht lange genug in der trainierten Position, um beim Training zur Blutentnahme voranzukommen? Wenn Ihnen diese Probleme bekannt vorkommen, sollten Sie sich mit dem kleinschrittigen, systematischen Training von Dauer befassen!
Soll der Hund ein bestimmtes Verhalten für eine gewisse Zeit zeigen, so muss er entsprechend trainiert werden. Im Trainerjargon wird es als „Dauer aufbauen“ bezeichnet, wenn gezielt trainiert wird, dass ein Verhalten für einen definierten Zeitraum gezeigt werden soll. Dabei kann es sich sowohl um statisches Verhalten wie Sitz, Platz oder das Berühren eines Targets handeln als auch um Verhalten in Bewegung wie Fußlaufen oder den Menschen umkreisen.
Bei statischen Verhalten wird die Dauer üblicherweise in Zeiteinheiten gemessen – in der Regel geht es um Zeiträume von Sekunden bis Minuten. Bei Verhalten in Bewegung kann die Dauer alternativ auch in Schritten (des Menschen oder des Hundes), Runden oder Wiederholungen von gleichen Bewegungsmustern gemessen werden.
Ist bereits beim Aufbau eines neuen Verhaltens klar, dass dieses später nicht nur für einen Augenblick, sondern über einen gewissen Zeitraum gezeigt werden soll, so ist es sinnvoll, von Anfang an ein kurzes Verharren in der erwünschten Position oder ein Zeigen des Bewegungsablaufs für eine kurze Dauer zu belohnen.
Dies kann erreicht werden, indem der Hund bereits beim Verhaltensaufbau mehrfach kurz hintereinander in der gewünschten Position oder beim Ausführen der gewünschten Bewegung belohnt wird. So wird diese Position oder Bewegung für den Hund sehr attraktiv. Bekommt er einzelne Futterstücke in schneller Folge hintereinander und wird der Futterpunkt so gewählt, dass der Hund das trainierte Verhalten weiter zeigt, lohnt es sich für ihn, die Position auch länger zu halten oder die Bewegung länger auszuführen. Somit kann bereits beim Verhaltensaufbau eine gewisse Dauer mittrainiert werden.
Soll der Hund beispielsweise ein Kinntarget lernen, sein Kinn also in die Hand des Menschen legen und dort liegen lassen, kann der Hund von Anfang an in der Position des Kinntargets mehrere Futterstücke hintereinander erhalten. Auf diese Weise lohnt es sich für ihn das Kinn in der Hand liegen zu lassen.
Zeigt der Hund das Verhalten zuverlässig für einen kurzen Moment, so ist es an der Zeit, die Dauer gezielt auszubauen. Der Hund soll in jedem Trainingsschritt einen kleinen Moment länger in der trainierten Position verharren oder den trainierten Bewegungsablauf länger zeigen, ehe er belohnt wird. Aber Achtung: Zu große Trainingsschritte beim Aufbau der Dauer führen schnell zu Überforderung, Misserfolg und damit zu Frust auf Seiten des Hundes. Daher ist ein strukturiertes und sorgfältig geplantes Training für den effektiven Aufbau von Dauer im Hundetraining unabdingbar.
Die Basis eines solchen Trainings ist ein Trainingsplan. Dieser sollte im besten Fall schriftlich festgehalten werden. Der Trainingsplan beinhaltet eine detaillierte Beschreibung des Zielverhaltens inklusive der angestrebten Dauer.
Beim Kinntarget könnte das Trainingsziel beispielsweise lauten: „Der Hund legt sein Kinn innerhalb von 2 Sekunden in die Hand des Menschen, wenn die Hand waagerecht auf Schnauzenhöhe präsentiert wird. Er hält das Kinntarget für mindestens 5 Sekunden. Dabei steht er ruhig und belastet alle vier Gliedmaßen.“
Hier ist die Schritt-für-Schritt Anleitung zum Aufbau des „Kinntarget“ erhältlich.
Zusätzlich sollte im Trainingsplan festgehalten werden, an welchen Orten und unter welchen Bedingungen (zum Beispiel mögliche Ablenkungen von außen) das Verhalten gezeigt werden soll. Außerdem sollte im Trainingsplan der momentane Trainingszustand des Hundes in Bezug auf das jeweilige Verhalten beschrieben werden. Anschließend werden die einzelnen Trainingsschritte festgelegt, die nötig sind, um vom Istzustand zum Endverhalten zu gelangen. Diese sollten im Laufe des Trainings bei Bedarf immer wieder individuell angepasst werden.
Beim Training der Dauer sollte zu Beginn auf ein sehr kleinschrittiges Vorgehen geachtet werden. In vielen Fällen kann es anfangs nötig sein, die Dauer in Sekundenbruchteilen zu steigern. Auf diese Weise ist die Wahrscheinlichkeit für richtiges Verhalten hoch und die Gefahr von Frust gering.
Um Sekundenbruchteile zu zählen, zählen Sie leise und ohne Lippenbewegung im Kopf: „Ein-und-zwan-zig, zwei-und-zwan-zig, …“ Dabei steht jede einzelne Silbe ungefähr für ¼ Sekunde. Eine ¾ Sekunde zählen Sie also beispielsweise als „Ein-und-zwan“. Trainieren Sie ein Verhalten in Bewegung, so legen Sie bei Bedarf eine andere Einheit fest, in der Sie die Dauer messen möchten (z.B. Schritte, Runden, Meter, Wiederholungen eines Verhaltens), und gehen analog vor.
Um einen Überblick über das eigene Training zu behalten und immer auch objektiv zu wissen, welcher Trainingsschritt erfolgreich war und wie der nächste Trainingsschritt aussehen sollte, ist eine schriftliche Dokumentation des Trainings empfehlenswert.
Die Dokumentation sollte dabei so einfach wie möglich durchzuführen sein, und gleichzeitig so viele Informationen wie nötig beinhalten. Ein bewährtes Vorgehen für eine einfach durchzuführende Dokumentation ist ein Training in Fünferblöcken in Kombination mit einem Ampelsystem.
Bei diesem Vorgehen wird jeder Trainingsschritt fünf Mal genau gleich durchgeführt. Zeigt der Hund das Verhalten bei mindestens vier von fünf Versuchen korrekt (80-100% Erfolgsrate), so kann zum nächsten Trainingsschritt übergegangen werden. Bei zwei oder drei erfolgreichen von fünf Durchgängen (40-60% Erfolgsrate) wird der Trainingsschritt wiederholt, also ein neuer Fünferblock gestartet. Wenn von fünf Versuchen nur einer oder gar keiner erfolgreich ist (0-20% Erfolgsrate), gehen Sie im Trainingsplan einen Schritt zurück oder bauen Sie geeignete Zwischenschritte ein.
Dokumentieren Sie immer jeden einzelnen Fünferblock. In der Abbildung finden Sie exemplarisch eine Dokumentationsvorlage (hier erhältlich) aus dem Buch “Blut abnehmen beim Hund trainieren”, die Sie je nach Trainingsziel und Aufbau adaptieren können. Auf diese Weise wissen Sie immer genau, wo Sie im Training stehen und ob Sie wie geplant vorankommen.
In der Dokumentationsvorlage tragen Sie in der ersten Spalte die Nummer des jeweiligen Trainingsschritts ein. Die Felder der einzelnen Durchgänge können Sie unmittelbar abhaken, wenn Ihr Hund das Verhalten korrekt gezeigt hat und belohnt wurde. Macht Ihr Hund einen Fehler, so machen Sie beim jeweiligen Durchgang ein X. Nach fünf Durchgängen legen Sie eine kurze Pause im Training ein. Notieren Sie in der Spalte „Quote“, wie viele von fünf Durchgängen korrekt waren, und legen Sie anhand des Ampelsystems den Trainingsschritt im nächsten Durchgang fest. In der Spalte „Anmerkungen“ können Sie beispielsweise eintragen, welche Art Fehler Ihr Hund gemacht hat, ob es eine unerwartete Ablenkung gab oder ob Sie versehentlich ein nicht 100%ig den jeweiligen Kriterien entsprechendes Verhalten belohnt haben.
Liegt Ihr Fokus auf der Dauer eines Verhaltens, so können Sie für jeden einzelnen Durchgang in das kleine blaue Kästchen die Dauer eintragen, die Ihr Hund im jeweiligen Trainingsschritt zeigen soll, um belohnt zu werden.
Dabei ist es wichtig, die Dauer im Aufbau nicht linear zu steigern, sondern immer nur im Durchschnitt.
Dabei bleibt die durchschnittliche Dauer innerhalb eines Fünferblocks gleich, während die tatsächliche Dauer in jedem einzelnen Durchgang variabel ist.
Variabilität zwischen den einzelnen Durchgängen verhindert, dass Ihr Hund die Belohnung nach einer bestimmten Zeit erwartet und eventuell frustriert ist, wenn sie nicht zum erwarteten Zeitpunkt erfolgt. Würde jeder Durchgang etwas länger sein als der davor, so würde es für den Hund kontinuierlich immer schwieriger, die Kriterien zu erfüllen und sich eine Belohnung zu verdienen. Ein solches Vorgehen könnte zu Frust führen und die Motivation zur Mitarbeit senken.
Wird die Dauer dagegen nur im Durchschnitt erhöht, so ist der Übergang für den Hund weniger spürbar und die Belohnungsrate bleibt höher, da es nach längeren auch wieder kürzere Durchgänge gibt.
Liegt Ihr Kriterium in einem Fünferblock bei durchschnittlich 2 Sekunden, so könnten die einzelnen Durchgänge beispielsweise so aussehen:
- 1. Durchgang: 2 Sekunden
- 2. Durchgang: 1 ½ Sekunden
- 3. Durchgang: 2 ¼ Sekunden
- 4. Durchgang: 2 ½ Sekunden
- 5. Durchgang: 1 ¾ Sekunden
Legen Sie die Dauer für jeden einzelnen Durchgang vorher fest.
Wiederholen Sie einen Trainingsschritt, so bleibt zwar die durchschnittliche Dauer gleich, die einzelnen Werte für die Dauer innerhalb des Fünferblocks sollten sich jedoch von denen des vorangegangenen Fünferblocks unterscheiden.
Auf diese Weise verhindern Sie, dass Ihr Hund versehentlich ein Muster lernt, welches Sie nicht trainieren wollten.
Halten Sie sich konsequent an Ihre eigenen Spielregeln. Zeigt der Hund das erwünschte Verhalten, hält es aber nicht für die gewünschte Dauer, so belohnen Sie den Hund nicht. Andernfalls würden Sie ihn verwirren, da Ihre Belohnung für den Hund die Bedeutung hat: „Das war richtig!“ Schafft es Ihr Hund innerhalb von fünf Durchgängen nur einmal oder gar nicht die gewünschte Dauer zu halten, so müssen Sie einen Trainingsschritt zurückgehen oder einen geeigneten Zwischenschritt einfügen.
Legen Sie die Dauer für alle Durchgänge eines Fünferblocks im Voraus fest und tragen Sie sie in die dafür vorgesehene Kästchen ein, so haben Sie den Vorteil, dass sie während des Trainings nicht darüber nachdenken müssen, welche Dauer Sie im nächsten Durchgang erwarten. Dieses Vorgehen bietet sich vor allem an, wenn Sie noch eher ungeübt in der Dokumentation des Trainings und im systematischen Training von Dauer sind. Nach jedem Fünferblock legen Sie bei diesem Vorgehen abhängig vom jeweiligen Trainingsschritt die Dauer für die nächsten fünf Durchgänge fest. Fortgeschrittene Trainer können die Dauer des nächsten Durchgangs auch abhängig von den jeweils vorhergehenden Durchgängen machen.
So kann beispielsweise nach einem besonders schwierigen, erfolgreichen Durchgang mit verhältnismäßig langer Dauer ein Durchgang mit eher kurzer Dauer abgefragt werden. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass die Belohnungsfrequenz steigt und der Hund sich nach einem schwierigen Durchgang eine vergleichsweise einfache Belohnung verdienen kann (s. Buch „Verstärker verstehen“ von Viviane Theby), erfordert aber auch einen guten Überblick des Trainers über den momentanen Trainingsstand.
Besonders wichtig ist das sorgfältige Training von Dauer immer dann, wenn das trainierte Verhalten einem bestimmten Zweck dienen soll. Besonders im Medical Training und speziell bei der Anwendung von Kooperationssignalen ist ein sorgfältiges Training der Dauer von entscheidender Bedeutung. Hat Ihr Hund gelernt, das Kinntarget auch unter starker Ablenkung auf Dauer zu zeigen, können Sie es beispielsweise bei einer Blutentnahme als Kooperationssignal einsetzen. Dafür muss Ihr Hund die Position des Kinntargets aber zuverlässig für die Dauer der Blutentnahme halten.
Weitere Informationen, detaillierte Trainingspläne und weitere Anregungen zum Thema Medical Training und Training der Blutentnahme finden Sie in meinem Buch „Blut abnehmen beim Hund trainieren – Mit Medical Training entspannt zum Tierarzt“ (Easy Dogs-Hundebuchverlag).
VIDEOBEISPIELE:
- Tiertrainerin Jana Ebinger (TOPTrainerin) zeigt hier ihr Ergebnis vom Training mit ihrer Katze Finja: Drehen auf Signal. (Dauer und Signalkontrolle)
- Hundetrainerin Michaela Hares (TOPTrainerin) evaluiert hier den Trainingsstand ihrer Hunde: Wie lange können sie wohl Achten um zwei einige Meter weit auseinander gestellte Gartenstühle laufen, ohne zwischendurch belohnt zu werden oder eine Hilfe zu bekommen. Die Stühle sind das Signal. Michaela Hares gibt lediglich ein Startsignal.
- Tierärztin und Hundetrainerin Nicole Stein (TOPTrainerin)hat im Tierheim mit Atze ein stationäres Nasen-Target trainert. Der Rüde berührt den Holzstab an seiner Spitze, wo auch immer sie ihn präsentiert, und verharrt am Target, egal, was um ihn herum passiert. So kann er aus Sicherheitsgründen vor dem Betreten des Zwingers angeleint werden, um ihn gut zu versorgen.
- Michaela Hares (TOPTrainerin)hat das freiwillige und gelassene Fiebermessen mit ihrem Kater Krabat trainiert (Tierärztin: Nicole Stein). Er bleibt auf dem Behandlungstisch stehen und hält das Kooparationsverhalten für die Dauer der Behandlung: den Hand-an-Bauch-Target.
- Hundetrainerin Michaela Artwohl (TOPTrainerin) trainiert hier das Drehen im Kreis so lange wie der Targetstab als Signal erscheint sowie das ruhige Stehen und abwarten, bis das Signal (der Targetstab) wieder erscheint. Hierbei handelt es sich um ein statisches Verhalten: das Warten und eines in Bewegung: das Drehen.
- Hundetrainerin Manuela Habermann (TOPTrainerin) trainiert mit Luff den Blickkontakt zur Hand als Kooperationssignal für die Behandlung bei der Hundephysiotherapeutin: