Antijagdtraining: Wie man Hunde vom Jagen abhält, von Ariane Ullrich und Pia Gröning
Ariane Ullrich und Pia Gröning, MenschHund ! Verlag
Das Buch liegt mir in der 12. überarbeiteten Version von Februar 2019 vor. Es sieht von außen sehr ansprechend aus. Grün und weiß, passend zum Thema Jagd mit kleinen lustigen Comic-Bildern von dem bekannten Zeichner Heinz Gundel. Der Einband fühlt sich robust an, was wichtig ist, wenn man bedenkt, dass das Buch mit dem Untertitel „Ein Arbeitsbuch von Pia Gröning und Ariane Ullrich“ wahrscheinlich mehrfach in die Hand genommen werden wird.
Das Inhaltsverzeichnis ist gegliedert in
- Hintergrund
- Basistraining
- Schleppleinentraining und
- Kontrolle am Wild. Weiter geht es mit
- alternativen Aufgaben
- Antijagdtraining mit zwei Hunden sowie
- Prävention
Es folgen alle praktischen Übungen zu jedem Kapitel. Diese tauchen im Buch an gegebener Stelle auf, so dass man zur Erklärung immer gleich die praktische Anleitung findet.
Im Vorwort verrät Professor Doktor Martin Pietralla die Kernaussage dieses Buches mit dem Satz: „Sie müssen wissen, was ihr Hund tun soll. Es reicht nicht, zu wissen, was er nicht tun soll!“.
Jedes Kapitel startet mit einem Zitat und einer gezeichneten Illustration. Im ersten Teil des Buches beschäftigen sich die Autorinnen mit dem Hintergrund des Jagdverhaltens bei Hunden. Hier geht es darum, warum unsere Hunde jagen, obwohl sie von uns umsorgt und gehegt werden.
Es geht weiter mit: „Was können wir tun? – Arbeiten mit den Lerngesetzen“ und warum Alternativverhalten so wichtig ist, was Ressourcenkontrolle und Verstärkung ist, wie man Trainingsfehler vermeiden kann und was ein Brückensignal (= Ein “weiter so” Signal damit der Hund nicht aufgibt bis die Belohnung bzw. der Marker kommt ) ist. Dem folgend, erhält der Leser detailliert geschilderte praktische Übungen in Form von Anleitungen und Erklärungen.
Die Autorinnen schreiben über Signaleinführung sowie über variable und differenzierte Verstärkung (= Es gibt also nicht immer die “Jackpot-Belohnung” für ein gezeigtes Verhalten sondern es wird sehr abwechslungsreich belohnt. Das Ganze bekommt für den Hund einen gewissen Glücksspielcharakter und er wird das verstärkte Verhalten öfter und schneller zeigen. ). Sie behandeln das Thema Strafe und arbeiten mit kurzen, prägnanten Merkformeln (Beispiel: “Die Strafe muss in vielen Situationen anonym erfolgen.”) als Resümee des geschilderten Inhalts. Sie beleuchten, wo die Schwierigkeiten im Einsatz von Strafe im Training liegen und warum manche, heute noch angewandten Methoden auch juristisch relevant sind. Unterlegt mit kleinen Anekdoten aus dem Trainingsalltag und Einblicken in Gesetzestexte wird für beide Autorinnen am Ende dieses Abschnitts klar, dass „Strafe in der Regel, keine Option darstellt um das Verhalten zu kontrollieren“.
Der Leser erhält zudem einen Überblick über die praktische Arbeit – aus welchen Komponenten Antijagdtraining überhaupt besteht.
Dann beginnt das Basistraining. Im Basistraining wenden sich die Autorinnen den Orientierungsübungen zu. Darunter fallen unter anderem Blickkontakt und Richtungswechsel, jeweils mit einer Anekdote aus dem realen Leben und einer praktischen Anleitung.
Es folgt eine Reihe an Impulskontrollübungen, darunter praktische Übungen, wie Spannung halten und am Boden bleiben – sprich den Besuch nicht anspringen – das An-einer-Stelle-bleiben ohne Hilfsperson so wie eine Vorübung zum Vorstehen.
Das nächste Kapitel behandelt den Stressabbau. Es geht um Ruhe und Entspannung, wie der Hund diese lernt, sowie den Aufbau der konditionierten Entspannung mittels Wortsignal oder Geruch.
Im nächsten großen Abschnitt widmen sich die Autorinnen dem Schleppleinentraining. Darin erfährt man, warum Schleppleinentraining sinnvoll ist und welche Ausrüstung man benötigt, um sinnvoll trainieren zu können. Es folgt ein Abschnitt, wie man mit der Schleppleine arbeitet und welche Phasen das Schleppleinentraining beinhaltet. Alle Abschnitte werden mit kleinen Fotos illustriert und aufgelockert. Zudem bieten kleine Infokästen passende Kurzinformationen zu den Darstellungen.
Es werden die drei Phasen des Schleppleinentrainings dann praktisch umgesetzt, beschrieben in einzelnen Überschriften, jeweils mit Bildern aus praktischen Trainingseinheiten und Schritt-für-Schritt-Anleitungen für verschiedene, hilfreiche Signale. Am Ende dieser Anleitungen steht das Ziel, den Hund auch ohne Leine kontrollieren zu können. Dazu wird auch das Ausschleichen der Schleppleine erläutert.
Der letzte Abschnitt dieses Kapitels widmet sich dem Verhalten des Menschen – nämlich, wie man sich verhalten sollte wenn der Hund doch mal weg ist. Der Abschnitt handelt von Fehlverknüpfungen und Risiken, die man eingehen muss. Nicht zuletzt macht er aber Mut und verspricht Früchte des Erfolgs, wenn der Hundehalter das Training konsequent im Alltag umsetzt.
„Es gibt zwei Möglichkeiten, wenn man auf Schwierigkeiten stößt: Man verändert die Schwierigkeit oder man verändert sich selbst.“ Das Zitat stammt von Phyllis Bottome und leitet das Kapitel Kontrolle am Wild ein. Jetzt geht es darum, die Früchte aus dem Basistraining zu ernten. In diesem Kapitel widmen sich die Autorinnen realistischen Zielen, dem Super-Schlachtruf (= ein Signal welches auch unter größter Anspannung funktioniert, weil es eine ganz besondere Jackpot-Belohnung verspricht, die es sonst nicht gibt) und wie dieser aufgebaut wird. Auch hier findet der Leser detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Bilder aus praktischen Einheiten. Es wird vor dem Aufbau unerwünschter Verhaltensketten gewarnt und hier finden sich Impulskontrollübungen wie das Vorstehen, bei dem die Spannung gehalten werden soll und im besten Fall ein Alternativverhalten folgt. Einen wichtigen Punkt stellt noch die klassische Gegenkonditionierung dar. Im Buch erklären die Autorinnen, dass die Überlagerung des Verhaltens „Hetzen“ bei Hunden, die bestimmte Kriterien erfüllen (gutes Timing, kein Erfolg mehr ab Beginn des Trainings, der Hund muss ansprechbar bzw. mit konkurrierenden Ressourcen ablenkbar sein), gut funktioniert. Die Wildsichtung löst dann zum Beispiel das „Umdrehen zum Halter“ aus, statt „Wild hetzen“. Auch hierzu findet man wieder eine übersichtliche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Vorsteh-Übung.
Im 5. Kapitel beschreiben die Autorinnen, was es bedeutet, dem Hund Alternative Aufgaben zu bieten, welche das Ziel verfolgen, die Grundbedürfnisse des Hundes zu decken oder gestresste Hunde zu entlasten. Ein ausgeglichener Hund – wird dabei bemerkt – kann leichter auf das Jagen verzichten und ist besser trainierbar. Es werden verschiedene geistige Auslastungsmöglichkeiten vorgestellt, darunter die Nasenarbeit wie Spurensuche oder Geruchsunterscheidung. Auch Mantrailing wird als sinnvolle Beschäftigung genannt.
Es wird der neue Trend des Zughundesport und Ball spielen als Auslastungsmöglichkeiten unter die Lupe genommen und auch hier findet man Beispiele aus dem realen Alltag.
Der Abschnitt „kontrolliert jagen lassen“ informiert sowohl über verschiedene Möglichkeiten, der Leidenschaft des Hundes in kontrolliertem Ausmaß nachzugehen und warnt gleichzeitig davor, den Hund unkontrolliert jagen zu lassen oder Kleintiere als Jagdobjekt einzusetzen. Außerdem es wird über Förster und Jagdpächter informiert.
Die nächsten drei Kapitel, nämlich „AJT mit zwei Hunden“, „Prävention“ und „Ausblick“ geben dem Leser Informationen, wie Antijagdtraining mit mehreren Hunden aussehen kann und was dabei zu beachten ist. Dabei wird immer wieder auf vorangegangene Seiten verwiesen, …mit den jeweils passenden Übungen.
Im Kapitel „Prävention“ beschreiben die Autorinnen, was zu beachten ist, wenn man sich einen Hund anschafft. Das heißt die Wahl der Rasse und die eigenen Lebensumstände sollten beachtet werden. Auch wird nochmal auf das Thema Strafe eingegangen, wobei dies vorangegangen ausführlich diskutiert wurde.
Im Kapitel „Ausblick“ geben Pia Gröning und Ariane Ullrich einen groben, zusammengefassten Überblick über dieses Buch und sprechen darüber, dass Antijagdtraining einen längeren Zeitraum, Konsequenz und Geduld erfordert. Engagement und Durchhaltevermögen sind wichtige Faktoren beim Antijagdtraining und sie machen nochmal Mut durchzuhalten, denn es lohnt sich wirklich. Sie geben dem Leser aber auch den Hinweis, dass bei einigen Hunden zeitlebens bestimmte Vorkehrungen (Anmerkung: und in der Regel bei allen Hunden eine regelmäßige Auffrischung des Trainings, das hochwertige und passende Verstärker beinhaltet) getroffen werden müssen, um ihr Jagdverhalten in kontrollierte Bahnen zu lenken.
Im letzten Abschnitt „Trainingsplan“ finden wir ein Zitat von Konfuzius und damit greifen die Autorinnen die Kernaussage aus dem Vorwort auf: „Wer das Ziel kennt kann entscheiden, wer entscheidet findet Ruhe, wer Ruhe findet ist sicher, wer sicher ist kann überlegen, wer überlegt kann verbessern.“ Hier geben Pia Gröning und Ariane Ullrich nochmal den Hinweis, dass es nicht möglich ist in einem Buch, einen Trainingsplan für alle individuellen Teams zu erstellen, aber sie geben kleine Ziele vor, so gesehen kleine Meilensteine, die man erreichen kann.
Als “Beipackzettel” gibt es eine Blickkontakt-Tabelle, eine Generalisierungs-Skala, eine Top-Ten-Liste der beliebtesten Aktivitäten, eine Übersicht, welche Übungen und Signale wann trainiert wurden sowie eine Seite für Einzel-Übungen (beispielsweise zum üben des Vorstehens).
Wenn sie diese Buchrezension bis hierhin gelesen haben, dann haben sie sicher festgestellt, dass dieses Buch viel mehr bietet als eine bloße Trainingsanleitung. Die Autorinnen gehen auf sehr viele Aspekte das Jagdverhaltens und des Trainings am Jagdverhalten mit Hunden ein und beschreiben diese detailliert und für den Leser verständlich und anschaulich. Sie gehen auf Individualitäten ein und scheren nicht alle Hunde über einen Kamm. Die natürlichen Bedürfnisse der Hunde beachten sie in diesem Buch genauso wie das Bedürfnis der Leser nach Erkenntnis.
Sprachlich ist das Buch gut aufgestellt, denn die Texte, Erklärungen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen sind gut verständlich. Zahlreiche Anekdoten lockern den fachlichen Inhalt auf.
Durch die detaillierten Anleitungen und weitreichenden Erklärungen ist das Buch für jeden geeignet, der am Jagdverhalten seines Hundes arbeiten möchte. Es dient nicht unbedingt der Vorab-Information, wobei im Buch auch Punkte angesprochen werden, wie Rasseauswahl vor der Anschaffung und Tipps zur frühen Förderung eines Welpen, aber darauf legt das Buch keinen Fokus und die Kapitel zu diesen Themen sind recht knapp gehalten.
Fazit:
Was mir persönlich sehr gut gefällt ist, dass die Autorinnen die drei Bausteine „Orientierung am Halter, Impulskontrolle und Entspannung“ im Training so gut zusammenbringen. Wie sie die Lebensumstände unsere Hunde unter die Lupe nehmen und auch kritische Aussagen wagen. Der Leser wird animiert, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Die Kapitel sind, wie schon erwähnt, sehr strukturiert aufgebaut und daher gut auffindbar. Das Buch will definitiv mehrmals in die Hand genommen werden und wenn es nur ist, um aus den letzten Seiten eine Übersicht für eine neue Übung nachzuschlagen, welche direkt fürs Training verwendet werden kann. Alles in allem merkt man dieser Buchauflage von „Antijagdtraining. – Wie man Hunde vom Jagen abhält.“ an, dass die Autorinnen jahrelange Erfahrung im Training und sich entsprechend spezialisiert haben.
Bereits die Anzahl der Auflagen dieses Buches zeugt davon, dass das Wissen über Hunde stetig wächst und man auch als erfahrener Hundehalter und/ oder Trainer stets dazulernt und spricht zudem für Aktualität. Das Buch animiert nicht nur dazu, seinem Hund das Jagen „abzutrainieren“. Vielmehr vermittelt es ein tiefgreifendes Verständnis für die Bedürfnisse der Hunde und rät dem interessierten Leser zum freundlichen und fairen Umgang mit dem Familienmitglied Hund. Aus diesem Verständnis heraus entwickeln sich die einzelnen Übungen im Buch zu einem großen Ganzen, was das Buch „Antijagdtraining“ von Pia Gröning und Ariane Ullrich zu einer runden Sache macht. Besonderen Eindruck hat der weitreichende Horizont des Buches bei mir hinterlassen – damit meine ich insbesondere, welche Aspekte bedacht werden, welche Hinweise gegeben werden und die Vielzahl an Anleitungen sowie die ausgewählten Übungen. Das alles macht dieses Buch über Antijagdtraining rund und ich kann es jedem Hundehalter mit einem jagdlich ambitionierten Hund empfehlen. Klarer Easy Dogs Insidertipp!
VERLAGSINFO:
- Hier kaufen
- Autor: Ariane Ullrich und Pia Gröning
- Verlag: MenschHund ! Verlag
- Umfang: 244 Seiten
- Sprache: deutsch
- ISBN: 978-3981082128
- Preis: 22,90 €