8 Tipps für das Leben mit einem blinden Hund
Und dann kam Charlie, und veränderte mein Leben. Charlie, mein erster Hund. Ein blinder Hund. Angeschossen – Schrotkugeln im Kopf – einäugig. Vom Schicksal gebeutelt. Aber auch freundlich, geduldig und tiefenentspannt. Ein Sonnenschein. Das ist mein Charlie. Er hat sich mir anvertraut. Mir die Chance gegeben, eine Art Sehhilfe für ihn zu werden. Sein „Blindenführmensch“. Zusammen haben wir die Welt entdeckt. Zusammen an beängstigenden Geräuschen oder auch Begegnungssituationen mit Artgenossen trainiert. Zusammen sind wir täglich zur Arbeit gefahren. Zusammen meistern wir den Alltag und genießen das Leben. Ein wunderschönes Leben. Blinde Hunde sind fabelhaft.
1. VERTRAUEN
Die Basis für ein erfülltes, unbeschwertes Leben ist Vertrauen. Noch mehr als ein sehender Hund ist ein blinder Hund im Alltag auf die Unterstützung seiner Bezugsperson angewiesen.
Eben durch diese Unterstützung können Sie die Vertrauensbasis Ihres Lieblings weiter ausbauen. Einem blinden Hund erschließt sich relativ schnell und leicht der Sinn von Signalen, die ihm den Alltag erleichtern (z.B. Ankündigung von Hindernissen). Er wird Ihre Hilfe annehmen und Ihnen blind vertrauen. Wenn Sie mit diesem Geschenk achtsam umgehen, das heißt für Ihren Hund da sind, auf ihn aufpassen, für ihn sehen und ihn allenfalls durch schwierige Situationen leiten, kann er sein Leben in vollen Zügen genießen.
2. FREIHEIT
Das blinde Vertrauen Ihres Hundes ist weit mehr als ein Kompliment an Sie. Es ist vielmehr eine große Herausforderung. Sie müssen den Spagat zwischen Sicherheit und Freiheit schaffen. Sie müssen Ihren blinden Hund beschützen, dürfen ihn aber nicht rundum in Watte packen und gänzlich vom Leben abschotten. Auch ein blinder Hund verdient ein erfülltes Leben. Er sollte in seinem Rahmen eigenständig entscheiden und Spaß haben dürfen. Es gilt ihm die Freiheit, die er braucht und nicht missen sollte, durch hilfreiche Signale zu schenken.
3. EMPATHIE
Einem blinden Hund fällt es naturgemäß oft schwerer als einem sehenden Hund Reize oder Situationen einzuschätzen. Ohne Sehvermögen wirkt einiges unvorhergesehener und bedrohlicher. Blinde Hunde sind unter Umständen geräuschempfindlicher und können allgemein auf akustische oder taktile Reize stärker reagieren als andere Hunde.
„Ist doch alles halb so wild.“ oder „Da muss er durch.“ sind wenig hilfreiche Sichtweisen. Besser ist es,dem Hund zur Seite zu stehen. Ein blinder Hund gibt sich ohnehin alle Mühe zurecht zu kommen, was sicher nicht immer einfach für ihn ist. Aber auch die Geduld und Impulskontrolle eines blinden Hundes ist endlich.
Deshalb müssen Sie helfend eingreifen bevor es ihm zu viel wird und er sich allenfalls genötigt sieht, sich selbst zu helfen, weil er mit der Situation überfordert ist. Dann darf eben kein Fremder ohne Vorwarnung seinen Kopf tätscheln (Diese Empfehlung gilt auch für sehende Hunde.). Und Sie können vielleicht nicht dicht neben der hüpfenden, kreischenden Kindergartenschar stehen bleiben, um mit einer Freundin zu ratschen. Und falls Sie es mal versäumen, umsichtig zu sein und es doch zu viel geworden ist, bieten Sie Ihrem blinden Hund verständnisvoll einen liebevollen, sicheren Hafen.
4. KOMMUNIKATION
Das A und O einer gelungenen Beziehung mit Ihrem blinden Hund ist Kommunikation. Akustische Signale sind eine höfliche und angenehme Form von Kommunikation. Ein verbal angekündigter Richtungswechsel ist grundsätzlich einem Zupfen oder gar Rucken an der Leine vorzuziehen. Natürlich können auch körperliche Hilfen ihre Berechtigung haben. So ist es verantwortungsvoller einen blinden Hund über einen tiefen Graben zu heben als zu riskieren, dass er den Sprung nicht richtig abschätzt und hineinstürzt. Körperliche Hilfen sollten aber die Ausnahme bilden, mit Bedacht gewählt und immer verbal angekündigt werden.
5. ANKÜNDIGUNGEN
Ankündigungen stellen einen besonders wichtigen Aspekt von Kommunikation dar. Noch mehr als ein sehender Hund schätzt ein blinder Hund die Ankündigung von Handlungen, da diese auf den Hund schnell übergriffig und einschüchternd wirken können. Sie sollten Ihrem blinden Hund z.B. das Anziehen des Brustgeschirrs, das Aufheben oder auch das Streicheln verbal ankündigen. Auch wenn ein blinder Hund durch seine anderen Sinnesorgane viele Situationen erstaunlich gut einschätzen kann, sollte auf verbale Ankündigungen nie verzichtet werden. Die daraus resultierende Erwartungssicherheit gibt ihm Halt und bewahrt ihn vor unangenehmen Schreckmomenten.
6. SIGNALE
Ein blinder Hund braucht spezielle Signale, um den Alltag möglichst uneingeschränkt meistern zu können. Ein Bordstein ist z.B. ein alltägliches Hindernis, bei dem Sie Ihr blinder Hund braucht. Auch Richtungsangaben wie Links, Rechts oder Zurück sind hilfreich. Ein Stopp-Signal oder auch ein – für den Hund weniger einschränkendes – Langsamer-Signal sind wie ein Weiter-Signal äußerst zweckmäßig. Viele der Signale können „eingefangen“ werden. Sie benennen Handlungen (z.B. nach links abbiegen) bevor sie der Hund ausführt. Zusätzlich können Sie gut mit Locken arbeiten. Über das Locken mit Leckerli hinaus, können Sie sich Ihre Stimme und andere Geräusche (z.B. Klopfen auf einen Gegenstand) zu Nutze machen und so erwünschtes Verhalten formen.
7. ARTGENOSSEN
Hunde kommunizieren überwiegend über optische Signale. Selbstredend liegt gerade darin die größte Einschränkung Ihres blinden Hundes. Deshalb sollten Sie ihn bei Begegnungen mit Artgenossen immer unterstützen. Dafür müssen Sie lernen, Ihren eigenen Hund und andere Hunde gut lesen und einschätzen zu können. Ein blinder Hund darf seinem Schicksal frei nach dem Motto „Das machen die schon unter sich aus.“ noch weniger als ein sehender Hund überlassen werden. Im Zweifel ist es besser, Sie laufen einen Bogen zu viel und bieten Ihrem blinden Hund dafür regelmäßige Treffen mit seinen Hundekumpels.
8. INDIVIDUUM
Abhängig von Alter, körperlicher Konstitution, Charakter und persönlichen Vorlieben müssen Sie individuell auf Ihren Liebling eingehen. Beherzigen Sie neben meinen Tipps daher immer auch Ihr Bauchgefühl.
Danke an Charlie, meinen blinden Helden.