Wie Ursachen, Auslöser, das Verhalten selbst und seine Konsequenzen Verhalten beeinflussen
BEOBACHTUNG EINER HOOPER AGILITY TRAININGSEINHEIT
Bei schönstem Herbstwetter startet ein neuer Aufbaukurs Hooper Agility in Münchenbuchsee (Schweiz) bei den Trainerinnen Simone Fasel und Nadine Hehli.
In der ersten Übung wird das „Voraus“ geübt. Die Hunde werden durch mehrere sogenannte Hooper (eine Art Reifen) zu einem Bodentarget geschickt und dort durch ein geworfenes Spielzeug oder einen Futterbeutel belohnt.
Schnell ist zu merken, dass eine Hündin einen anderen Trainingsaufbau benötigt als die anderen vierbeinigen Gruppenmitglieder. Mit Feuereifer bei der Sache und hochmotiviert, ist sie so aufgeregt, dass sie am Start nicht sitzenbleiben kann, um auf ihr Startzeichen zu warten. Auch bellt sie vor Erregung, sobald sie sich den Geräten nähert. Die beiden erfahrenen Trainerinnen geben ihr nun einen anderen Trainingsaufbau bei gleichem Trainingsziel.
Sie wird nicht mit Spielzeug, sondern mit Futter belohnt. Während alle Hunde am Ziel der Laufstrecke mit einem in Laufrichtung geworfenen Spielzeug belohnt werden, bekommt dieser Hund in sehr kleinen Trainingsschritten vermittelt, dass der Sinn der Übung ist: „Arbeite ruhig und konzentriert ohne zu bellen“. Das Futter wird ruhig gegeben und zu Beginn wird sie bereits für das „Warten“ am Start belohnt.
Warum ist das sinnvoll?
Verhalten ist kein punktuelles Ereignis (Event), sondern eine Entwicklung, deren Start und Ende für uns Menschen nicht klar zu definieren ist. Wir können nicht in unseren Hund „hineinsehen“ und erkennen, wann das Verhalten sozusagen „in Auftrag“ gegeben wurde. Auch unsere Belohnung, die Konsequenz auf das Verhalten, kommt zeitlich nicht immer exakt an. Manchmal landet das Leckerli im Hundemaul, während der Hund schon mit einem neuen Verhalten beschäftigt ist.
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass zu einem Verhalten seine Ursache oder Bedingung (Antecedent) und die auf das Verhalten folgende Konsequenz gehören.
Antecedence >> Behavior >> Consequence
Das ABC im Tiertraining
A = “Antecedent oder Ursache, auslösender Faktor für ein Verhalten” ist alles, was dem Verhalten vorausgeht:
Das kann die innere Motivation des Tieres sein, z. B. bei Hunger oder Durst.
Oder ein äußerer Faktor aus der Umwelt, z. B. bei Angstverhalten, Zug- und Brutverhalten bei Vögeln etc.
Im Training ist das alles, was dem Verhalten vorausgeht. Das trainierte Signal, ein Griff zur Futtertasche oder auch ein bestimmter Platz oder spezielle Geräte, die Kleidung, die der Mensch anlegt u.v.m.
B = Das Verhalten (Behavior) selbst beginnt lange, bevor wir Menschen es wahrnehmen, und endet auch nicht abrupt mit dem Markersignal oder der Belohnung. Verhaltensforscher haben nachgewiesen, dass die Verhaltenselemente am meisten verstärkt werden, die unmittelbar vor der Belohnung stattgefunden haben. Je näher an der Belohnung, umso mehr wird ein Verhalten verstärkt, aber alles, was dem Verhalten vorausgegangen ist, wird mit belohnt. Wir verstärken also immer eine Verhaltenskette.
C = Das Wissen darum bringt uns sofort dazu, uns über die Wahl der Belohnung (Consequence) Gedanken zu machen.
Wird mit einem nach vorne geworfenen Spielzeug belohnt, dann verstärkt man das schnelle Laufen zur Belohnung.
Wird mit einem nach hinten geworfenen Spielzeug belohnt, dann lernt der Hund sich nach hinten zu orientieren, die Vorwärtsbewegung wird langsamer oder sogar gestoppt.
Wird die Belohnung direkt gefüttert, dann belohnt man auch das Verharren, bevor das Futter im Maul landet….
Wird das Futter gestreut, dann belohnt man das Suchverhalten mit allen seinen Auswirkungen: Kopf absenken, Schnüffeln, Suchen (sehr empfehlenswert bei hektischen und reaktiven Hunden, da das Kopfabsenken schon eine entspannte Haltung provoziert).
ANTECEDENT – AUSLÖSER & URSACHEN
Gehen wir zurück ins Hooper- Agility Training:
„Aber was ist nun eigentlich Hooper-Agility genau? Hierbei handelt es sich um eine neue Trendsportart, die in den USA entwickelt wurde und seit kurzer Zeit auch bei uns immer mehr Freunde findet. Häufig wird das Hoopers-Agility auch als NADAC bezeichnet, was aber eigentlich nicht korrekt ist und nur auf die Entstehungsgeschichte dieser Sportart zurückzuführen ist. NADAC ist nämlich nichts anderes als die Abkürzung für North American Dog Agility Council. Hierbei handelt es sich um eine der vier großen Agility-Organisationen der Vereinigten Staaten, die unter anderem auch das Hoopers-Agility anbietet. (….)
Wie im klassischen Agility gibt es auch beim Hoopers-Agility einen Parcours, der in einer bestimmten Abfolge vom Hund durchlaufen werden muss. Der Parcours besteht vor allem aus Bögen (Hoops, daher der Name), kombiniert mit anderen Geräte-Elementen wie zum Beispiel Tunnel, Fass und Zaun…”
Aus: „Hoopers-Agility, Hundesport ganz ohne Sprünge“ von Tanja Bauer und Gabriele Lehari Verlag Oertel + Spörer
Wir haben Bedingungen (Antecedents) vor dem Start der Aktion:
Erwünscht ist: ruhiges Sitz und Start auf Signal
Wir haben ein Verhalten (Behavior), welches der Hund erlernen soll:
Auf Signal durch mehrere Hoopers auf ein Bodentarget zu laufen
Alle Hunde, bis auf diese Hündin, können am Start ruhig warten, bis sie ein Signal bekommen. Manche Hunde laufen etwas verhalten durch die Hooper. Da sie am Ende der Laufstrecke beim Erreichen des Bodentargets ein bekanntes Markersignal bekommen und die Belohnung in Laufrichtung fliegt, geben sie nach dem Markersignal noch einmal richtig „Gas“. Verhalten unmittelbar vor der Belohnung wird am meisten verstärkt. Schnelles Rennen (zum geworfenen Spielzeug oder Futterbeutel) wird bei diesen Hunden also am meisten verstärkt. So erhöhen sie nach einigen Wiederholungen ihr Lauftempo, da diese Aktion am stärksten belohnt wurde. Als Rückwärtsverkettung wird nebenbei auch das erwünschte ruhige Warten vor dem Startsignal belohnt.
Wie sieht das nun bei der anderen Hündin aus?
Das Tier bellt bereits vor dem Start. Diese Hündin scheint die Situation auf dem Hundeplatz mit Aufregung verknüpft zu haben. Lassen wir sie nun starten und die Strecke durch die Hooper laufen, dann haben wir das Bellen verstärkt. Fliegt zur Belohnung noch ein Spielzeug, dann verstärken wir zusätzlich aufgeregtes Verhalten, da alle Aktionen mit dem Spielzeug mit einem höheren Erregungsniveau verbunden sind.
Schauen wir uns die Bedingungen (Antecedents) für Erregungsbellen im Training an: In der Vergangenheit wurde aufgeregtes Verhalten unbewusst sehr oft durch Aktion belohnt. Vielleicht wurde Bellverhalten mit Motivation erklärt?
Wir können mit diesem Hund nur sinnvoll arbeiten, wenn wir mit ihm in Kontakt treten, bevor er bellt. Ruhiges Verhalten muss verstärkt werden.
Hört man sich auf Hundeplätzen um, kann man feststellen, dass Trainer:innen und Hundebesitzer: mit bellenden Hunden trainieren und somit Bellen im Training regelrecht etabliert wird.
Manchmal bellen Hunde, weil sie die Anweisungen der Menschen nicht verstehen oder ihnen zu wenig Zeit gegeben wird, diese „zu überdenken“. Wird so ein Hund dann in eine neue Trainingssituation gebracht, dann gehört zu den Faktoren der Antecedents (Ursache für ein Verhalten) das Gefühl des Hundes, evtl. wieder nicht verstehen zu können, was man von ihm verlangt (Überforderung, Stress, Frust). Dieses Gefühl ist in die Trainingssituation quasi mit hinein konditioniert worden.
Von Kundinnen höre ich manchmal den Satz: „Mein Hund weiß genau, was er tun soll!“ Weiß der Hund das wirklich? Und woher weiß er das?
Haben wir wirklich in so kleinen Schritten trainiert, dass unser Hund nur erfolgreich sein konnte, und haben wir wirklich immer genau nur das erwünschte Verhalten verstärkt?
Die Hündin im Hoopers-Agility Training lernt also zuerst, von ihrer Decke in die Startposition zu gehen, ohne zu bellen, und wird für das ruhige Verhalten am Start mit Futter belohnt (wer frisst, ist ruhig).
Während die anderen Hunde ihr Lauftempo erhöhen, übt diese Hündin ruhig und immer länger sitzen bleiben zu können, ohne den Start frühzeitig alleine auszulösen.
Nachdem sie das erwünschte Verhalten zeigt und ruhiges Verhalten oft und gut belohnt wurde, lernt sie sehr schnell, die Laufstrecke durch die Hooper zu absolvieren. Am Schluss des Trainings haben alle Hunde die Strecke erfolgreich gemeistert.