Schutzhundesport (VPG): Was ist das genau und für welche Hundetypen ist dieser Sport geeignet?
Freizeit & BeschäftigungDie Ausbildung zum „Schutzhund“ ist umstritten. Für die einen ist es Tierquälerei, für die anderen ein leidenschaftliches Hobby bzw. Sport. In den letzten Jahren wurde einiges an den Ausbildungstechniken verändert. Die Wettkampfrichter möchten einen temperamentvollen, aber auch freudig und korrekt arbeitenden Hund sehen. Der viel zitierte „Kadavergehorsam“ hat immer seltener eine Chance. Dieser Artikel soll einen informativen Überblick geben.
Ziel des Sports ist es „heute“ wie früher, einen reichhaltigen Genpool zu erhalten. Das ist bedeutungsvoll für Behörden und Einrichtungen, die Diensthunde einsetzen, (insbesondere Polizei, Zoll und Militär), da diese grundsätzlich nicht selbst züchten. Der Schutzhundesport ist für viele Hundebesitzer ein Hobby, in das sie ihre gesamte Freizeit stecken. Dafür braucht man – wie für jeden Leistungssport – vor allem Zeit. Jede der drei in der Prüfung geforderten Abteilungen muss fast täglich geübt werden. Neben guten Kenntnissen über Hundeverhalten ist es mittlerweile auch wichtig, sich einen genauen Trainingsplan zu erstellen und sich mit modernen Trainingswegen auszukennen.
“SCHUTZHUNDESPORT”, WAS IST DAS?
„Schutzhundesport“, auch genannt SchH-Sport, VPG-Sport oder angelehnt an die Internationale Prüfungsordnung (=IPO) IPO-Sport, ist eine Hundesportart.
„Schutzhundesportler“ sind diejenigen, die Schutzhundeprüfungen ablegen. Genau genommen ist „Schutzhundesport“ ein veralteter Begriff, zumindest in Deutschland. Im Jahr 2003 wurde eine neue Bezeichnung beschlossen: „Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde“ (=VPG). Da dieser Beschluss wohl eher auf eine positive „Außendarstellung“ abzielte, wird in manchen Ländern oder Verbänden immer noch von „Schutzhundesport“ (=SchH) gesprochen. Zur Vereinfachung wird nun im weiteren Text der Begriff VPG verwendet.
Auch in der neuen VPG wird die Abteilung C noch als Schutzdienst bezeichnet. Hunde im Polizeidienst werden gemeinhin ebenfalls als „Schutzhunde” bezeichnet. „Diensthund“ wäre jedoch zutreffender, denn diese Hunde legen eine Diensthundeprüfung ab, die ähnliche, aber im Detail anders aufgebaute Prüfungselemente beinhaltet.
KANN DAS MEIN DACKEL AUCH?
Die Ausbildung sowie die anschließenden Prüfungen können prinzipiell Hunde aller Rassen und Mischlinge absolvieren (mancherorts gibt es Einschränkungen für sog. „Listenhunde“). Voraussetzung ist lediglich, dass der Hund das jeweils erforderliche Mindestalter hat und körperlich in der Lage ist, die Anforderungen der VPG zu erfüllen. Da bisher keine eindeutigen körperlichen Kriterien zur Ablegung der Prüfung vorgeschrieben wurden, kann jeder Hund, der den Helfer im Schutzdienst am Platz bannen kann, teilnehmen und muss bewertet werden.
Ganz überwiegend werden jedoch die vom VDH definierten „Gebrauchshunderassen“ geführt: Airedale Terrier, Bouvier, Boxer, Dobermann-Pinscher, Hovawart, Malinois, Riesenschnauzer, Rottweiler, Deutscher Schäferhund.
- Gebrauchshunde heute
- Wenn heute von Gebrauchshunden gesprochen wird, meint man keine bestimmte Rasse, sondern Hunde, die im Dienste des Menschen stehen. Dies sind – unter anderem – Jagdhunde, Schlittenhunde, Wachhunde, Hütehunde, Herdenschutzhunde Blindenführhunde und andere Assistenzhunde, Hunde für den Katastropheneinsatz, Diensthunde im Polizeidienst und Rettungshunde.
Lohmann (2003) schreibt: „Der Gebrauchshund besitzt die erforderlichen Voraussetzungen zur jeweiligen Ausbildung. Diese müssen nicht zwingend ausgeschöpft werden. Bei einer Funktion als reiner Gesellschafts- und Begleithund muss ihm neben der notwendigen Erziehung Gelegenheit gegeben werden, sich ausreichend auszuleben. Der Gebrauchshund ist ein leistungsfähiger Arbeitshund. Er kann (…) vom Menschen für verschiedene Aufgaben ausgebildet und genutzt werden. Der Gebrauchshund ist ein Wert an sich. Ihn und seine genetischen Ressourcen zu erhalten, gehört zur Pflege des Kulturgutes.“
WAS UNTERSCHEIDET DIE GEBRAUCHSHUNDERASSEN?
Vor dem Ankauf werden Gebrauchshunde überprüft und nach Temperament, Bereitschaft zur Mitarbeit, Belastbarkeit, Gesundheit und Wesen selektiert. Aber Achtung: Selbst Hunde derselben Rasse unterscheiden sich unter Umständen enorm. Vor allem, wenn der eine Teil überwiegend nach Gebrauchshundeeigenschaften selektiert wurde (Interieur) und der andere eher nach Ausstellungskriterien (Exterieur).
An dieser Stelle beginnt die Unterscheidung zwischen Showlinien und Leistungslinien. Showlinien werden überwiegend, wie es der Name sagt, über Ausstellungen, eher nach äußeren Merkmalen und Ausstellungstauglichkeit selektiert. Eine VPG spielt dabei oft keine große Rolle. Seriöse Züchter von Leistungslinien achten dagegen betont auf die oben genannten Gebrauchshundeeigenschaften (Anlagen). Meist wird nur mit Hunden gezüchtet, die gute Prüfungen abgelegt haben; dabei gibt es auch hier durchaus graduelle Unterschiede in der Wertigkeit gewünschter Anlagen für die Zuchtselektion. Alte Hundesportler nennen solche Anlagen “Triebe” und “Nervenkostüm”. Verhaltensexperten verwenden Begriffe wie Beutefangverhalten, Aggressionsverhalten oder Konfliktlösungsstrategien (Fight, Flight, Freeze, Flirt ). Für Interessente gilt : Bei der Auswahl eines Züchters bzw. Hundes sollten die Anlagen der Elterntiere genauer betrachtet werden..
Wie alles begann…
Mit dem Beginn der Hundeausstellungen im 19. Jahrhundert begann bei allen Rassen die vermehrte Selektion nach äußeren Merkmalen. Die Auswirkungen dieses Selektionsschwerpunktes sind heute in einigen Rassen nachteilig sichtbar geworden. Leider sind auch heute bei vielen Rassen die äußeren Merkmale, wie sie in den Rassenstandards definiert sind, das überwiegende Kriterium bei der Auswahl der Zuchtpartner.
In der Gebrauchshundezucht war zunächst die Leistungsüberprüfung wichtig, denn die Tiere wurden noch in ihrer ursprünglichen Rasseveranlagung genutzt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Prinzip der Arbeits- und Leistungsprüfungen eingeführt, denn man erkannte, wie stark die besonderen Leistungen innerhalb einer Rasse schwanken konnten. Da es noch keine genauen Erkenntnisse im Bereich der Genetik gab und auch die medizinische Technik (Röntgen, CT …) noch nicht wie heute zur Verfügung stand, wurden zur Verhinderung von Erbkrankheiten (z. B. Hüftgelenksdysplasie) auch Aufgaben zur Überprüfung der Gesundheit eingeführt. Die Prüfungen beinhalteten also Aufgaben, die nur gesunde Hunde bewältigen konnten (z. B. Sprung über eine Steilwand), aber auch solche, die auf die Überprüfung bestimmter, rassetypischer Gebrauchseigenschaften abzielten. Beispiele hierfür sind u. a. die Brauchbarkeitsprüfung für Jagdhunde, die Leistungsprüfung für Koppelgebrauchshunde oder eben die VPG-Prüfung. Aus dieser Bewegung heraus entwickelten sich alle anderen heutigen Hundesportarten.
Nicht nur „Fass Hasso!“
Bei den heutigen VPG-Gebrauchshunden umfasst die Zuchttauglichkeitsprüfung mehrere Kriterien: Zum einen die Bewertung des Rassetypischen Aussehens auf einer Ausstellung und die Beurteilung der Gesundheit, und zum anderen die Tauglichkeitsprüfungen – z. B. beim Deutschen Schäferhund eine bestandene Prüfung als verkehrssicherer Begleithund, eine VPG / IPO I, eine Ausdauerprüfung für die Zulassung zur Teilnahme an der Zuchttauglichkeitsprüfung (Körung) und letztlich die Körung selbst.
Prüfung bestanden? Das ist ja das Mindeste!
Der simple Nachweis dieser Mindestanforderungen reicht heutzutage jedoch vielen Züchtern als Zuchtauswahlkriterium nicht mehr aus. Die VPG-Prüfung als Wettkampfsituation dient als Unterstützung bei der Zuchtselektion. Aber Prüfungen stellen nur die Tagesform dar. Gewissenhafte Züchter schauen sich die Zuchttiere im Training über einen längeren Zeitraum an. Somit ist auch das Trainingsverhalten des Hundes auf dem Weg zu einer VPG-Prüfung im Fokus. Gerade im Training zeigt sich, wie der Hund Entscheidungen trifft und sich entwickelt. Gute Züchter beziehen außerdem Vorfahren und Geschwister und deren langfristige Erfolge, Gesundheits- und Leistungsbeurteilungen mit ein.
Wie ist eine Prüfung aufgebaut?
Der VPG-Sport ähnelt einem Triathlon für den Hund.
Die VPG-Prüfung (nach der IPO = Internationale Prüfungsordnung) gliedert sich in drei Leistungsstufen (VPG 1-3), die jeweils in drei Abteilungen (A, B, C) absolviert werden. Diese sind Fährtenarbeit (Abteilung A), Unterordnung (Abteilung B) und Schutzdienst (Abteilung C). Um die Prüfung zu bestehen, muss in allen Abteilungen eine Mindestpunktzahl erreicht werden. Vorbedingung zur Teilnahme an einer VPG 1-Prüfung sind die bestandene Begleithundeprüfung und das Mindestalter. Vergleichswettkämpfe werden in aller Regel in der höchsten Stufe (VPG 3) abgehalten.
Abteilung A: Fährtensuchen mit genauem Absuchen der einzelnen Trittsiegel und Anzeigen der Gegenstände, die der Fährtenleger „verloren“ hat. Das Abweichen von der Fährte, auch schon einen Schritt, ist fehlerhaft.
Abteilung B: Unterordnung mit allgemeinem Gehorsam, also Fußgehen und verschiedene Übungen wie Sitz, Platz und Steh. Zusätzlich wird Apportieren ebenerdig und über Sprünge geprüft, des Weiteren ca. 15 Minuten Abliegen, Vorausschicken und Distanzkontrolle.
Abteilung C: Schutzdienst genannt. Hier soll der Hund auf Anweisung in aufgestellten Zelten nach einem „Scheintäter“ suchen. Hat er ihn gefunden, soll er dies anzeigen, indem er ihn stellt und verbellt. Sobald der Besitzer herantritt soll er auf Hörzeichen das Verbellen abbrechen und nach Anweisungen seines Besitzers arbeiten. Nun werden verschiedene Situationen gestellt. Einmal versucht der Scheintäter wegzurennen. Das muss der Hund verhindern. Einmal greift der Scheintäter den Besitzer an, auch hier soll der Hund aufpassen und sich auf das Kommando seines Besitzers einbringen. Immer wieder wird ein „Transport zur Polizei“ simuliert. Das bedeutet, der Hund soll direkt neben dem Scheintäter gehen und ihn bewachen. Er darf ihn aber nicht belästigen.
SCHUTZHUNDESPORT ALS AUSLASTUNG?
Überwiegend wird die Ausbildung als eine Art „Beutespiel“ gestaltet. Der Scheintäter trägt einen Schutzarm, um den er mit dem Hund kämpft. Der Schutzdienst ist nicht zum „Scharfmachen” des Hundes gedacht. Ziel einer seriösen Ausbildung ist immer der Angriff in den Schutzarm. Die übrige Schutzkleidung des Scheintäters dient lediglich dem Schutz vor Kratzern durch den Hund. Während des Trainings darf der Hund alle seine Sinne benützen. Natürlich kann man mit seinem Hund auch anderen Beschäftigungen nachgehen. Trotzdem, wenn man Schutzhundesport richtig anfängt, macht er Spaß – auf beiden Seiten der Leine. Wer modernes Schutzhundetraining absolviert, muss sich intensiv mit seinem Hund auseinandersetzen und viel Zeit für das Training aller Prüfungselemente aufwenden. Die moderne Ausbildung und wissenschaftliche Erkenntnisse über Lernverhalten sind elementar.
Schützt mich mein Schutzhund?
Da das erlernte Verhalten vom Hund nur umgesetzt wird, wenn der Schutzarm als Zielobjekt vorhanden ist, kann das Training nicht auf reale Gefahrensituationen übertragen werden. Beim Training ist es sogar so, dass der Hund das Beuteziel (Beißkissen) wegtragen darf, wenn er das erwünschte Verhalten gezeigt hat. Das bedeutet: Ist die Beute erst mal gesichert, verliert der Scheintäter für den Hund jeden Reiz.
Kulturgut oder überflüssig?
Eines sollte jedem Kritiker klar sein: Hundeplätze gibt es nur, weil Prüfungen eingeführt wurden. Wenn man es genau nimmt, gibt es alle modernen anderen Prüfungen nur, weil der eine oder andere Schutzhundesportler mit seinem Hund auch (oder nur ) anderen hundesportlichen Aktivitäten nachgehen wollte.
Schutzhunde, wer braucht die noch?
Niemand! Der Sinn einer Schutzhundeprüfung ist nicht offensichtlich. Warum sollte man einem Hund „solche Dinge“ beibringen? Brauchen wir auch heutzutage (wieder) „lebende Alarmanlagen“? Wir haben ja genug Technik! Kritisch könnte man auch fragen, wofür man dann noch Hütehunde und deren Trials braucht? Oder warum noch Herdenschutzhunde? Wir haben doch Zäune und viele Schäfer haben schon auf Koppelhaltung umgestellt. Warum so viele Jagdhunde? Man beginnt ja eh das Wild in Gattern zu halten, und wenn man doch mal nachsuchen muss, könnte man das Wild eigentlich auch per Satellit orten. Wofür noch Schoßhunde? Es gibt doch mittlerweile Heizdecken. Warum Rettungshunde? Wir haben heute Chips in der Skijacke. Bald brauchen wir auch keine Familienhunde mehr, für soziale Kontakte gibt es ja Facebook…
Akzeptanz in der Gesellschaft sinkt.
Oft wird der Schutzhundesport in den Köpfen von Hundebesitzern – negativ – mit tierschutzwidriger Ausbildung verbunden. Dabei hat das nicht zwingend etwas mit dieser Hundesportart zu tun. Veraltete Ausbildungsmethoden findet man hinter jeder Haustüre, und das hat wenig mit einer bestimmten Sportart zu tun. Lange schon halten moderne Techniken Einzug in das VPG-Training. Aber Veränderungen geschehen auch hier nur, wenn sich immer wieder moderne Trainer mit VPG-Sport befassen, sich weiterbilden und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in ein modernes, artgerechtes, zielführendes Training umsetzen.
Ich persönlich denke, der Schutzhundesport und alle anderen Beschäftigungsarten innerhalb des Rasseursprungs haben Tradition und sind erhaltenswert. Ich mag den „Vintagestyle“, der versucht ursprüngliche Rasseeigenschaften zu fördern. Bei einem Hütehund das Hüten, bei einem Jagdhund das Jagen, bei einem Trüffelhund das Trüffelsuchen und eben auch bei einem Gebrauchs-/Schutzhund der Schutzhundesport. Mir ist klar, dass vielerorts eine Revolution der alten Ausbildungsmethoden nötig ist. Aber das rechtfertigt nicht das Verurteilen der Sportart. Klar ist für mich auch: Nicht jeder Hund (oder Mensch) eignet sich für den VPG-Sport. Ein guter Trainer sollte erkennen, wo Fähigkeiten und Grenzen eines Teams liegen, und sie neutral in der weiteren Entwicklung beraten.
HINWEIS
Es ist uns wichtig darauf hinzuweisen, dass in Abteilung C Trainingsfehler mit gravierenden Auswirkungen gemacht werden können. Der Hund kann das Beißen in menschliche Körperteile oder die Unterschreitung der Individualdistanz verallgemeinern und im Alltag einsetzen. Hier wünschen wir uns einen verantwortungsvollen Umgang mit diesem Sport, einen sorgfältigen Trainingsaufbau über positive Verstärkung und eine gründliche Überprüfung, ob der Hund geeignet ist.