Die Top 10 Mythen, Mären und Seifenblasen rund um den Hund
Spätestens seit der Recherche zu meinem Seminar “Die Ernährung des Hundes – vorbei mit der Märchenstunde!” wurde mir klar, dass man mit so manchem Mythos aufräumen muss – zugunsten unserer geliebten Hunde!
Sie als Leser:in des Easy Dogs-Blogs haben es verdient, Wahrheiten zu lesen! Deshalb nehmen wir uns mal zehn Mythen, Mären und Seifenblasen vor:
1. HUNDE HABEN KEINE SCHWEIßDRÜSEN – NUR ZWISCHEN DEN PFOTEN SCHWITZEN SIE.
Allerdings funktioniert die Kühlung beim Hund anders als bei uns: Während wir durch Verdunstungskälte (also Schwitzen) am ganzen Körper die Temperatur regulieren, hat der Hund verschiedene Möglichkeiten zur Wärmeregulation, aber durch Verdunstungskälte eben nur auf dem Nasenspiegel und leicht interdigital (zwischen den Zehen, was aber mehr der Rutschfestigkeit denn der Wärmeregulation dient). Die bessere Durchblutung der Haut führt zu erhöhter Wärmeabgabe; Kühlung kann durch Liegen im Schatten, auf Fliesenböden etc. erfolgen. Das Hecheln kühlt hingegen nicht den gesamten Hund; die daraus entstehende Verdunstungskälte senkt die Temperatur im sogenannten Wundernetz (Rete mirabile), einem großflächigen Adernetz in den Nasen- und Mundschleimhäuten, dessen Oberfläche größer ist als die gesamte Hautoberfläche des Hundes. Die Kühlung über das Wundernetz sorgt dafür, dass das hitzeempfindliche Gehirn um bis zu drei Grad kühler ist als der restliche Körper. Ein Vorteil dieser Kühlung liegt darin, dass der Wasserverlust geringer ist als beim Schwitzen, und dass vor allem keine Mengen- und Spurenelemente (Elektrolyte) verloren gehen.
2. HUNDE LEBEN NUR IM HIER UND JETZT – EINE ZEITLICHE ZUORDNUNG IST IHNEN NICHT MÖGLICH.
Ja – unsere Hunde genießen den Augenblick, was aber nicht heißt, dass sie keine Erwartungshaltung oder Erinnerung kennen. Das ist eher eine Frage der Definition von Zeitverhalten als die effektive Zuordnung einer in der Zukunft liegenden Uhrzeit. Wir brauchen uns nur vorzustellen, dass wir ohne Uhr auf einer einsamen Insel stranden. Bald wird für uns nur noch wichtig sein, wann die Sonne auf- bzw. untergeht und welche Tätigkeiten davon abhängig sind. Die Feststellung “Morgen früh um sieben werde ich frühstücken” wandelt sich zu “Wenn die Sonne aufgeht, gibt es was zu essen”.
3. HUNDE KÖNNEN GESCHMACK NICHT RICHTIG WAHRNEHMEN.
Oft liest man, dass der Geschmack seines Futters für den Hund keine so große Rolle spielen würde, da er im Vergleich zum Menschen nur etwa 20% der Geschmackspapillen auf der Zunge habe. So einfach machen wir uns das aber nicht. Erstens nimmt der Hund den Geruch und damit den zu erwartenden Geschmack über die Nase auf, und zweitens ist die Qualität der Geschmackspapillen (und der darin sitzenden Geschmacksknospen) an den verschiedenen Stellen auf der Zunge entscheidender als die Quantität! Der Mensch hat ca. 9.000 Geschmackspapillen auf der Zunge, der Hund etwa 1.700. Allerdings haben Hunde bis zu 30.000 Geschmacksknospen, während sich bei uns keineswegs in jeder Papille eine Geschmacksknospe versteckt, was bedeutet, dass wir nur etwa 5.000 Geschmacksknospen haben!
Damit wird deutlich, dass Hunde sehr wohl Geschmacksunterschiede kennen und ihre Präferenzen haben.
Dies alleine sollte Grund genug sein, sich von der überholten und niemals bewiesenen Anschauung zu verabschieden, Hunden könne man ruhig jeden Tag dasselbe Futter geben, denn sie würden den Unterschied sowieso nicht kennen!
4. LECKERLIES SIND BESTECHUNG – MEIN HUND SOLL AUS LIEBE ZU MIR ARBEITEN!
Ja, es gibt diesen Unsinn noch in den Köpfen vermeintlicher Hundefreunde und -flüsterer!
Leckerlies sind Belohnungen, sprich Bezahlung für lohnenswertes Verhalten!
Und diese Bezahlung ist zu leisten, auch wenn die dafür geleistete Arbeit Routine ist! Wer das nicht kapiert, der sollte zu seinem Chef gehen und ihm folgende Worte sagen: “Lieber Chef, ich danke Ihnen, dass ich für Sie arbeiten darf. Und – ich mag Sie so sehr, dass ich in Zukunft meine Arbeit, mindestens aber meine Routinearbeiten, für Sie ganz umsonst machen werde!” Schauen wir mal, ob wir demnächst davon in der Zeitung lesen…
5. WIR SIND GANZ BESONDERS HUNDEFREUNDLICH, WENN WIR ALLES VERNIEDLICHEN! HABEN SIE ES SCHON GEHÖRT?
Die Besis legen jetzt vielen Wuffis Maulis an, damit die Fellnasen entspannter miteinander umgehen können.
Muss es immer diese halbherzige Verballhornung von Wörtern sein, um zu zeigen, dass man zur “Szene” gehört?
Ich finde nein, es hört sich einfach unmöglich an.
Bleiben Sie – auch in den sozialen Netzwerken – normal, und sagen Sie einfach: “Die Besitzer legen jetzt vielen Hunden Maulkörbe an, damit diese entspannter miteinander umgehen können.”
6. DER HUND IST EIN FLEISCHFRESSER – DESHALB IST AUCH FLEISCH DIE EINZIG RICHTIGE ERNÄHRUNG!
Ganz so ist das nicht. Hunde sind Prädatoren – früher sagte man “Raubtiere”, die wohl richtigere Bezeichnung ist “Beutegreifer”. Und Beutegreifer leben von ihrer Beute, inklusive Magen- und teilweise Darminhalte und somit nicht von reinem Fleisch. Abgesehen davon holen sich viele Prädatoren immer wieder hochwertige vegetarische Nahrung wie Beeren und Kräuter. Fleisch alleine ist somit keine vollwertige und artgerechte Ernährung für den Hund.
7. TROCKENFUTTER IST GANZ WICHTIG, DENN ES PUTZT DIE ZÄHNE DES HUNDES!
Nein. Nein. Und nochmal NEIN!
Hunde sind als Beutegreifer (siehe Punkt 6) Schlinger, im Gegensatz zu ihrer Beute, die in der Regel Grünfutter vertilgt und dieses kauen muss. Und entweder weichen wir den Hunden das Trockenfutter ein oder sie schlingen es einfach so – vielleicht mit einem kurzen Zerbeißen der Kroketten mit den Reißzähnen (das sind die “Gebirge” ziemlich weit hinten, die vorderen Eckzähne nennt man Fangzähne). Von Putzen kann hier keine Rede sein. Beim besten Willen nicht.
8. ES IST WICHTIG UND ARTGERECHT, EINEN HUND EINEN TAG IN DER WOCHE FASTEN ZU LASSEN!
Ja, logisch – und den Opa auch…
Dafür gibt es nun wirklich keinen Grund!
Weder wirkt dieses Fasten darmreinigend (das ist Quatsch bei einer Verweildauer der Nahrung im Dünndarm von 18 – 24 Stunden), noch “fressen Wölfe auch nicht jeden Tag” (Haushunde vertilgen auch keine 15 Kilo Fleisch bei einer Mahlzeit).
Hunde haben sich in den tausenden von Jahren, die sie nun bei uns leben, an eine regelmäßige Fütterung gewöhnt – und was bitte soll daran schlecht sein?
Lassen Sie Ihren Hund nicht hungern – egal, welcher “Profi” Ihnen das vorschlägt. Und merken Sie sich eines ganz fest: Hunde sind keine Wölfe!
9. KNOBLAUCH HILFT GEGEN ZECKEN UND WÜRMER
Ja, und auch gegen Vampire!
1. Der pH-Wert im Magen eines gesunden Hundes liegt bei 1. Das entspricht dem Wert eines Phosphorsäure-haltigen WC-Reinigers. Bitte nicht den Finger hineinhalten! Trotzdem halten es einige Arten von Würmern in dieser Umgebung aus. Jetzt geben wir etwas Knoblauch in die Nahrung und die Würmchen verlassen sofort die magensäurehaltige Umgebung…
Knoblauch und Zwiebeln enthalten Disulfide (N-Propyldisulfid und Allyl-Propyl-Disulfid), die die äußere Hülle der roten Blutkörperchen des Hundes überwinden und das darin enthaltene Hämoglobin, den roten Blutfarbstoff, zerstört. Schon geringe Mengen reichen aus, um eine Blutarmut zu entwickeln.
Lassen Sie sich nicht von Internet-Berichten à la “Mein Hund hat es gefressen und lebt immer noch!” durcheinanderbringen. Es gibt keine exakte Mengenfestlegung, ab wann die Anämie einsetzt. Meine Frage dazu ist: “Muss ich meinem Hund das antun?”
2. Zecken haben kein Geruchsorgan! Da kann der ganze Hund nach Knoblauch stinken – sie merken es nicht. Wohl können Zecken mit dem Hallerschen Organ zur Wirtsfindung bestimmte chemische Verbindungen erkennen, aber abhalten lassen sie sich von Knoblauchgeruch nicht – zumal man dem Hund so viel verabreichen müsste, dass es anämische Relevanz bekäme. Und trotzdem beißt die Zecke erst einmal und das wäre ja zu vermeiden.
10. DER HUND FRISST GRAS, UM BESSER VERDAUEN ZU KÖNNEN!
Oft höre ich auf meine Frage, warum Hunde wohl Gras fressen, folgende Antworten:
“Weil es Enzyme enthält, die ihm helfen, die Nahrung aufzuschließen.”
“Weil er erbrechen will.”
“Weil es Gewitter geben wird.”
“Weil es schmeckt.”
Ich persönlich favorisiere die letzte Antwort, weil in jedem Frühling meine Nicky an das Ufer der Altmühl geht, die frischen grünen Grashalme sieht, die Augen verdreht und genussvoll das Gras verspeist.
Ich sage auch: Alle Antworten sind richtig! Ja, wie das denn?
Hier ist die Lösung: Es gibt bis heute keinerlei – und ich betone das, keinerlei – wissenschaftliche Erkenntnisse oder Studien darüber, warum Hunde Gras fressen. Und bis es soweit ist, haben wohl alle mit ihren Vermutungen recht!
Ich wünsche Ihnen, liebe Leser:innen, dass Sie sich nun nicht mehr auf´s Glatteis führen lassen, wenn Ihnen wieder mal ein Mythos über den Weg läuft.
Machen Sie doch folgendes: Wenn Sie eine Geschichte haben, hinter der Sie eine “Seifenblase” vermuten, dann schicken Sie sie uns zu und wir werden demnächst zu den von Ihnen eingesandten Mythen die Auflösung veröffentlichen!
(Beitrag aktualisiert: Juni 2022)