Angst beim Hund: woran man sie erkennt und sie uns im Training so oft fordert
WARUM ANGST UNS IM HUNDETRAINING SO OFT FORDERT
Mein Hund Paco hat Angst. Mittlerweile sagen viele, dass er doch nur etwas unsicher sei. Wo ist da der Unterschied und muss das überhaupt unterschieden werden? Welche Rolle spielt Angst und warum haben so viele Hunde im Alltag mit ihr zu kämpfen?
Umgangssprachlich spricht man von Angst, wenn der Hund sich generell im Alltag unsicher zeigt und auch wenn er ganz konkret Angst vor etwas Bestimmten hat.
Dennoch gibt es klare Definitionen, die im Austausch mit anderen Haltern und dem Trainer hilfreich sein können.
Furcht, Angst und Phobie
Ich benutze diese Begriffe, wie ich sie bei Dr. Ute Blaschke-Berthold gelernt habe. Dennoch muss ich Ihnen sagen, dass mir diese Begriffe im Umgang mit meinem eigenen ängstlichen Hund nicht wichtig sind, denn meinen Umgang mit meinem Hund mache ich nicht an diesen Begriffen fest.
Um Missverständnisse in Unterhaltungen zu vermeiden, sollten Sie aber wissen, was diese Begriffe bedeuten – und Sie sollten Ihr Gegenüber immer kurz fragen, was er darunter versteht.
Scheu
Die Scheu oder Furchtsamkeit ist ein Persönlichkeitsmerkmal von Hunden. Diese Hunde haben eine angeborene Zurückhaltung gegenüber neuen und fremden Dingen, was unbekannte Menschen und Artgenossen miteinschließt. Auch wenn Hunde keine Menschen sind, hilft es Ihnen bestimmt sich schüchterne Menschen vorzustellen.
Konkrete Angst
Die konkrete Angst oder Furcht bezieht sich auf Angst vor einem konkreten Auslöser in der Umwelt. Sie beginnt, wenn der Auslöser wahrgenommen wird und sie endet, wenn der Auslöser wieder verschwindet. Wie stark die Angstreaktion des Hundes ausfällt, hängt von der Schwere des Auslösers ab.
Ängstlichkeit
Bei der Ängstlichkeit oder auch nur Angst ist kein konkreter Auslöser vorhanden, aber der Hund empfindet die Emotion Angst, weil er erwartet, dass ein Auslöser auftreten könnte. Beim Menschen spricht man bei Angst von diffusen Gefühlen, die sich nicht durch Angstauslöser erklären lassen. Und ja, mit unseren Hunden können wir nicht über ihre Gefühle sprechen und es ist sehr schwer für uns Menschen einzuschätzen, ob ein Auslöser da ist.
Hat mein Hund Angst vor der Dunkelheit oder erwartet er, dass es im Dunkeln plötzlich knallt? Das ist schwer zu beantworten. Und da unsere Sinneswahrnehmung anders ist als die von Hunden können wir stellenweise nur schwer einschätzen, ob der Hund nicht doch auf einen konkreten Angstauslöser reagiert. Die Geruchswelt, in der unsere Hunde leben, ist uns Menschen einfach zu fremd. Deswegen gehören diese Unterscheidungen mehr in die theoretische Diskussion, als in die praktische Arbeit mit dem Hund.
Phobie
Der Begriff Phobie stammt aus der Humanpsychologie. Dabei reagiert der Hund unverhältnismäßig stark auf einen Angstauslöser. Außerdem erholt sich der Hund nur sehr langsam von seiner Angstreaktion. Die Reaktion des Hundes sieht für uns Menschen so aus als würde es für den Hund um Leben und Tod gehen.
Die Arbeit an Phobien ist möglich, aber braucht viel mehr Zeit und auch die Unterstützung eines guten verhaltensmedizinisch arbeitenden Tierarztes, der mit dem Hundetrainer zusammen arbeitet.
Wenn ich in diesem Artikel das Wort Angst benutze, verwende ich immer die umgangssprachlich Bedeutung von Angst.
Angst ist eine Emotion
Angst (FEAR) gehört zu den ältesten Emotionen. Sie verhindert zu viel Neugier und schützt das Lebewesen so vor Gefahren.
Ohne diese Emotion hätten sich die verschiedensten Tierarten – und auch wir Menschen – in der Evolution nicht entwickeln können. Angst ist also gesund und vollkommen normal. Sie wird für den Hund – und auch für uns Menschen – nur zum Problem, wenn sie überhandnimmt und der Hund in seinem Alltag zu oft Angstauslösern ausgesetzt ist. Und es spielt eine Rolle, ob der Hund eine Strategie hat, wie er Angst bewältigen kann oder ob er sich ihr hilflos ausgesetzt fühlt. An diesem Punkt können Sie als Hundehalter Ihren Hund immer unterstützen durch Management und ein gezieltes Training. Wie Sie Ihrem Hund helfen können, erfahren Sie in den letzten beiden Teilen dieser Artikelserie.
Gibt es angeborene Angstauslöser?
Angst ist ein genetisches Programm und die Forschung geht davon aus, dass Angst angeboren ist. Es gibt Dinge, vor denen müssen Säugetiere nicht erst lernen, Angst zu haben. Bei Laborratten hat man festgestellt, dass diese mit Angst auf den Geruch von Katzen reagieren, auch wenn sie und ihre Vorfahren noch nie in Kontakt mit einer Katze gekommen sind. Dieses angeborene “Wissen”, was den Ratten natürlich nicht bewusst ist, hilft zu überleben. Wenn eine Ratte erst einmal vor einer Katze flüchten müsste, um zu wissen, dass sie sich vor diesem Geruch in Acht nehmen sollte, wäre es wohl in den meisten Fällen zu spät – für die Ratte.
Auch beim Hund existieren angeborene Angstauslöser, die auch ohne jede Vorerfahrung vom Hund mit Bedrohung verbunden werden.
- Schmerzen
- starke Reize
- plötzlich auftretende Reize
- fremde und ungewohnte Reize
- schnelle Bewegungen auf den Hund zu
Moment, jetzt denken Sie vielleicht, dass das gar nicht alles auf Ihren Hund zutrifft. Und Sie haben Recht, denn wie stark und schnell ein Hund auf diese angeborenen Angstauslöser reagiert, hängt von seiner individuellen Sensibilität ab.
Die individuelle Sensibilität ist angeboren und kann auch im Laufe des Hundelebens verändert werden.
Faktoren, die die individuelle Sensibilität Ihres Hundes beeinflussen sind
- die Haltungsbedingungen der Mutterhündin während der Trächtigkeit
- sehr frühe Erfahrungen des Hundes bis zu 16. Lebenswoche
- und Ereignisse, das ganze Hundeleben lang
Was genau bei einem Hund angeboren und was durch Umweltfaktoren verändert wurde, ist kaum einschätzbar. Außerdem können wir darauf im Nachhinein keinen Einfluss mehr nehmen. Wir können nur die aktuelle Situation und unser aktuelles Training verbessern. Und Sie sollten sich bewusst sein, dass Ihr Hund immer Ängste im Laufe des Lebens entwickeln kann.
Wichtig ist, dass das Gehirn Ihres Hundes entscheidet, wann und wovor er Angst hat. Ihr Hund hat daran keinen Spaß und er macht das auch nicht mit Absicht, denn wenn er könnte, würde er Angstauslöser lieber vermeiden. Auch wenn Sie die Reaktion des Hundes übertrieben finden und nicht verstehen können, Angst entsteht im Gehirn Ihres Hundes und die kann er nicht einfach abstellen.
Wie Angst im Gehirn entsteht
Wenn ein Hund etwas wahrnimmt, folgen zwei Bewertungen im Gehirn, die dann eine bewusste Reaktion hervorrufen.
Hört der Hund einen Knall wird dieser Reiz sofort in der Amygdala, welche einTeil des limbischen Systems ist, unbewusst bewertet und es folgt eine vom Hund nicht bewusst ausgeführte Schreckreaktion. Der Hund kann auf diese erste, sehr ungenaue Bewertung der Amygdala keinen Einfluss nehmen.
Nach der ersten Bewertung folgt eine zweite Bewertung, dabei wird der wahrgenommene Reiz vom Gehirn des Hundes emotional bewertet und entweder wird die unbewusste Reaktion des Hundes gestoppt oder bestätigt. Dann wird Angst als Emotion wahrgenommen. Darauf folgt eine bewusste Reaktion des Hundes. Bei Angst zum Beispiel weglaufen oder sich verstecken.
Die Amygdala des Hundes dient der Gefahrenabwehr und untersucht ständig die wahrgenommene Umwelt auf potentielle Gefahren. Außerdem steuert die Amygdala Emotionen und ist für das emotionale Lernen verantwortlich.
Bei der schnellen Gefahrenabwehr ist die Amygdala sehr ungenau. Sie sucht nach groben Mustern und deshalb kann es sein, dass sich Ihr Hund plötzlich vor dem Knallen eines Mülltonnendeckels erschreckt und Millisekunden später von allein feststellt, dass alles okay ist, weil es ja nur die Mülltonne war.
Ich kenne das auch von mir selbst. Wenn ich im Wald mit meinen Hunden unterwegs bin, zögere ich und merke, wie ich plötzlich stärker ausatme. Ich muss vorher kurz den Atem angehalten haben, ohne es zu bemerken. Dabei schaue ich einen Stein an und sage mir dann selbst: “Ach, das ist gar kein Wildschwein, sondern nur ein Stein.”. Meinen Atem halte ich nicht bewusst an – ich bemerke erst kurz danach, dass ich meinen Atem angehalten habe. Nachdem meine Amydala registriert hat, dass keine Gefahr droht, bin ich in der Lage den Stein ganz bewusst als Stein zu erkennen und den Spaziergang normal fortzusetzen.
Die Ungenauigkeit des Mandelkerns können Sie auch oft an Hunden beobachten. Von vielen HundehalterInnen habe ich schon gehört, dass ihr Hunde große Koffer oder Taschen mit anderen Hunden verwechselt und erst nach einem kurzen Moment merkt, dass es sich gar nicht um einen Hund handelt. An dieser Reaktion ist die ungenaue Amygdala schuld und der Hund kann sie nicht bewusst steuern.
Diese erste, unbewusste Schreckreaktion können Sie nicht verändern. Sie wird immer beim Hund da bleiben, auch wenn diese Reaktion für Sie gar nicht sichtbar abläuft. Denn wir HundehalterInnen sehen immer nur die äußere Hülle des Hundes und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Ihr Hund kann aber durch gute Erfahrungen lernen ruhig zu bleiben, so dass die zweite Bewertung die erste Reaktion stoppen und der Hund sich bewusst für Stehen bleiben statt Flüchten entscheiden kann.Das Gehirn Ihres Hundes bereitet den Körper dann auf eine schnelle Reaktion vor und es folgt die Ausschüttung von Hormonen, wie Kortisol (Stresshormon) und Adrenalin. Diese Hormone werden erst nach und nach im Hundekörper wieder abgebaut. Ist das Gehirn einmal in Alarmbereitschaft, kann Angst natürlich schneller und leichter beim Hund ausgelöst werden. Ist Ihr Hund gerade krank und hat deshalb Stress oder Sie ziehen gerade um und Ihrem Hund fällt das nicht so leicht, ist die Gefahr, dass eigentlich harmlose Dinge plötzlich Angst bei Ihrem Hund auslösen größer. Auch bei Hunden in der Jugendentwicklung ist durch die Umstrukturierung und den dauerhaft erhöhten Kortisol-Spiegel die Empfindlichkeit gegenüber potentiellen Angstauslösern viel höher.
Angst zieht Kreise und wird schnell gelernt
Schlechte Erfahrungen werden sehr schnell und leider auch sehr gut abgespeichert. Wie lange haben Sie gebraucht, bis sich Ihr Hund sicher auf Signal hinsetzen musste und wie lange dauert es bis ein Hund weiß, in welchem Haus sich seine Tierarztpraxis befindet. Hunde, die Angst vor Tierarztbesuchen haben, lernen sehr zügig, um welches Haus und um welche Straßen sie lieber einen großen Bogen machen sollten. Umso wichtiger ist, dass Sie schlechten Erfahrungen vorbeugen.
Wenn Sie mit einem ängstlichen Hund zusammenleben, werden Sie sicher dasselbe durchmachen wie ich mit Paco. Mein Hund Paco wollte irgendwann nicht mehr in bestimmte Himmelsrichtungen laufen, weil es in diese Richtung zu Spielplätzen ging. Nach Silvester wollte er in der Dunkelheit die Wohnung nicht verlassen und kurze Zeit später wollte er gar nicht mehr die Wohnung verlassen. Es kamen immer mehr Angstauslöser dazu.
Wir HundetrainerInnen sagen immer “Angst zieht Kreise”. Alle neutralen Dinge, die Angstauslöser ankündigen, können sehr schnell für ängstliche Hunde selbst zum Angstauslöser werden. Für Paco bedeutet Dunkelheit = Knaller und ganz unbewusst hat Paco dann Dunkelheit mit Angst verknüpft und irgendwann bedeutet dies alles außerhalb der Wohnung ist gefährlich.
Der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth schreibt, dass Emotionen immer das erste und das letzte Wort bei der Steuerung von Verhalten haben. Das soll keine Ausrede für Hunde und Menschen sein, aber diese Aussage weist uns auf unsere Grenzen hin und wie sorgfältig unser Training geplant und durchgeführt werden muss.
Was zeigt der Hund bei Angst bewusst für ein Verhalten?
Wenn Sie an einen ängstlichen Hund denken, kommen Ihnen sicher sofort Flucht und Meideverhalten in den Sinn. Das Ziel des Hundes ist dabei schnell weiter weg vom Auslöser zu kommen. Der Hund kann aber auch erstarren, sich verteidigen oder anfangen den Kasper zu spielen.
Für welche Strategie sich der Hund bewusst entscheidet, hängt von der Situation, den Lernerfahrungen des Hundes und auch vom Auslöser ab.
Wenn Ihr Hund gelernt hat, dass Rückzug seine Situation nicht verbessert und er nicht vom Angstauslöser wegkommen kann, wird er vielleicht eine andere Strategie ausprobieren. Spätestens wenn der Hund knurrt, gehen die meisten Menschen doch weg und der Hund lernt, dass das Knurren ihm Distanz zum Auslöser verschafft. Wie lange ein Hund braucht um seine Strategien zu wechseln, kann Ihnen niemand im Vorfeld sagen. Bei manchen Hunden geht es sehr schnell, andere brauchen dafür Jahre.
Diese Lernerfahrung können Sie Ihrem Hund ersparen, wenn Sie vorher wahrnehmen, dass er sich entziehen möchte und Sie sich dann ein sinnvolles Training und Management überlegen.
Fazit: Angst ist normal und sie schützt unsere Hunde vor Gefahr. Aber im Training und Umgang mit unseren Hunden hat sie nichts zu suchen.
Sie als Bezugsperson sollten Ihren Hund vor Gefahren schützen und Ihrem Hund Dauerstress ersparen. Wenn Sie durch Ihre Trainingstechnik Angst bei Ihrem Hund auslösen, weil Sie ihn bestrafen, kommt im Nachhinein mehr Arbeit auf Sie zu und eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Hund hat keine Chance.
WORAN SIE ANGST BEI HUNDEN ERKENNEN KÖNNEN
Wichtig für das Zusammenleben mit Ihrem Hund ist, dass Sie die Feinheiten in der Körpersprache erkennen, bevor es zu schwierigen Situationen kommt. Diese helfen Ihnen Entscheidungen zu treffen und zum Beispiel Ihren Hund zu sichern, damit er nicht panisch wegläuft.
Auch im Training setzen wir nicht an, wenn der Hund schon panisch und gestresst ist, sodass er nicht mehr mitarbeiten kann. Und es wichtig, dass Sie erkennen, ab wann Ihr Hund ängstlich reagiert und wann er entspannt ist, um einen Überblick darüber zu haben, wann Sie ihn unterstützen sollten und wann Ihr Hund im Training Fortschritte macht.
Dabei sollten Sie nicht nur die Körpersprache Ihres Hundes betrachten, sondern die gesamte Situation.
Beobachten, beobachten, beobachten
Wenn Sie Hunde beobachten, sollten Sie unbedingt objektiv bleiben. Was leichter gesagt, als getan ist. Sie müssen sich bewusst sein, dass Ihre Wahrnehmung immer bestimmt wird durch Ihre aktuelle Stimmung, Ihre Meinung, Ihre Vorurteile und auch durch Ihre Erfahrungen. Leider gehen uns deshalb oft wichtige Details verloren oder wir interpretieren das Verhalten des Hundes an einem verregneten, anstrengenden Montag anders als an einem sonnigen, freien Samstag.
Auch wenn Sie Ihrem Hund nichts ansehen, kann es sein, dass es im Inneren seines Körpers und seines Gehirns schon arbeitet. Das Ausdrucksverhalten ist die Spitze eines Eisbergs und nur die können wir als Mensch wahrnehmen. Wenn Sie Ihre Fähigkeit Ausdrucksverhalten zu erkennen, trainieren, geht Ihnen weniger verloren – aber ins Innere des Hundes können wir trotzdem niemals schauen.
Anzeichen für einen inneren Konflikt
Wenn sich Ihr Hund in einer Situation befindet, in der er zwei nicht miteinander kombinierbare Verhaltensweisen zeigen will, befindet sich sein Gehirn in einem Konflikt.
Zum Beispiel bietet eine für den Hund sehr unheimliche Person ihm Futter an. Das Futter riecht lecker und der Hund würde es sich gern holen und fressen, aber dazu muss er zu der umheimlichen Person gehen, was er nicht möchte. Gleichzeitig hingehen, um das Fressen abzuholen, und weggehen, um vor der unheimlichen Person Abstand zu nehmen, geht nicht. Das löst im Gehirn des Hundes einen Konflikt aus. Das tut ihrem Hund nicht weh und schadet ihm nicht, aber es fühlt sich nicht gut an, wenn der Hund keine Lösung findet.
Oder Ihr Hund möchte gern weggehen, aber Sie haben ihm gesagt, dass er sitzen bleiben soll und schon hat Ihr Hund einen inneren Konflikt.
Auf einen Konflikt beim Hund können Blinzeln, Aufstellen der Rückenhaare, Gähnen und Züngeln hindeuten. Man geht davon aus, dass Hunde diese Verhaltensreaktionen nicht bewusst steuern können. Wir Menschen können auch nicht bewusst eine Gänsehaut bekommen oder sie bewusst abstellen.
Wichtig ist, dass Sie diese Zeichen im Kontext betrachten und sich überlegen, ob es ein Konfliktsignal sein kann.
Achten Sie dabei unbedingt auf die Anspannung der Muskulatur Ihres Hundes. Umso angespannter der Körper Ihres Hundes ist, umso wahrscheinlicher handelt es sich um ein Konfliktsignal. Um die Anspannung der Muskulatur festzustellen, denken Sie einfach an Ihren Hund, wenn er Zuhause gemütlich auf der Couch liegt und sich entspannt und vergleichen vor Ihrem inneren Auge die Anspannung des Hundes.
Beobachten Sie Ihren Hund in solchen Momenten und entscheiden Sie immer situativ, ob Ihr Hund Unterstützung braucht oder ob alles im grünen Bereich ist.
Einzelne Konfliktsignale mit einer entspannten Körperhaltung sollten Sie nicht überbewerten, aber Sie sollten in der Lage sein, sie wahrzunehmen. Sobald sich Konfliktsignale häufen, sich die Körperspannung Ihres Hundes verändert, Anzeichen für Stress dazu kommen, sollten Sie eine Entscheidung treffen und Ihren Hund unterstützen.
Übersprungverhalten
Übersprungverhalten bei Hunden ist immer eine Antwort auf Stress oder Frustration.
Wenn sich der Konflikt des Hundes nicht löst, kann der Hund ein Übersprungverhalten zeigen.
Das ist ein Verhalten, was außerhalb des Zusammenhangs steht und nicht zur Situation passt.
Bei Hunden kommt Übersprungverhalten aus drei Bereichen:
- Nahrungserwerb
- Körperpflege
- Sexualverhalten
Diese Bereiche werden auch im weitesten Sinn bedient, wenn der Hund bei Stress oder Frust zum Beispiel beginnt Steine zu fressen oder plötzlich stöbern geht im Wald.
Das Gehirn des Hundes produziert eine Verhaltensweise, die nicht falsch sein kann, weil sie sich nicht an den Auslöser richtet. Der Hund fühlt sich besser und hat eine Verhaltensstrategie.
Auch Übersprungverhalten müssen Sie im Kontext der Situation betrachten und entscheiden, ob es sich um Übersprungverhalten handelt.
Die 4 Strategien des Hundes
Ihr Hund hat vier Möglichkeiten auf einen Angstauslöser zu reagieren: flight, fight, freeze und fiddle (oder flirt) – Flüchten, Kämpfen, Erstarren oder etwas ins Lächerliche ziehen und Rumkaspern. Mit diesen sogenannten 4F’s kann der Hund einen Konflikt lösen und jedem Hund stehen alle Lösungen zur Verfügung.
Welche Strategie ein Hund wählt, hängt von seinen Lernerfahrungen, dem Auslöser, der Situation und auch von seinen genetischen Anlagen ab. Ihr Hund wird sich für eine Strategie entscheiden, die sich vorher schon mal für ihn gelohnt und seine Situation verbessert hat.
Wenn Ihr Hund sich den fremden und lästigen Rüden nicht vom Hals schaffen kann, wenn er den Kopf abwendet, weggeht und anfängt zu schnüffeln, kann er deutlicher werden und immer wieder weggehen und dabei immer mehr Konfliktsignale senden und sich bei Ihnen verstecken.
Oder er wechselt seine Strategie und springt an Ihnen und am anderen Hundebesitzer hoch und rennt plötzlich Kreise mit einer sehr angespannten Körperhaltung. Und wenn Sie dann immer noch nicht weitergehen und der fremde Hund immer noch da ist, wird Ihr Hund vielleicht durch Knurren dem fremden Hund verdeutlichen, dass er sich verziehen soll. Beim nächsten fremden Hund, der ihn stört, wird die Strategie Weggehen nicht mehr ausprobiert werden, denn sie hat dem Hund vorher nicht geholfen. Ihr Hund wird sich schneller für die Strategie Fight entscheiden.
Wenn Sie frühzeitig erkennen, wenn Ihr Hund in einem Konflikt steckt und ein Problem mit einem Auslöser hat, können Sie solche Lernerfahrungen vermeiden. Außerdem können Sie sofort ein Training planen, um die emotionale Bewertung Ihres Hundes zu verändern und um Ihrem Hund zu zeigen, dass er durch deeskalierendes Verhalten und Kooperation mit Ihnen schwierige Situationen meistern kann.
Die Strategie Flüchten besteht aus vielen distanzvergrößernden Bewegungen. Das Ziel des Hundes ist die Distanz zum Angstauslöser zu vergrößern. Die Distanz kann vom Hund im Millimeter aber auch im Kilometerbereich vergrößert werden.
Wichtig dabei ist, dass Sie auch hier auf die Anspannung im Körper Ihres Hundes achten.
- Blick abwenden
- Kopf abwenden
- Rutenansatz geht nach unten und bedeckt die Analregion
- Lefzen nach hinten
- Ohrenansatz nach hinten
- Körperschwerpunkt geht nach hinten
- Hund setzt sich hin
- Hund hebt eine Vorderpfote an
- Hund legt sich hin
- Hund schiebt den Rücken nach oben und senkt den Kopf
- Hund läuft weg
- Hund versteckt sich
Und nochmal – den Blick oder den Kopf abzuwenden, ist nicht immer ein Indiz für Angst. Betrachten Sie Ihren Hund komplett: Ist sein Körper sehr angespannt? Finden Sie Anzeichen für einen Konflikt oder noch mehr distanzvergrößernde Bewegungen? Zeigt Ihr Hund Anzeichen von Stress?
Stress beim Hund
Angstverhalten geht immer einher mit Stresssymptomen. Anzeichen von Stress kann der Hund nicht willentlich steuern. Sie sind eine Reaktion des autonomen Nervensystems, um den Körper auf eine schnelle Reaktion vorzubereiten.
Anzeichen von Stress können sein:
- Schweiß an den Pfotenballen
- erweiterte Pupillen
- mehr Weiß ist in den Augen zu sehen
- Tasthaare stehen stärker von der Schnauze ab
- Einfrieren
- Anspannung der Muskulatur um die Augen herum und – oder um das Maul herum
- angespannte Zunge mit aufgerollten Rändern
- Züngeln
- beschleunigter Herzschlag
- flache und schnelle Atmung
- Hecheln mit stark zurückgezogenen Lefzen (sogenanntes Stressgesicht)
- Anhalten der Atmung
- plötzlicher Haarausfall, Schuppenbildung
- Aufrichten der Rückenhaare
- verstärkter Speichelfluss
- Gähnen
- gesteigerte Aktivität
- Lethargie, Konfliktschlaf
- Durchfall/dünner Kot, häufiges Urinieren
Ihr Hund kann ein Stresssymptom oder auch mehrere auf einmal zeigen.
Fazit: Achten Sie bei Ihrem Hund auf Konfliktsignale und Übersprungverhalten und beobachten Sie, ob Ihr Hund immer mehr davon zeigt und ob die Anspannung seiner Muskulatur dabei zunimmt.
Welche Strategie der 4F’s Ihr Hund wählt, ist vorab schwer einzuschätzen. Es liegt an Ihnen die feinen Signale vorher wahrzunehmen, um unglückliche Lernerfahrungen zu vermeiden und um Ihren Hund sicher und entspannt durch den Alltag zu führen.
WARUM SIE IHREN ÄNGSTLICHEN HUND TRÖSTEN SOLLTEN – UND WAS SIE DABEI UNBEDINGT BEACHTEN MÜSSEN
Was bedeutet Trösten?
Trösten ist kein spezifisches Verhalten und mehr oder weniger eine Worthülse, die jeder selbst füllt. Trösten bedeutet für mich, seinem Hund bewusst zu helfen und darüber nachzudenken, wie man dem Hund am besten durch die schwierige Situation hilft, damit der Hund sich besser fühlt.
Neben dem Trösten in schwierigen Situationen, wenn Angstauslöser plötzlich auftreten, gehört aber immer ein gut durchdachtes und strukturiertes Training, damit der Hund beim Auftreten von Angstauslösern Alternativen lernt, die ihn entspannen und ihm Sicherheit geben. Ansonsten wird es Ihrem Hund ohne Sie weiterhin sehr schlecht gehen, wenn es z.B. gewittert oder laut knallt.
- Was Trösten nicht ist!
Trösten bedeutet nicht, dass Sie gemeinsam mit Ihrem Hund leiden sollen. Natürlich, ist es wichtig, den Hund ernst zu nehmen und sich in ihn hineinzufühlen – Sie sollten sich aber selbst nicht stressen lassen und Angst um Ihren Hund haben. In so einem Zustand können Sie selbst nur schwer klar denken und vergessen dabei schnell die trainierten Strategien, die Ihrem Hund helfen. Außerdem verhalten Sie sich dann oft bedrohlich in den Augen Ihres Hundes, was es Ihrem Hund nicht leichter macht. Ihr Hund wird Sie in so einer Situation bedrohlich finden, weil Sie sich ganz anders als sonst verhalten – Sie werden hektischer oder vielleicht auch ruhiger als sonst, werden gereizt oder fangen sogar an zu weinen. Und Sie werden Ihren Hund plötzlich gar nicht mehr aus den Augen lassen, was Ihren Hund irritieren wird.
Atmen Sie einmal tief ein und aus und nehmen Sie anhand der Körpersprache Ihres Hundes wahr, was ihm hilft und was er gerade nicht braucht. Überlegen Sie, was Ihr Hund gern mag und wie er aussieht, wenn es ihm gut geht. Setzen Sie sich unbedingt in entspannten Situationen mit der Körpersprache Ihres Hundes auseinander und lernen Sie die Feinheiten seiner Körpersprache kennen.
Trösten bedeutet nicht durch blinden Aktionismus, dem Hund Leberwurst in den Rachen zu schieben oder ihn auf den Schoß zu nehmen und unter Zwang zu knuddeln. Es bedeutet, dass ich mir Strategien überlege, die zu meinem Hund passen und die ihm in so einem Moment gut tun. Deshalb müssen Sie auch außerhalb der schwierigen Situation diese Strategien trainieren und anwenden.
Warum Trösten hilft?
Wenn Sie für Ihren Hund da sind und ihm durch die Situation helfen und diese für Ihren Hund erträglicher machen, wird es Ihrem Hund besser gehen. Ihr Hund fühlt sich besser und die angenehmen Emotionen, die Sie bei ihm auslösen, schwächen die negative Emotion Angst ab. Außerdem helfen Sie Ihrem Hund durch Aufmerksamkeitsteilung, wenn Sie ihm eine Beschäftigung anbieten. Wenn Ihr Hund etwas tun kann, wird er sich besser und nicht mehr ausgeliefert fühlen – weil er seine Situation aktiv verbessern kann.
Sie können die Angst Ihres Hundes nicht durch Belohnungen verstärken, weil sich kein Mensch und auch kein Hund danach sehnt Angst zu haben. Durch eine Belohnung, durch Zuwendung und durch helfendes Trösten fühlt sich der Hund emotional besser. Er wird sich dadurch nicht bestätigt fühlen in seiner Angst und auch nicht versuchen, sich wieder so zu fühlen. Denn Angst schützt vor Gefahren und solche Situationen sollen vermieden werden. Oder träumen Sie öfter davon endlich wieder Angst zu haben? Wenn Sie vor Spinnen Angst haben und plötzlich eine Spinne auftaucht, Sie Angst empfinden und Ihnen dann plötzlich jemand ein leckeres Eis in die Hand drückt, wird die Angst vor den Spinnen nicht größer. Entweder widmen Sie sich Ihrem Eis und verknüpfen die Situation mit der Spinne sogar als angenehm oder Sie flüchten mit dem Eis in der Hand und die Angst vor den Spinnen ändert sich gar nicht.
Die Grundregel lautet: Helfen Sie Ihrem Hund und machen Sie etwas, was Ihrem Hund gut tut und nicht (nur) Ihnen.
Berührungen
Möchte Ihr Hund generell gern angefasst werden, dann haben Sie gute Chancen, dass er es auch in angstauslösenden Situationen mag. Wenn Sie Ihren Hund gut kennen, wissen Sie, an welchen Stellen Sie ihn streicheln können, damit er sich entspannt und woran Sie erkennen, dass sich Ihr Hund entspannt.
Wichtig ist, dass Sie das Ausdrucksverhalten Ihres Hundes im Blick haben und wissen, ob er auch in schwierigen Situationen angefasst werden möchte. Und dass Sie diese Berührungen auch in entspannten Situationen praktizieren und nicht plötzlich damit beginnen, wenn Ihr Hund Angst hat. Führen Sie Kuschelzeiten über den Tag an einem bestimmten Ort in der Wohnung ein und laden Sie Ihren Hund zum Entspannen ein.
Durch das Entspannen über Massagen oder Streicheln wird beim Hund Oxytocin ausgeschüttet. Das kennen viele unter dem Namen Kuschelhormon. Es bewirkt, dass die Ausschüttung des Stresshormon Cortisol reduziert wird und es senkt die Herzfrequenz des Hundes. Auch wenn der Hund schon Angst hat, wird durch wohltuenden Körperkontakt Oxytocin beim Hund ausgeschüttet. Es ist wichtig, dass Sie nicht erst in den schwierigen Situationen beginnen, Ihren Hund zu streicheln – Ihr Hund wird sich wundern und ist wahrscheinlich sogar gestresst, weil er es so gar nicht kennt.
Körperkontakt
Wenn Ihr Vierbeiner Ihre Nähe sucht, dann lassen Sie ihn auch zu sich. Manche Hunde mögen Kontaktliegen lieber als Streicheln. Auch dabei wird beim Hund Oxytocin ausgeschüttet.
Wenn Ihr Hund nicht berührt werden möchte, können Sie auch ein Thundershirt oder Swaddle Wrap einsetzen. Durch den engen Sitz wird ein gleichmäßiger Druck auf die Körperoberfläche ausgeübt und die Ausschüttung von Oxytocin angeregt. Bitte probieren Sie solche Hilfsmittel immer erst in entspannten Situationen aus, um sicher zu gehen, dass Ihr Hund sich damit wohlfühlt und Sie wissen, wie Sie es Ihrem Hund anziehen müssen.
Wo möchte sich Ihr Hund aufhalten?
Wohin zieht sich der Hund zurück, wenn er Angst hat? Wenn das möglich ist, lassen Sie Ihren Hund sich zurückziehen. Wenn sich Ihr Hund gern unter das Bett verkriecht oder im Gästebad Schutz sucht, dann lassen Sie ihn. Setzen Sie sich zu ihm und lesen ein Buch, denn es hilft Ihrem Hund auch nicht, wenn Sie ihn besorgt mit großen Augen beobachten. Das wird Ihren Hund irritieren, weil er Ihren Gesichtsausdruck genau kennt – so schauen Sie auch, wenn Sie mit Ihrem Hund schimpfen. Seien Sie für Ihren Hund da, aber bleiben Sie selbst entspannt.
Stimmungsübertragung zwischen Menschen und Hunden funktioniert übrigens nicht – zumindest kann sich Ihr Hund nichts von Ihnen abschauen oder sich ein Beispiel nehmen. Aber Hunde beobachten uns Menschen immer sehr genau und erkennen sehr schnell die kleinsten Feinheiten. Und durch das enge Zusammenleben mit Ihnen, weiß Ihr Hund genau, wie Sie aussehen, wenn Sie gut gelaunt sind und alles in Ordnung ist und wie Sie aussehen, wenn Sie sauer sind und Ihr Hund Sie lieber in Ruhe lassen sollte.
Futter, gefüllte Kongs oder Kauartikel
Wenn Ihr Hund noch Futter nehmen kann, bieten Sie ihm gefüllte Kongs oder Kauartikel an. Meist eignen sich hochwertige Dinge besser als reines Trockenfutter, weil die Motivation des Hundes diese zu fressen höher ist. Wenn Sie wissen, ob Ihr Hund besser entspannt durch Kauen oder Schlecken, setzen Sie es bewusst – aber nicht nur – in schwierigen Situationen ein. Beim Fressen schütten Hunde Endorphine aus, welche Angst reduzieren können. Wenn Ihr Hund noch essen kann, wird es ihm besser gehen, wenn er sich mit einem Kong oder Kauartikel beschäftigen kann.
Futterpuzzles, Suchaufgaben oder Tricks
Ihr Hund kann etwas aktiv tun, was er gern macht und sich dadurch auch auf etwas anderes konzentrieren. Das hilft ihm die Situation zu bewältigen und löst positive Emotionen bei Ihrem Hund aus. Während des Suchens wird wie beim Spielen im Hundegehirn Dopamin im Belohnungszentrum ausgeschüttet. Findet Ihr Hund dann Futter oder einen Kong werden zusätzlich Endorphine freigesetzt. Dadurch wird bei Ihrem Hund eine gute Stimmung ausgelöst.
Sie können bei Ihrem Hund auch positiv aufgebaute Signale oder Tricks abfragen, die er schon sehr gut beherrscht und an denen er Spaß hat. Dabei ist Freiwilligkeit wichtig – der Hund sollte nicht durch laute Worte dazu gebracht werden, Signale oder Tricks zu zeigen. Die Signale und Tricks, die Sie abfragen, sollten Ihr Hund im Vorfeld durch Belohnungen erlernt haben. Auch der Einsatz von Targets hat sich in schwierigen Situationen bewährt.
Auch wenn Ihr Hund gar keine Angst zeigt, können Sie Ängsten vorbeugen, wenn Sie schwierige Situationen mit guten Ereignissen für Ihren Hund verknüpfen.
Wodurch wird die Angst Ihres Hundes schlimmer?
Die Angst Ihres Hundes wird größer, wenn Sie sich so verhalten, dass Ihr Hund noch mehr Angst bekommt, weil Sie schimpfen oder sich ärgern. Für viele Hunde ist es sehr irritierend und stressend, wenn Sie plötzlich Dinge tun, die Sie sonst nie machen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Sie Ihren Hund mit Massagen, Kong, Suchaufgaben, Tricks, einem Rückzugsort und allen anderen Hilfsmitteln schon vorher bekannt machen.
Ihrem Hund wird es auch nicht besser gehen, wenn Sie ihn in der Situation lassen oder immer näher an den Angstauslöser heran bringen. Dabei steigt außerdem das Stresslevel Ihres Hundes und dadurch kann wiederum schneller Angst- und auch Aggressionsverhalten ausgelöst werden.
Die Angst Ihres Hundes zu ignorieren, wird ihm die Situation nicht vereinfachen. Vielleicht haben Sie Glück und Ihr Hund war gut belastbar und hat es wegstecken können, aber im schlimmsten Fall ist Ihr Hund stark gestresst gewesen und beim nächsten Mal reagiert Ihr Hund schneller und intensiver auf diesen Angstauslöser.
WIE IHR ANGSTHUND MUTIGER WIRD UND WIE SIE IHN UNTERSTÜTZEN KÖNNEN
- Oft stürzen wir uns im Training mit ängstlichen Hunden sofort auf schwierige Situationen. Dabei vergessen wir aber, dass das Wohlergehen unserer Hundes einen mächtigen Einfluss auf unsere Trainingserfolge hat. Wenn Ihr Hund sich wohlfühlt und ausgeglichen ist, kann er mit schwierigen Situationen automatisch besser umgehen. Und Ihr Hund erholt sich schneller. In diesem Artikel lernen Sie, wie Sie fernab des Trainings an Angstauslösern Ihren Hund von einem Angsthasen zu einem selbstsicheren Hund machen.
Stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Hundes!
Das Selbstbewusstsein des Hundes zu stärken, sollte im Alltag stattfinden und nicht nur in schwierigen Situationen. Jeder kleine Schritt, den Ihr Hund macht, ist ein Erfolgserlebnis für ihn und wird Ihrem Hund in schwierigen Situationen helfen. In anspruchsvollen Situationen ist es meist für Ihren Hund und auch für Sie schwer, das Beste rauszuholen, deshalb fangen Sie im Alltag bzw. einem für den Hund passenden Lernumfeld (gestellte Trainingssituation) an.
Die einfachste Möglichkeit, das Selbstbewusstsein Ihres Hundes zu stärken, ist das Training von Tricks und Signalen in einer entspannten Umgebung und mit Hilfe von Belohnungen.
Ihrer Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt – beginnen Sie aber mit einfachen Tricks, damit Ihr Hund beginnt kreativ zu werden und vor allem selbstbewusster – denn er soll Ihnen etwas anbieten können.
Schaffen Sie kleine Herausforderungen für Ihren Hund, die er meistern kann, in Form von neuen Bewegungsabläufen oder neuen Orten, an denen Sie trainieren. Fällt es Ihrem Hund schwer, dann fragen Sie lieber Tricks und Signale ab, die über positive Verstärkung trainiert wurden und die Ihr Hund schon wie aus der Pistole geschossen zeigen kann. Dadurch wird es Ihrem Hund leichter fallen, sich auf eine neue Umgebung oder eine neue Übung einzulassen.
Auch Erkundungstouren in Gebieten, die für Ihren Hund interessant sind, stärken sein Selbstvertrauen. Dabei sollte natürlich niemand zu Schaden kommen oder Gesetze übertreten werden. Überlassen Sie Ihrem Hund die Entscheidung, wo es langgeht und wo Sie gemeinsam stehen bleiben. Ihr Hund kann seine Bedürfnisse ausleben und selbstbestimmt agieren, was zu mehr Ausgeglichenheit führt, und er kann in seinem Tempo Neues entdecken.
Geben Sie dazu Ihrem Hund an einer langen Leine (mindestens 3-5 Meter) die Chance, in seinem Tempo und ohne Störung die Umwelt zu erkunden. Neue Entdeckungen bleiben dabei für Ihren Hund nicht aus und er kann in seinem Tempo diese Dinge bewältigen.
So lernt Ihr Hund, dran zu bleiben!
Lassen Sie Ihren Hund sich Mahlzeiten erarbeiten. Da die meisten Hund gern essen, ist das die einfachste Möglichkeit, die Sie im Alltag umsetzen können. Aber Achtung! Ihr Hund sollte sich sein Futter nicht in Situationen erarbeiten müssen, in denen er Angst hat. Das bringt Ihren Hund in einen gigantischen Motivationskonflikt, der ihn stresst und sein Erregungsniveau ansteigen lässt.
Füllen Sie Kongs, Kartons mit Papier oder nutzen Sie Intelligenzspielzeuge oder Suchspiele.
Machen Sie es Ihrem Hund erst mal leicht, damit er schnellen Erfolg hat. Danach können Sie langsam den Schwierigkeitsgrad steigern. Dadurch lernt Ihr Hund, dran zu bleiben und nach Lösungen zu suchen. Durch die Erfolge vorher lässt er sich nicht so schnell abbringen. Ihr Hund lernt, dran zu bleiben und seinen Fähigkeiten zu vertrauen. Und auch das stärkt sein Selbstbewusstsein.
Vermeiden Sie zu viel Stress!
Das Wichtigste ist, dass Sie die Körpersprache Ihres Hundes lesen können und sehen, wann es ihm zu viel wird. Wenn sich Ihr Hund schon versteckt oder anfängt zurückzuziehen, ist es zu spät. Und wenn Ihr Hund keine Chance hat, sich dann zurückzuziehen, ist Stress vorprogrammiert, weil er die Situation nicht bewältigen kann. Entweder geht es Ihrem Hund dann sehr schlecht oder er wechselt seine Strategie. Mehr dazu finden Sie im ersten Teil dieser Serie “Warum Angst uns im Hundetraining so oft fordert.”
Achten Sie auf feine Signale wie angespannte Muskulatur und zurückgelegte Ohren oder eine angelegte Rute. Ein angespannter Gesichtsausdruck, weite Augen und einen Hund, der immer wieder wegschaut, sind ebenfalls Warnsignale. Mehr dazu finden Sie auch in meinem Artikel “Woran Sie Angst bei Hunden erkennen können.”
Wenn Sie die feinen Signale Ihres Hundes erkennen und frühzeitig Pausen machen oder Ihren Hund unterstützen, kann er anspruchsvolle Situation besser bewältigen. Außerdem sieht Ihr Hund Sie als sicheren Hafen, weil Sie für sein Wohlbefinden sorgen und ihn unterstützen.
Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit in schwierigen Situationen ist das Schlimmste, was einem Hund und natürlich auch einem Menschen passieren kann. Das Gefühl der Hilflosigkeit verursacht enormen Stress, da der Hund gar keine Chance hat, seine Situation zu verbessern oder ihr zu entkommen. Deshalb geben Sie Ihrem Hund so oft wie möglich die Chance, aktiv zu werden, Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden. Und das auch in entspannten Situationen überall im Alltag.
Geben Sie Ihrem Hund mehr Macht!
Das Stichwort lautet Empowerment – Ihr Hund lernt, dass er sich selbst helfen und wie er schwierige Situationen selbst lösen kann. Außerdem beschreibt es mittlerweile auch Strategien, die Sie als Hundehalter nutzen können, um diese Fähigkeit bei Ihrem Hund zu fördern.
Das bedeutet nicht, dass der Hund tun kann, was er möchte – es bedeutet, dass Sie als Halter oder Halterin Trainings- und Alltagssituationen schaffen, in denen Ihr Hund kreativ und eigenständig Probleme lösen kann.
Im Beschäftigungsbereich ist das ohne Probleme möglich und bietet vor allem ängstlichen Hunden genau das richtige, entspannte Umfeld.
Lassen Sie öfter mal Ihren Hund entscheiden, welchen Weg er erkunden möchte, oder bieten Sie ihm mehrere Spielsachen an, aus denen er wählen kann. Und geben Sie ihm den Raum, eigene Lösungen z.B. für das Leeren eines Kongs zu finden. Manche Hunde werfen den Kong durch den Raum, um an den Inhalt zu kommen. Andere kullern ihn über den Boden oder halten ihn mit den Pfoten fest. Lassen Sie Ihrem Hund dabei Spielraum und schränken Sie ihn möglichst wenig ein.
Geben Sie Ihrem Hund Feedback!
Geben Sie Ihren Hund Rückmeldung, wenn er gutes Verhalten ganz von allein zeigt oder eine gute Entscheidung trifft.
Wenn Ihr Angsthase sich traut, über seinen Schatten springt und einen kurzen Blick riskiert.
Wenn Ihr Angsthase sich lieber an Sie wendet, als wegzulaufen oder sich zu verstecken.
Wenn Ihr Angsthase bei Ihnen Schutz sucht.
Lobe Sie Ihren Hund für gute Entscheidungen oder nutzen Sie Ihr Markersignal dafür und belohnen dann. Lassen Sie dieses Verhalten nicht einfach so stehen, sondern honorieren Sie es, damit Ihr Hund auch in Zukunft wieder diese Entscheidung trifft.
Durch die positive Rückmeldung stärken Sie auch das Selbstbewusstsein Ihres Hundes und lösen bei ihm eine positive Stimmung aus. Und von positiven Erfahrungen kann ein Hund nicht genug haben.