Mehrhundehaltung: Auswahl des passendes Hundes und Trainingstipps
PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN VON HUNDETRAINERIN MARIA REHBERGER
Im Dezember 2008 reihte ich mich in die Riege der Mehrhundehalter ein. Zu meiner damals vier Jahre alten Dalmatinermischlingshündin Emma holte ich Maya, einen angeblichen Labradormischlingswelpen aus dem Tierschutz, ungefähr 8 Wochen alt, dazu. Der Labradormischlingswelpe stellte sich innerhalb kürzester Zeit als Terriermischling heraus, was das Leben mit zwei Hunden noch spannender machen sollte, als ich es mir ohnehin schon vorgestellt hatte. Emma war zum Zeitpunkt von Mayas Einzug vier Jahre alt und wir hatten an ihrem problematischen Verhalten gegenüber fremden Menschen, das sich in Stellen und Verbellen äußerte, soweit erfolgreich trainiert, dass sie inzwischen überall wo es gefahrlos möglich war frei laufen konnte.
Es gab also keine größeren “Baustellen” mehr. Mit anderen Hunden hatte Emma im Alltag keine Probleme, sofern der andere Hund nicht zu stürmisch war, sie überrannte oder stark belästigte. In diesen Fällen bekam Emma verständlicherweise Angst und suchte bei mir Schutz. Bei einem Welpen würde es diese Problematik nicht geben. Mir war klar, dass ich in Hinsicht auf Futter vorsichtig würde sein müssen, da Emma die Tendenz hat, Essbares gegenüber anderen Hunden zu verteidigen. Draußen bei den Spaziergängen hatte sie damit keine Probleme, sie konnte es zu diesem Zeitpunkt sogar gut aushalten, wenn ein anderer Hund die Nase in meine Futtertasche steckte. Aber ich wusste, dass das innerhalb der Wohnung und vor allem bei hochwertigeren Dingen, wie z.B. Knochen oder Fleisch, nicht unbedingt auch so entspannt ablaufen würde.
Kurz und gut: Ich hatte mir alles einfacher vorgestellt, als es dann tatsächlich war. Trotz all der Überlegungen, die ich vorher angestellt und der Vorbereitungen, die ich getroffen hatte. Maya war ein ausgesprochen lebhafter Welpe, mit einer quasi nicht vorhandenen Frustrationstoleranz. Sprich, wann immer etwas nicht sofort nach ihrem Kopf ging, fing sie an schrill und ausdauernd zu kläffen, was gewaltig an meinen und auch Emmas Nerven zerrte. Emma gegenüber zeigte Maya keinerlei Hemmungen. Wenn Emma den kleinen Hund anknurrte, weil sie nicht wollte, dass er sich zu ihr in den Korb legte, beantwortete Maya dies nicht etwa mit deeskalierendem Verhalten wie z.B. weggehen, sondern sie schimpfte Emma einfach lautstark aus, nach dem Motto, was ihr denn einfiele ihr den Zutritt zum Hundekorb zu verwehren. Emma kam mit Maya grundsätzlich gut zurecht, aber man merkte ihr deutlich an, dass sie dieses “kleine nervige Etwas” nicht unbedingt in ihrem Zuhause haben wollte. Sie zog sich zurück, wollte den Welpen nicht in ihrer Nähe haben und suchte auch immer weniger Kontakt zu mir. Für mich war ihre Reaktion furchtbar, ich machte mir Vorwürfe, weil ich Emma einfach dazu „zwang“ mit einem anderen Hund zusammenleben zu müssen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Emma so reagieren würde, schließlich hatte sie draußen ja gerne Kontakt zu Hunden und auch Hundebesuch war kein Problem gewesen. Ungefähr zwei Wochen nach Mayas Einzug kam es dann zu einem Zwischenfall, der mich wirklich sehr erschreckte: Ich war immer vorsichtig gewesen, wenn ich das Hundefutter zurecht gemacht und dann den Hunden hingestellt hatte. Aber an diesem Abend war ich noch völlig verzückt, weil Emma und Maya gerade die ersten vorsichtigen gemeinsamen Spielversuche gemacht hatten. Ich stellte also Mayas Napf hin und ging zu Emmas Futterplatz, um ihren Napf auch abzustellen. Emma wartete bereits dort und ich dachte, Maya wäre mit ihrem Napf beschäftigt. War sie aber nicht. Sie war mir nachgelaufen und so schnell konnte ich gar nicht schauen, attackierte Emma den Welpen heftig und zog sich sofort wieder zurück. Maya und ich waren zu Tode erschrocken, Maya schrie wie am Spieß und ich löste die Situation erst einmal auf, indem ich Emma fressen ließ und mit Maya die Küche verließ. Ich inspizierte sie im Wohnzimmer und leider hatte Emma sie tatsächlich verletzt: Mayas Ohr hatte ein blutendes Loch. Nach diesem Erlebnis musste ich mich erst einmal wieder sammeln, Maya dagegen hatte das Erlebnis kaum beeindruckt, sie verhielt sich Emma gegenüber genauso wie zuvor – und auch Emma benahm sich wieder wie vor dem Vorfall.
Nach diesem Ereignis war ich zunächst sehr verunsichert, schließlich war ich Hundetrainerin. Warum war ich nicht in der Lage gewesen, die Situation besser einzuschätzen und die Attacke zu verhindern? Die Antwort war nach kurzer Überlegung sehr einfach: In Bezug auf meine eigenen Hunde bin ich emotional viel stärker beeinflusst, als ich dies bei den Hunden von Kunden bin. Bei Kunden bin ich objektiver Beobachter, zu Hause bin ich Teil des Geschehens. Meine Freude über diese ersten zaghaften Spielversuche hatte mich unachtsam werden lassen, ich hatte eine rosarote Brille auf. Aber ein Hund kann sich nun einmal nur verhalten wie ein Hund und Aggressionsverhalten ist eine Strategie, um Konflikte zu lösen. Und auch der eigene geliebte Hund, der eigentlich immer freundlich ist, kann in bestimmten Situationen Aggressionsverhalten zeigen. Das Nachdenken, wie es zu dieser Situation kommen konnte, hat mir sehr geholfen. Es ist ein Unterschied, ob man mit den eigenen Hunden zusammenlebt oder Kunden mit deren Hunden unterstützt. Hundetrainer sind privat auch nur Menschen und Menschen machen Fehler. Nach dieser Erkenntnis konnte ich – nun ohne rosarote Brille – das Training mit Maya und Emma weiterführen.
Die Hunde mussten also lernen, friedlich zusammen zu leben und Konflikte ohne den Einsatz von Zähnen zu lösen. Ich unterstützte also jedes Knurren und Zähnezeigen von Emma und brachte Maya gleichzeitig bei, darauf auch angemessen, also mit deeskalierendem Verhalten, zu reagieren. Emma lernte so, dass es völlig ausreichend war zu knurren, um den kleinen Hund auf Distanz zu halten und dass es gar nicht notwendig ist zu gravierenderen Maßnahmen zu greifen. Maya lernte sich zu benehmen. ;) Ich belohnte Emma für jede Annäherung Mayas, die sie tolerierte und investierte viel Zeit darin, beide Hunde gleichzeitig – eine rechts, eine links – aktiv zu entspannen und Entspannungssignale aufzubauen. Dieses Training zeigte extrem schnell Wirkung, es gab nie wieder eine Auseinandersetzung zwischen den Hunden. Emma knurrte immer weniger oft, wenn Maya sich ihr näherte. Etwa vier Wochen nach Mayas Einzug konnte ich Spielzeug in der Wohnung herumliegen lassen ohne aufpassen zu müssen. Weitere sechs Wochen später klappte das sogar schon mit weniger hochwertigen Kauartikeln wie z.B. Büffelhautknochen. Ich hörte nie auf, beide Hunde für freundliches, deeskalierendes Verhalten zu belohnen und nach ca. einem halben, dreiviertel Jahr konnte ich feststellen, dass die beiden Hündinnen tatsächlich zusammenwuchsen und eine Bindung zueinander aufbauten. Emma war mittlerweile wieder die alte, ja sogar eher noch fröhlicher, offener und zu mehr Späßen aufgelegt als vor Mayas Einzug. Die Beiden spielten inzwischen regelmäßig miteinander, Maya durfte sich zu Emma in den Korb legen (auch wenn Emma dann meistens nach fünf Minuten den Platz wechselte…), Maya begann damit Emmas Ohren regelmäßig zu putzen, was diese sich auch gern gefallen ließ. Inzwischen konnte ich auch hochwertigere Kauartikel wie z.B. Kopfhautstangen herumliegen lassen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, dass die Hunde darüber in Streit gerieten. So schön diese Entwicklung auch war, sie hatte Schattenseiten: Die Bindung der Hunde führte dazu, dass Emma Maya nun als Ressource betrachtete. Das Ergebnis war, dass sie nun draußen damit begann, andere Hunde, die sich Maya nähern wollten, zu vertreiben. Also war das meine neue Trainingsaufgabe und wir konnten uns dann auch recht bald wieder entspannt draußen bewegen.
Heute ist unser gemeinsames Zusammenleben sehr harmonisch. Die Hunde sind mittlerweile die besten Freunde und wenn sie aus irgendwelchen Gründen einmal getrennt waren, ist die Begrüßung beim Zusammentreffen immer lang, intensiv und voller Freude. Im Herbst letzten Jahres musste ich dann sogar ein „Doppelbett“ anschaffen, weil die Hündinnen meistens zusammen liegen möchten. Heute kann ich sie sogar dabei beobachten, wie sie gemeinsam an einem großen, rohen Knochen kauen. Der Weg hierhin war anstrengend, nervenaufreibend und oft genug frustrierend. Es erforderte viel Aufmerksamkeit und Training, um den Hunden das entspannte miteinander Leben beizubringen. Missen möchte ich diese Erfahrung nicht. Ich habe viel gelernt und bin froh, dass ich das Wagnis „Zweithund“ eingegangen bin.
Dieser Einblick in meine persönliche Geschichte als (Mehr-)Hundehalterin ist der Auftakt zu einer Artikelserie zum Thema „Mehrhundehaltung“, die in der nächsten Zeit in unserem Blog erscheinen wird. Wenn Sie mit dem Gedanken spielen einen weiteren Hund bei sich aufzunehmen oder wenn sie nach Tipps suchen, wie sie das Zusammenleben Ihrer bereits vorhandenen Hunde verbessern können, werden sie in dieser Serie viele nützliche Informationen finden.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.
ÜBERLEGUNGEN VOR DER ANSCHAFFUNG EINES ZWEIT- UND DRITTHUNDES
Bevor Sie sich jedoch für vierbeinigen Familienzuwachs entscheiden, sollten Sie sich über einige Dinge Gedanken machen. Als erstes sollten Sie klären, ob wirklich alle Familienmitglieder mit der Anschaffung eines weiteren Hundes einverstanden sind. Es kann in den besten Familien zu Spannungen kommen, wenn jemand das Gefühl hat nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen und sich zurückgesetzt fühlt.
Ist diese Frage geklärt, ist der wichtigste Faktor der bereits im Haushalt lebende Hund. Hat dieser Hund überhaupt gerne Kontakt zu Artgenossen? Wenn er gerne Kontakt hat, ist das auch im eigenen Zuhause so oder beschränkt sich das auf Gassibekanntschaften oder die Hunde auf der Hundewiese? Um diese Fragen zu klären sollten Sie sich viel Zeit nehmen, schließlich geht es um eine Entscheidung, die das Leben aller im Haushalt lebenden Hunde und auch Ihr eigenes Leben massiv beeinflussen wird. Um zumindest abschätzen zu können, wie der Hund mit einem Lebensgefährten zurechtkommt ist es eine gute Idee einmal einen anderen Hund nach Hause einzuladen. Auch einen Gasthund über mehrere Stunden zur Betreuung zu haben kann Hinweise geben.
ES HAT VOR- UND NACHTEILE FÜR DEN BEREITS IM HAUSHALT LEBENDEN HUND, WENN EIN WEITERER VIERBEINER EINZIEHT:
Vorteile:
- Möglichkeit mehr Spiel- und Sozialverhalten zu zeigen
- Aufbau einer engen Bindung zu einem anderen Hund, ein „bester Freund“ für den Hund
- Soziale Unterstützung
- Gesellschaft in Abwesenheit der Bezugspersonen
Diese Vorteile bestehen jedoch nur dann, wenn die Hunde auch tatsächlich miteinander harmonieren. Es kommt durchaus vor – und zwar häufiger als man vielleicht denken mag – dass die Beziehung der Hunde untereinander niemals über ein gegenseitiges Tolerieren hinaus geht und eine Bindung im eigentlichen Sinne (= überproportionaler Austausch positiver Verhaltensreaktionen, Verhaltensangleichung, Trennungsstress, etc.) entsteht zwischen den Hunden niemals.
Nachteile:
- Ressourcen, wie Futter, Spielzeug, Liegeplätze, Zuwendung der Bezugspersonen etc. müssen geteilt werden
- Die Beziehung zu den Bezugspersonen wird möglicherweise weniger eng, weil der einzelne Hund weniger Aufmerksamkeit bekommt als zuvor
- Wenn die Bedürfnisse der Hunde sehr unterschiedlich sind, müssen beide Hunde bei der Befriedigung dieser Bedürfnisse zurückstecken
- Harmonieren die Hunde nicht, ist diese Situation für alle Beteiligten stressend; es kann bei beiden Hunden zu unerwünschten Verhaltensweisen kommen, sowohl im Umgang miteinander als auch in der Reaktion auf Umweltreize
Sie sollten sich die aufgeführten Punkte bewusst machen und den eigenen Hund realistisch einschätzen können. Oft hilft es, einen Außenstehenden mit einzubeziehen. Häufig können Menschen, die dem Hund gegenüber neutraler und weniger emotional gegenüberstehen gute Hinweise geben, ob der eigene Hund sich über einen vierbeinigen Mitbewohner tatsächlich freuen würde. Die Auswahl eines wirklich passenden neuen Familienmitglieds spielt hier natürlich auch eine ganz entscheidende Rolle: Auch Hunde sind wählerisch, was ihre Freunde betrifft und nicht jeder Hund findet jeden Hund gleich sympathisch.
Die nächste Frage, die sich stellt ist, ob man selbst eigentlich die Verantwortung für einen weiteren Hund übernehmen kann. Ist ausreichend Platz vorhanden, so dass die Hunde sich auch einmal aus dem Weg gehen können? Habe ich die Möglichkeit beide Hunde zeitweise zu trennen, so dass die Hunde lernen können, auch ohne den jeweils anderen alleine zu bleiben? Ist mein Auto groß genug für zwei oder sogar mehr Hunde, kann ich sie darin gut gesichert und ggf. getrennt voneinander transportieren? Kann ich mir Futter, Spielzeug, Steuern, Versicherung und die tierärztliche Versorgung für mehrere Hunde leisten? Auch falls beide Hunde einmal zur gleichen Zeit erkranken oder sich verletzen?
Habe ich die Zeit mich auch mit jedem Hund ausreichend alleine zu beschäftigen und gerade in der Anfangsphase auch einmal getrennt mit den Hunden spazieren gehen? Bin ich in der Lage beiden Hunden gerecht zu werden, auch wenn der bereits vorhandene Hund alt wird und deshalb mehr Pflege und Fürsorge braucht? Kann ich Geld in einen kompetenten Trainer investieren, der bei der Integration des neuen Familienmitglieds oder Problemen unterstützt? Wer kann die Hunde betreuen, falls ich selbst es einmal nicht kann? Ein Hund ist meistens schnell bei Familie oder Freunden untergebracht, bei zwei oder gar mehr Hunden wird das schon schwieriger. Was passiert, wenn ein Umzug z.B. aus beruflichen Gründen nötig wird? Es ist schon mit einem Hund nicht immer einfach eine Wohnung zu finden, mit zwei oder noch mehr Hunden wird es noch schwieriger. Das Gleiche gilt wenn man mit den Hunden gemeinsam in den Urlaub fahren will.
Eine weitere Überlegung die Sie anstellen sollten ist die, ob der Zeitpunkt einen weiteren Hund in die Familie zu holen der richtige ist. Grundsätzlich sollte der bereits vorhandene Hund erwachsen sein und er sollte keine Verhaltensweisen (mehr) zeigen, die viel Aufmerksamkeit von Seiten des Menschen, Management und Training erfordern, wie z.B. starkes Jagdverhalten, Aggressionsverhalten gegenüber Menschen und/oder Hunden (vor allem in Zusammenhang mit Ressourcen – verteidigt Ihr Hund z.B. Sie, Ihre Futtertasche oder seinen Ball wenn sich ein anderer Hund nähert?). Es sollte „langweilig“ mit dem Ersthund sein, sprich der Hund ist sowohl zu Hause (auch wenn Besuch kommt) und auch auf Spaziergängen meistens entspannt und kann sich schnell beruhigen, wenn ihn doch einmal etwas aufregt. Außerdem sollten Sie in den ersten drei bis sechs Wochen sicherstellen können, dass die Hunde ganztags beaufsichtigt werden und das nach Möglichkeit von Ihnen selbst oder von mit im Haushalt lebenden Familienmitgliedern. Ideal ist es, wenn Sie zumindest in den ersten zwei bis drei Wochen Urlaub nehmen können. Der neue Hund braucht Zeit um sich an Sie und sein neues Umfeld zu gewöhnen und alle Hunde (egal ob es nun zwei, drei oder gar mehr sind) brauchen Zeit um sich aneinander zu gewöhnen. Ihre Unterstützung ist dabei unbedingt nötig.
Bei der Beantwortung all dieser Fragen sollten Sie gnadenlos ehrlich zu sich selbst sein. Denn niemandem ist geholfen, wenn sich herausstellt, dass ein weiterer Hund eigentlich gar keinen Platz in Ihrem Leben hat.
Wenn Sie sich nun also ausreichend Gedanken darüber gemacht haben, ob wirklich ein weiterer Hund bei Ihnen einziehen soll, dann ist es an der Zeit sich zu überlegen, welcher Kandidat für Ihren Haushalt am geeignetsten wäre.
Damit beschäftigt sich der nächste Teil dieser Reihe.
WELCHER HUND PASST ZU UNS? RÜDE ODER HÜNDIN, WELPE ODER ERWACHSENER HUND?
Sie haben sich die Entscheidung sicher nicht leicht gemacht, aber nun steht es fest: Ein weiterer Hund soll bei Ihnen einziehen. Die Auswahl des neuen Familienmitglieds ist ein ganz entscheidender Faktor dafür, ob das „Projekt Mehrhundehaltung“ zum Traum oder Albtraum wird. Man kann die Frage wer denn nun zu wem passt nicht pauschal beantworten. Hunde sind Individuen und nicht jeder Hund findet jeden anderen Hund gleich sympathisch.
Ein paar grundsätzliche Überlegungen sollte man in seine Entscheidung jedoch mit einbeziehen:
Die Wahl des Geschlechts
- Bei einer gemischt-geschlechtlichen Gruppe kann es vorkommen, dass der Rüde im Umgang mit anderen Rüden beginnt mehr Konkurrenzverhalten zu zeigen, als er das zuvor getan hat. Er versucht gegebenenfalls „seine“ Hündin(nen) abzuschirmen und andere Rüden auf Distanz zu halten. Außerdem sind gerade junge, unkastrierte Rüden bei Hündinnen oft sehr aufdringlich, was für die Hündin sehr stressend sein kann.
- Bei einer reinen Damengruppe kann es vor allem während der Läufigkeiten und der Phase der Scheinträchtigkeit zu Problemen kommen, wenn die Hündinnen die jeweils andere als Konkurrenz bzw. Bedrohung während dieser Zeit empfinden. Auseinandersetzungen zwischen Hündinnen laufen meist ernster ab, als unter Rüden. Der Mensch muss die Hündinnen gut beobachten, um sich anbahnende Konflikte rechtzeitig zu erkennen, bevor sie eskalieren.
- Bei Rüden untereinander entscheiden hauptsächlich der Charakter des einzelnen Rüden sowie die gegenseitige Sympathie. Es gibt Rüden, die andere Rüden generell als Bedrohung ansehen und ihnen draußen entweder aus dem Weg gehen (was nicht im nötigen Maß möglich ist, wenn der andere Rüde mit im Haushalt lebt!) oder Konkurrenzverhalten zeigen; andere kommen zwar mit kastrierten Rüden gut zurecht aber nicht mit unkastrierten.
Die Wahl des Typs
- Je ähnlicher die Bedürfnisse der Hunde sind, umso leichter lassen sie sich auch gleichzeitig beschäftigen. Allerdings muss man bei Hunden, die ähnlich gestrickt sind, auch mit Problemen rechnen: Durch Stimmungsübertragung kann Jagd-, Angst- oder Aggressionsverhalten bei den entsprechenden Umweltreizen schneller ausgelöst werden. Bei Hunden, denen Dinge wie Spielzeug, Futter, Liegeplätze oder auch die Zuwendung ihrer Menschen sehr wichtig sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu Konflikten im Zusammenhang mit diesen Ressourcen kommt. Hier muss der Mensch gut beobachten und rechtzeitig eingreifen, um eine Eskalation dieser Konflikte zu vermeiden. Er muss in der Lage und gewillt sein, allen Hunden beizubringen, dass es keinen Grund zu streiten gibt.
- Oft haben Hunde der gleichen Rasse oder des gleichen Hundetyps (z.B. Hütehunde, Vorstehhunde, etc.) ähnliche Bedürfnisse. Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man mit dem Gedanken spielt, zu einem Labrador einen weiteren dazu zu holen oder einen Aussie mit einem Mini-Aussie zu vergesellschaften. Ob und in welchem Maße es aufgrund der Ähnlichkeit der Hunde zu Problemen kommt, kann man pauschal nicht sagen, da sich die Individuen innerhalb einer Rasse oder eines Hundetyps mitunter stark unterscheiden.
Die Wahl der Größe
Auch die Größe der Hunde bzw. deren Größenverhältnis sollte bedacht werden bei der Entscheidung, welcher Hund in die Familie passt.
Bin ich persönlich dazu in der Lage zwei 30 kg schwere Hunde an der Leine gut halten zu können, sollte eine Situation eintreten, in der dies nötig ist? Habe ich genug Platz für zwei oder mehr große Hunde, sowohl im Haus als auch im Auto?
Ist der bereits vorhandene Hund sehr klein, tut man ihm mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Gefallen, wenn man sich für einen Zweithund entscheidet, der sehr groß ist oder wird, z.B. wenn ein Malteser mit einem Labrador zusammen leben soll. Vor allem wenn der “Riese” als Welpe einzieht, sind kleine Hunde einfach oft überfordert, weil sie ihrem neuen Mitbewohner körperlich nichts entgegenzusetzen haben. Wird ein kleiner Hund von solch einem großen, schweren Jungspund “niedergespielt”, ist das nicht nur nicht schön für den Kleinhund, es kann auch Verletzungen zur Folge haben. Das Gleiche gilt natürlich auch andersherum. Lebt im Haushalt ein großer Hund muss man sich gut überlegen, ob dieser mit einem möglicherweise aufgeweckten “Zwerg” so vorsichtig umgeht, dass dieser keinen Schaden nimmt.
Die Wahl des Alters
- Welpen und junge Hunde sind sehr lebhaft und benötigen bis zum Alter von mindestens zweieinhalb bis drei Jahren viel Aufmerksamkeit, Management und Training. Der bereits im Haushalt lebende Hund wird also zwangsweise weniger Aufmerksamkeit bekommen. Hinzu kommt, dass vor allem ältere Hunde oft durch die „jungen Hüpfer“ überfordert sind, andere dagegen leben durch einen jüngeren Artgenossen im Haus noch einmal richtig auf. Hündinnen sind mit Welpen und Junghunden oft weniger tolerant als Rüden.
- Ältere Hunde, ab einem Alter von etwa drei Jahren haben vielleicht eine Vorgeschichte, die sie mitbringen und die ebenfalls viel Aufmerksamkeit und Training erfordern kann. Aber der durchschnittliche erwachsene Hund lernt im Allgemeinen leichter, weil die Gehirnentwicklung bereits abgeschlossen ist und kann sich deshalb an neue Lebensumstände in der Regel schnell anpassen. Nicht nur deshalb ist es durchaus eine Überlegung wert, sich für einen erwachsenen Hund aus dem Tierschutz zu entscheiden.
- Auch und gerade Hundesenioren können ideale Zweithunde sein. Sie sind oft sehr ruhig und gelassen, verfügen über viel Erfahrung im Umgang mit Hund und Mensch und sie haben es besonders verdient ihre letzten Lebensjahre in einem liebevollen Zuhause zu verbringen. Natürlich muss man bei einem Hundesenior eher damit rechnen, dass er altersbedingte Erkrankungen mitbringt oder entwickelt und ja, auch die Zeit, die man gemeinsam verbringen wird, ist definitiv kürzer, als wenn ein Welpe oder Junghund einzieht. Allerdings sind dies keine schlagenden Argumente, wenn es darum geht, einen Hund zu finden, der so gut wie nur möglich in die bestehende Familie passt.
Mit dem Hintergrund der oben aufgeführten Punkte und Ihren Beobachtungen sollten Ihre Suchkriterien schon ein wenig eingeschränkt sein und Sie können relativ gezielt, in der Ihrer Meinung nach am besten passenden Kategorie Hund, nach einem weiteren Vierbeiner suchen.
Die Frage ob das neue Familienmitglied von einem Züchter oder aus dem Tierschutz (darin schließe ich an dieser Stelle natürlich auch Hunde ein, die privat weitervermittelt werden) kommen soll, müssen Sie für sich selbst entscheiden. Es gibt bei beiden sowohl Welpen, Junghunde als auch erwachsene Hunde. Alle sind sie Individuen und ein Hund aus dem Tierschutz ist nicht automatisch problematischer, als es ein Hund vom Züchter ist oder im Laufe seiner Entwicklung noch werden kann. In beiden Fällen kann es sein, dass Sie vor Herausforderungen gestellt werden, die Sie alleine nicht bewältigen können und den Rat eines kompetenten Hundetrainers hinzuziehen müssen. Das Gleiche gilt für die Gesundheit des Hundes: Ein Hund vom Züchter ist keine Garantie dafür, dass der Hund nicht krank wird oder nicht schon eine Erkrankung mitbringt. Genauso gut kann ein Hund aus dem Tierschutz sich sein Hundeleben lang bester Gesundheit erfreuen oder eben auch einmal krank werden.
Egal für welche Variante Sie sich entscheiden: Brechen Sie die Entscheidung für einen bestimmten Hund nicht übers Knie, sondern besuchen Sie die geeigneten Kandidaten gemeinsam mit Ihrem Hund am besten mehrere Male und lassen Sie den Hunden genügend Zeit, sich in aller Ruhe kennenzulernen.
Wie Sie für einen gelungenen Start mit dem neuen Familienmitglied sorgen, erfahren Sie im nächsten Artikel der Reihe zum Thema „Mehrhundehaltung“.
TIPPS FÜR EINEN GELUNGENEN START
Der Anfang ist gemacht. Sie haben einen oder vielleicht sogar mehrere Kandidaten gefunden, von denen Sie glauben, dass sie gut zu Ihnen und Ihrer Familie passen. Nun sollten Sie den oder die Kandidaten besuchen, damit die Hunde sich in aller Ruhe kennenlernen können. Haben Sie nicht nur einen Hund in die engere Auswahl gezogen, ist es ratsam nicht alle Besuche an einem Tag zu machen. Das könnte Ihren Hund überfordern und ggf. reagiert er dann deshalb auf den zweiten oder dritten potentiellen neuen Mitbewohner nicht so, wie er es tun würde, wenn er ausgeruht und entspannt wäre. Stellen Sie Ihrem Hund an einem Tag am besten maximal zwei Hunde vor und geben Sie Ihrem Hund zwischen den Treffen Zeit, sich auszuruhen.
Um den ersten Kontakt zwischen den Hunden herzustellen treffen Sie sich auf neutralem Boden, also nicht bei Ihnen zu Hause, auf Ihren üblichen Gassistrecken oder im Zuhause bzw. der unmittelbaren Umgebung des Hundes, für den Sie sich interessieren. Viele Hunde verhalten sich in Ihrer gewohnten Umgebung anders als in Gebieten, in denen sie nicht so häufig unterwegs sind. Im gewohnten Umfeld werden fremde Hunde oft als Eindringlinge wahrgenommen, die es zu vertreiben gilt. Deshalb ist es besser, ein neutrales Gelände auszuwählen, denn damit schaffen Sie optimale Bedingungen sich kennenzulernen.
- Seien Sie besonders aufmerksam und behalten Sie die Hunde gut im Auge, wenn Sie bei diesen Treffen Ihren eigenen Hund oder den Wunschkandidaten mit Futter belohnen möchten, hier kann es schnell zu Streitigkeiten kommen und das wären keine guten Voraussetzungen für ein späteres Zusammenleben. Das Gleiche gilt natürlich auch für andere Ressourcen, wie beispielsweise Spielzeug.
Haben Sie bereits mehr als einen Hund zu Hause, sollten Sie den „Neuen“ zunächst jedem einzeln vorstellen, damit das potentielle neue Familienmitglied nicht gleich überfordert wird. Wenn die ersten Begegnungen entspannt verlaufen sind, können Sie den oder die anderen Hunde nacheinander dazu holen. Sie können dann einschätzen, ob die Chemie zwischen den Hunden stimmt, ob eine grundlegende Sympathie vorhanden ist oder ob die Wahrscheinlichkeit, dass die Hunde eine gute Beziehung zueinander aufbauen können eher gering ist. Von offensichtlichen Drohsignalen wie Knurren oder Zähne zeigen abgesehen, ist Desinteresse zum Beispiel ebenfalls ein Hinweis darauf, dass ein Hund den jeweils anderen nicht wirklich in seiner Nähe haben möchte.
Haben Sie einen guten Eindruck von der ersten Begegnung der Hunde, sollten Sie noch ein weiteres Treffen – ebenfalls auf neutralem Boden – arrangieren. Wenn auch dieses zweite Treffen entspannt verlaufen ist und die Hunde Interesse aneinander haben, ist es an der Zeit zu prüfen, ob dies auch dann noch zutrifft, wenn Sie Ihr mögliches neues Familienmitglied in die gewohnte Umgebung Ihres Hundes bringen. Wenn Sie möchten, können Sie einen kompetenten Hundetrainer bitten, dieses Treffen zu begleiten. Er ist in der Beobachtung von Hunden gut geschult und vor allem hat er emotionalen Abstand zu den Hunden und der Situation an sich. Deshalb kann er Ihnen eine objektive Einschätzung geben, ob Sie mit Ihren Beobachtungen und Ihrem Bauchgefühl bisher richtig lagen. Das kann sehr hilfreich sein und Sie davor bewahren möglicherweise eine falsche Entscheidung zu treffen. Wir kennen das alle: Wenn man sich erst einmal in einen bestimmten Hund verliebt hat, dann möchte man auch, dass dieser bei einem einzieht und dieser Wunsch kann die eigene Wahrnehmung durchaus stark beeinflussen.
Egal ob mit oder ohne Unterstützung, bereiten Sie Ihren Garten und auch Ihre Wohnung auf den Besuch des möglichen Neuzugangs vor. Das bedeutet, räumen Sie eventuelle Konfliktherde wie z.B. Spielzeug, Futternäpfe, Kauartikel, etc. weg, damit es später nicht zu bösen Überraschungen kommt. So stellen Sie sicher, dass die ersten zarten Bande, die die Hunde bisher geknüpft haben, nicht durch eine einzige schlechte Erfahrung der Hunde miteinander zerstört werden.
Im Garten sollten Sie zunächst beide Hunde anleinen. Der Neuzugang sollte dann in ausreichendem Abstand zum Eingang von seinem bisherigen Betreuer an der Leine gehalten werden und Sie gehen mit Ihrem Hund in den Garten. Bewegen Sie sich einige Minuten mit beiden Hunden und sorgen Sie für gute Stimmung. Loben Sie die Hunde mit freundlicher Stimme. Wenn bis hierhin alles gut klappt und Sie der Meinung sind, dass die Situation entspannt ist, dann können Sie die Hunde ableinen. Möglicherweise verstehen sie sich ja bereits so gut, dass sie im Garten ein wenig miteinander spielen möchten. Wenn nicht, ist das kein Beinbruch. Spielverhalten zeigt sich nur dann, wenn die beteiligten Hunde sich in Ihrem Umfeld und in der Gegenwart des oder der anderen sicher fühlen. Und bis es soweit ist, kann das bei einigen Hunden natürlich ein wenig dauern. Bevor Sie die Wohnung betreten sollten beide Hunde wieder entspannt und nicht durch ein mögliches vorangegangenes Spiel aufgedreht sein. Wenn Sie damit vertraut sind, nutzen Sie die Möglichkeiten des Entspannungstrainings (Konditionierte Entspannung, aktive Entspannung, etc.) um die Hunde herunterzufahren. Haben Sie bereits mehr als einen Hund machen Sie die Zusammenführung mit dem Neuling auch im Garten wieder einzeln und lassen nur dann, wenn alle Begegnungen erfolgreich verlaufen sind nach und nach jeweils einen weiteren Hund dazu.
Für viele Hunde ist so eine Zusammenführung sehr anstrengend und aufregend. Wenn Sie das Gefühl haben, dass einer der Hunde damit beginnt gestresst zu sein, dann sollten Sie das Treffen rechtzeitig beenden und das Betreten der Wohnung besser auf ein weiteres Treffen verschieben. Niemandem ist gedient, wenn die Hunde aneinander geraten, nur weil ihre Fähigkeit zur Selbstbeherrschung für heute ausgereizt ist oder weil sie einfach Ruhe brauchen. Besonders dann, wenn Sie bereits mehrere Hunde halten und der neue Hund sich mit all diesen erst nacheinander und dann auch gemeinsam auseinandersetzen muss, sollten Sie das Betreten des Gartens und der Wohnung auf zwei einzelne Treffen verteilen.
In der Wohnung sollten Sie den Neuzugang ohne Leine, Ihren Hund aber zunächst angeleint lassen. Am besten eignet sich für diesen Zweck eine am Brustgeschirr befestigte 3-Meter-Leine ohne Ringe. Sie bietet Ihrem Hund ausreichend Bewegungsspielraum, Sie können sie im weiteren Verlauf fallen lassen, aber trotzdem eingreifen, falls es nötig werden sollte. Sie sollten die Hunde wieder durch freundliches Loben unterstützen und für entspannte Stimmung sorgen. Wie bei der Gartenzusammenführung holen Sie auch hier die Hunde zunächst wieder nur einzeln herein, sofern Sie schon mehr als einen Hund halten. Der nächste Hund wird immer erst dann angeleint hereingeholt, wenn die Situation entspannt ist. Seien Sie zu jeder Zeit aufmerksam um sich anbahnende Konflikte zwischen den Hunden rechtzeitig erkennen und verhindern zu können.
Sollte es – egal ob beim Spaziergang, im Garten oder in der Wohnung – doch zu einer problematischen Situation kommen, greifen Sie ruhig und besonnen ein, indem Sie die Leine(n) aufnehmen und Distanz zwischen die Hunde bringen. Entspannen Sie die Hunde dann in Sichtweite zueinander bis Sie wieder ansprechbar sind und beenden Sie erst dann das Treffen. Sollte es trotz aller Aufmerksamkeit und Umsicht zu kleineren Konflikten zwischen den Hunden kommen bedeutet dies nicht, dass der Hund den Sie aufnehmen möchten kein geeigneter Kandidat ist. Wichtig ist, dass Sie nicht in Panik geraten und die Situationen ruhig auflösen. Notieren Sie sich im Anschluss in welcher Situation es zum Konflikt gekommen ist. Diese Situation werden Sie später mit den Hunden trainieren müssen.
Die Zusammenführung von Hunden, die miteinander leben sollen kann zeitaufwändig und sehr anstrengend für alle Beteiligten sein. Aber der Aufwand lohnt sich: Ein guter Start in das gemeinsame Leben ist die wichtigste Grundlage dafür, dass sich die Beziehung zwischen den Hunden harmonisch entwickeln kann. Dazu wird aber wahrscheinlich auch immer wieder einmal Ihre Unterstützung nötig sein. Wenn Sie sich nun für einen der geeigneten Kandidaten entschieden haben und fest steht, dass dieser bei Ihnen einziehen soll, dann beginnt eine sehr spannende Phase. Die Hunde müssen lernen gut miteinander auszukommen und eventuelle Konflikte friedlich zu regeln.
Wie das geht und wie Sie Ihren Hunden dabei helfen können, lesen Sie im nächsten Artikel dieser Reihe…
HAUSREGELN ODER WIE SOLLEN SICH MEINE HUNDE VERHALTEN?
Es ist soweit, die Treffen mit dem möglichen Neuzugang sind erfolgreich verlaufen und Sie haben sich entschieden diesen Hund in Ihre Familie aufzunehmen. Vielleicht steht der endgültige Einzugstermin sogar schon fest.
Besorgen Sie alles, was Ihr neuer Hund braucht, rechtzeitig vor seiner Ankunft. Jeder Hund im Haushalt sollte seinen eigenen Futter- sowie Wassernapf haben, seine eigenen Liegeplätze usw. Ich empfehle grundsätzlich immer mehr Liegeplätze, als Hunde zu haben, damit jeder Hund die Möglichkeit hat, den Platz zu wechseln und sich auf seinen Wohlfühlplatz zu legen. Dazu gehören Sonnen- und Schattenplätze, Plätze in einem ruhigen Bereich der Wohnung, auf denen die Hunde zur Ruhe kommen können, aber auch Plätze mitten im Geschehen, wie beispielsweise in der Küche und im Wohnzimmer. Genug von allem zu haben ist wichtig, weil damit die Wahrscheinlichkeit einer Ressourcenverteidigung unter den Hunden geringer wird. Wenn genügend Ressourcen vorhanden sind, gibt es weniger Grund sich zu streiten.
Muten Sie Ihren Hunden in den Tagen nach der Zusammenführung nicht zu viel zu. Spaziergänge in aufregenden oder sehr belebten Gebieten (Stadtbereich, Hundewiesen, etc.), sollten Sie erst zu einem späteren Zeitpunkt machen. Ihr Neuzugang sollte die ersten Wochen grundsätzlich durch eine lange Leine gesichert sein, damit er nicht weglaufen kann, weil er sich beispielsweise erschreckt oder einer Jagdleidenschaft nachgeht, von der Sie noch gar nichts wissen. Man hört leider immer wieder von Hunden, die nach nur wenigen Tagen im neuen Zuhause entlaufen sind – eine traumatische Erfahrung sowohl für den Hund als auch die neuen Besitzer.
Freunde und Familie sollten Sie erst dann einladen, wenn die Hunde einige Tage Zeit hatten sich an die neue Situation zu gewöhnen; planen Sie für die ersten Wochen keine Feierlichkeiten oder Reisen.
Spätestens jetzt ist es an der Zeit sich Gedanken darüber zu machen, wie das Zusammenleben Ihrer Hunde aussehen soll. Sie sollten ab dem ersten Tag mit Ihren Hunden trainieren und vorausschauend handeln, um Konflikte untereinander oder draußen beim Spaziergang zu vermeiden. Sie müssen Hausregeln aufstellen und diese den Hunden beibringen. Das betrifft das Verhalten untereinander, aber auch das Verhalten fremden Menschen und Hunden gegenüber und in bestimmten Situationen, wie z.B. beim Verlassen des Hauses oder dem Ein- und Aussteigen in bzw. aus dem Auto, beim Spaziergang in wildreichem Gebiet usw. Mit einem Hund ist dies alles in der Regel noch einfach zu machen, mit zwei oder noch mehr Hunden können bestimmte Situationen zu ungeahnten Herausforderungen werden.
- Welche Hausregeln Sie aufstellen wollen bleibt grundsätzlich Ihnen überlassen, da die nötigen Regeln abhängig von Ihrem Alltag und auch von Ihren Hunden selbst sind. Wer nie mit dem Auto mit seinen Hunden in ein Gassigebiet fährt, muss sich keine Gedanken darüber machen, welcher Hund zuerst ein- und aussteigt und wie er vermeiden kann, dass es dabei zu Chaos und Aufregung kommt. Folgende Gedanken sollen Sie dabei unterstützen, Ihre eigenen Hausregeln zu finden:
Verhalten untereinander:
- Kein Hund sollte einen anderen Hund in der Familie ständig einschränken, ihm Fressbares oder Gegenstände wegnehmen. Verstärken Sie deeskalierendes Verhalten bei allen Hunden! Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Ihre Hunde lernen, Konflikte untereinander friedlich zu lösen.
Eine Belohnung verdient sich, wer
- dem anderen Hund dabei zusehen kann, wie er aus seinem Napf, einen Kauartikel frisst, sich mit einem Spielzeug beschäftigt oder Streicheleinheiten bei der Bezugsperson bekommt.
- dem anderen Hund einen Liegeplatz überlässt.
- den anderen Hund vorbei oder durch bestimmte Durchgänge gehen lässt.
- den anderen Hund nicht von wichtigen Plätzen wie z.B. dem Ort der Futterzubereitung oder –aufbewahrung, den Wassernäpfen, der Haus- oder Terrassen-/Balkontür vertreibt und stattdessen seine Anwesenheit dort duldet.
TIPP:
Gerade zu Anfang können Konflikte vermieden werden, wenn Sie die Hunde bei der Fütterung aus dem Napf oder von Kauartikeln räumlich so trennen, dass Sie sich zwar sehen, aber nicht zueinander gehen können. Ein Kindergitter leistet hier gute Dienste. Lassen Sie Ihre Hunde anfangs nicht unbeaufsichtigt, wenn Fressbares zur Verfügung steht!
- Kein Hund sollte einen anderen Hund in der Familie belästigen, z.B. durch aufdringliche Spielaufforderungen oder Kontaktaufnahme, wenn der andere Hund dies nicht möchte. Bringen Sie dem Störenfried bei, was er stattdessen tun kann und belohnen Sie den Hund, der belästigt wird dafür, dass er den Störenfried durch Knurren oder Zähne zeigen warnt, anstatt ihn zu attackieren! Knurren und Zähne zeigen sind kein Aggressionsverhalten, sondern Kommunikation. Sie verhindert im besten Fall, dass es zu einer aggressiven Auseinandersetzung kommt. Damit das funktionieren kann, dürfen Sie keinen Ihrer Hunde für solch ein Verhalten bestrafen. Lernt der Hund, dass er Strafe zu erwarten hat, wenn er knurrt oder die Zähne zeigt, dann tut er dies künftig vielleicht nicht mehr, an seiner Gefühlslage hat sich jedoch nichts verändert. Er möchte immer noch mehr Distanz zum anderen Hund oder schlichtweg seine Ruhe haben. Wenn Knurren und Zähne zeigen jedoch verboten ist, bleibt dem Hund nichts anderes übrig, als direkt zu schnappen oder zu beißen, also Aggressionsverhalten zu zeigen.
Deshalb gilt: Versuchen Sie nicht Kommunikationsverhalten zu unterdrücken, sondern sorgen Sie durch freundliches und faires Training dafür, dass Ihre Hunde gut miteinander auskommen und nicht auf Aggressionsverhalten zurückgreifen müssen, um Konflikte zu lösen.
- Bringen Sie beiden Hunden das gleiche Entspannungssignal bei. Damit können viele Konflikte entschärft werden und es kommt nicht zur Eskalation. Generell ist Entspannungstraining ein unverzichtbares Hilfsmittel im Mehrhundehaushalt. Mehr dazu können Sie hier lesen.
- Frischen Sie Ihre Wissen über Konfliktsignale noch einmal auf. Dabei hilft Ihnen der Artikel „Wie erkenne ich aggressives Verhalten?“ von Ulrike Seumel weiter.
Verhalten fremden Menschen und Hunden gegenüber:
Selbstverständlich sollte ihr Einzelhund bisher weder Menschen noch Hunde draußen beim Spaziergang belästigt oder gefährdet haben, sprich er sollte gut abrufbar sein, Signale wie „Sitz“ oder „Warte“ sowie das Gehen an lockerer Leine, auch bei Ablenkungen gut beherrschen. Mit zwei oder mehr Hunden ist es noch wichtiger, dass die Hunde gut trainiert sind bzw. entsprechend gesichert sind, solange kein ausreichend guter Trainingsstand erreicht ist.
Beachten Sie folgende Punkte:
- Lassen Sie Ihre Hunde nicht zusammen zu einem einzelnen entgegenkommenden Hund laufen. Der entgegenkommende Hund ist mit zwei oder mehr Hunden, die auf ihn zu laufen und ihn dann vielleicht auch noch von hinten und vorne in die Zange nehmen um ihn zu beschnuppern meist schnell überfordert und kann mit Angst- oder Aggressionsverhalten reagieren. Sollte der Hund aus Angst wegrennen, kann schnell eine Hetzjagd entstehen, in der ihr Team den anderen Hund zur Beute macht. Besser ist es den Hund, dem es schwerer fällt zu warten zuerst zu dem entgegenkommenden Hund hinzulassen und erst nach erfolgter Begrüßung den zweiten Hund dazu zu lassen. Haben Sie mehr als zwei Hunde, sollten Sie alle Hunde nacheinander und nicht in Teams zu dem entgegenkommenden Hund lassen. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass Kontakt zwischen den Hunden überhaupt erwünscht ist.
- Drei sind meistens einer zu viel. Hat einer Ihrer Hunde einen Spielpartner gefunden, behalten Sie den anderen Hund bei sich und belohnen Sie ihn dafür, dass er es aushalten kann, den anderen beim Rennen und Toben zuzusehen.
- Lassen Sie Ihre Hunde nicht einfach so auf fremde Menschen zulaufen. Viele Menschen haben Angst vor Hunden, vor allem, wenn es mehrere Hunde sind. Leinen Sie Ihre Hunde also entweder an, lassen Sie sie bei Fuß laufen oder am Wegesrand sitzen, sofern alle Hunde dies schon können. Sie zeigen Ihren Mitmenschen dadurch, dass Sie alles im Griff haben und bringen so auch Ihrem Neuzugang gleich bei, wie er sich verhalten soll, wenn Menschen beim Spaziergang entgegen kommen. Besondere Aufmerksamkeit ist gefragt bei Joggern, Radfahrern, Skatern oder anderen sich bewegenden Objekten. Sie können nicht sicher wissen, ob diese Reize bei Ihrem Neuzugang möglicherweise Angst-, Aggressions- oder Jagdverhalten auslösen und wie Ihr bereits vorhandener Hund dann reagiert.
Andere Situationen:
- Trainieren Sie von Anfang an mit den Hunden das ruhige Verlassen der Wohnung. Bestätigen und belohnen Sie alle Hunde für ruhiges Verhalten beim Anziehen der Brustgeschirre und Anlegen der Leinen, vor dem Öffnen der Haustüre und beim Verlassen der Wohnung.
- Trennen Sie die Hunde anfangs im Auto räumlich voneinander, sei es durch eine Box mit Trennwand, mehrere Boxen oder indem Sie Rückbank und Kofferraum für den Transport der Hunde nutzen – natürlich mit jeweils ausreichender Sicherung. Im Auto haben Sie keinerlei Möglichkeit rechtzeitig zu erkennen, wenn sich Konflikte anbahnen und eine Eskalation zu verhindern. Können Sie Ihre Hunde später besser einschätzen, spricht nichts dagegen Sie ggf. auch zusammen in einer Box oder gesichert auf der Rückbank zu transportieren. Sollte einer Ihrer Hunde dazu neigen den anderen Hund nicht mehr ins Auto zu lassen, wenn er erst einmal drin ist, dann lassen Sie diesen Hund grundsätzlich als Letzten einsteigen.
- Wenn Sie in wildreichem Gebiet unterwegs sind, sollten Sie auch Ihre(n) bereits vorhandene(n) Hund(e) zur Sicherheit in der Anfangszeit anleinen. Denn auch wenn dieser bisher kein Jagdverhalten gezeigt hat oder gut zu kontrollieren war, kann sich das durch einen vierbeinigen Kameraden schnell ändern.
- Grundsätzlich sollten Sie lieber zu vorsichtig, als zu leichtfertig im Umgang mit Ihren Hunden sein. Lieber einmal zu viel getrennt, als wegen einer Keilerei zum Tierarzt zu müssen. Lieber einmal zu viel angeleint, als den Hunden hinterher schauen zu müssen, während diese ins Unterholz düsen oder einen Radfahrer verfolgen.
Üben Sie mit beiden Hunden wichtige Signale für Sitzen, Warten, Zurückkommen usw. zunächst einzeln, aber auch zügig zusammen. Haben Sie mehr als zwei Hunde, dann üben Sie erst einzeln, dann mit allen Zweier-Teams, dann mit allen Dreier-Teams usw. Es ist wichtig direkt mit dem gemeinsamen Training zu beginnen, sobald jeder Hund die Grundlagen verstanden hat. Denn für die Hunde ist die Situation eine andere, wenn ein weiterer Hund dabei ist und Signale, die Ihr bereits vorhandener Hund alleine bereits gut beherrscht funktionieren möglicherweise nicht, weil er sie im Gruppenkontext nie gelernt hat.
Machen Sie sich darauf gefasst, dass Ihr Ersthund möglicherweise Verhaltensweisen zeigt, die er bisher noch nie gezeigt hat, wie das zuvor schon genannte Jagdverhalten, aber ggf. auch Aggressionsverhalten gegenüber anderen Hunden. Auch ist es möglich, dass Ihr Ersthund nicht begeistert ist, wenn Sie beim Gassi mit Ihrem Neuzugang üben möchten. In solchen Fällen sind Sie gut beraten, wenn Sie einen Trainer hinzuziehen, der Erfahrung mit der Mehrhundehaltung bzw. dem Training mehrerer Hunde gleichzeitig hat.
Wie Sie sehen, kommt einiges an Arbeit – aber auch jede Menge Freude – auf Sie zu, um Ihren Hunden auch im Team gutes und erwünschtes Verhalten beizubringen. Wie Sie das Training mit mehreren Hunden gestalten können ohne dass dabei Chaos entsteht, lesen Sie im nächsten Artikel dieser Reihe.