Der Tod ist kein Tabu
WIR WERDEN ALLE STERBEN
Eine ganz einfache Tatsache. Und doch gibt es wenige Themen, die in unserer Gesellschaft so wenig Platz haben wie das Sterben, der Tod und die Trauer. Sie werden im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen. Wir lernen nicht mit Sterben, Tod und Trauer umzugehen. Nicht was uns selbst betrifft und schon gar nicht was andere betrifft. Wenn der Tod dann aber da ist, dann herrscht oft Unsicherheit und Hilflosigkeit, was sich im Verhalten der Menschen widerspiegelt.
Die letzten Wochen waren für mich und meine Lieben sehr fordernd.
Maya ist am 4. April 2024 gestorben und wir mussten uns nicht nur mit ihrem Tod auseinandersetzen, es sind noch einige weitere liebe Vierbeiner gestorben und auch zwei Menschen sind nicht mehr da. Zwei Menschen, die eigentlich noch viel zu jung waren, um zu gehen.
Entsprechend ist das Thema Tod in meinem Leben wieder einmal sehr präsent – seit meinem 10. Lebensjahr werde ich immer wieder damit konfrontiert.
Ich hatte also ehrlich gesagt nie groß die Wahl, ob ich mich damit auseinandersetzen wollte oder nicht. Es ging einfach nicht anders.
Ich kann heute von mir behaupten, einen für mich guten Umgang mit diesem Themenkomplex gefunden zu haben. Mir machen Sterben, Tod und Trauer keine Angst – ich weiß, dass sie mich mein ganzes Leben lang immer und immer wieder begleiten werden, bis dann eines Tages ich selbst an der Reihe bin. Und dann werden Menschen in meinem Umfeld mit meinem Sterben, meinem Tod und ihrer Trauer umgehen müssen.
Dass ich keine Angst vor diesen Themen habe, bedeutet nicht, dass es mir nichts ausmacht oder dass es leicht ist.
Das ist der springende Punkt: Es ist NICHT leicht. Es ist das Schlimmste, Beschissenste, Härteste und Anstrengendste, was einem im Leben passieren kann. Nichts ist auch nur annähernd vergleichbar mit dem Verlust einer geliebten Person – egal ob diese Person zwei oder vier Beine hat.
Ich spreche über den Tod.
Mit anderen Trauernden.
Mit Menschen, die mit dem Tod in Berührung gekommen sind und die darüber sprechen möchten.
Mit Menschen, die noch nie mit dem Tod zu tun hatten, aber wissen, dass ihr Hund mit großer Wahrscheinlichkeit vor ihnen sterben wird.
Mit jedem, der möchte.
Ich schreibe darüber.
Weil ich will, dass dieses Thema mehr Raum bekommt. Dass es normal wird, darüber zu sprechen, damit Ängste, Unsicherheit und Hilflosigkeit nicht bis in alle Ewigkeit die Hauptakteure bleiben, wenn es um Sterben, Tod und Trauer geht.
GUT GEMEINTE WORTE UND DIE UN-TRÖSTLICHKEIT DER TRAUER
Stirbt eine geliebte Person und für mich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob es sich dabei um einen Menschen oder ein Tier handelt, dann sehen sich die engsten Angehörigen mit allerlei Beileidsbekundungen konfrontiert. Allzu oft wird einem “Mein herzliches Beileid zu deinem Verlust.” auch noch etwas beigefügt, was den Betroffenen Trost spenden soll, wie z.B. “Bald werden die schönen Erinnerungen überwiegen.”
Aber mal ganz ehrlich: Wie soll man jemanden trösten, dessen ganze Welt gerade stillsteht und in Trümmern liegt?!
Trösten ist gut gemeint. Es hat zum Ziel, dass der andere sich wieder besser fühlt.
“Alles halb so wild, das wird wieder.”
Wenn jemand stirbt, dann ist das aber kein aufgeschlagenes Knie und auch keine zerbrochene Lieblings-Tasse. Den Betroffenen ist das Schlimmste passiert, was uns als sozialen Tieren geschehen kann: Wir haben eine:n Bindungsparter:in verloren, einen ganz entscheidenden Teil unseres Lebens, unseres Seins, unserer Definition unseres Selbst.
Dieser Verlust muss betrauert werden und ALLE dazugehörigen Gefühle dürfen sein.
Der Versuch, jemanden zu trösten, der gerade jemanden verloren hat, ist zwar gut gemeint, aber er ist oft weder hilfreich noch sinnvoll. Trösten hat immer das Ziel, dass der andere sich besser fühlen soll. Laut Wikipedia soll durch Teilnahme und Zuspruch jemandes Leid gelindert werden. Das GEHT im Fall eines solch gravierenden Verlustes nicht!
Tröstende Worte klingen für Trauernde oft hohl oder verursachen bei vielen sogar noch mehr Schmerz, weil die Betroffenen sich in ihren Gefühlen nicht gesehen, gehört und akzeptiert fühlen und eventuell sogar denken, ihre Gefühle seien falsch und unangebracht.
Unfassbare Traurigkeit, ein riesiger, teilweise kaum aushaltbarer seelischer Schmerz, Sprachlosigkeit und Weinen, das alles ist dem Verlust einer geliebten Person vollkommen angemessen. Es ist alles, was die Betroffenen in der direkt auf den Verlust folgenden Phase noch haben und was sie mit der verstorbenen Person verbindet.
Wenn du einen trauernden Menschen wirklich unterstützen möchtest, dann hilft es, seine Gefühle und ihn selbst mit diesen Gefühlen auszuhalten. Du musst eigentlich gar nichts sagen, außer vielleicht, dass es dir leid tut. Denn jedes Wort ist eigentlich irgendwie zu viel und gleichzeitig doch auch viel zu wenig.
WIR MÜSSEN REDEN
Ängste, Unsicherheit und Hilflosigkeit spielen eine große Rolle, wenn es um die Themen Sterben, Tod und Trauer geht. Und während sich Glück, Freude und Liebe sich verdoppeln, wenn man sie teilt, geschieht mit Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit genau das Gegenteil. Sie werden kleiner und man stellt fest: Ich bin mit all dem nicht allein. Auch andere haben Angst, sind unsicher und hilflos im Angesicht des Todes.
Miteinander über das Sterben, den Tod und die Trauer zu reden, macht nichts schlechter, aber so vieles besser.
Deshalb wünsche ich dir: Sei mutig, trau dich!
Dich mit Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen ist nicht morbide. Es ist das einzig Sinnvolle, denn niemand von uns kommt hier lebend raus.
Und wir ALLE werden entlang des Weges liebe Wegbegleiter verlieren und unseren Weg ohne sie weitergehen müssen.
Als Einstieg empfehle ich dir gerne das Buch “endlich. ÜBER TRAUER REDEN” und den dazugehörigen Podcast “endlich. wir reden über den tod”, den du unter https://endlich.cc/ findest. Beides ist ein Gemeinschaftsprojekt von Susann Brückner und Caroline Kraft.
Und wenn du reden willst: Ich höre zu.