Targettraining mit Waschbären
CLEVERE KLEINE GAUNER MIT DEM CLICKER STRESSFREI TRAINIEREN
Als ich davon hörte, dass in der Wildtierstation in Elmshorn zwei Waschbären aufgenommen wurden, setzte ich mich sofort mit der dortigen Leitung in Verbindung. Vielleicht war ja ein Training mit diesen cleveren kleinen Kerlchen möglich? Ich berichtete über meine Arbeit mit verschiedenen Tieren und so konnte ich über einen Zeitraum von einem Monat für jeweils eine Stunde pro Woche mit dem Training der Waschbären Bruno und Frodo beginnen.
Beide Rüden waren etwa ein Jahr alt und kamen im Herbst 2013 in die Station. Das Außengehege hatte eine Größe von ca. 20m² und war mit vielen Klettermöglichkeiten, Höhlen und einem Planschbecken ausgestattet. Vermutlich kannten sie den Umgang mit dem Menschen. Die Pfleger berichteten, dass die Tiere vor der Winterruhe positiv auf Menschen reagiert hatten, teilweise aus der Hand gefüttert wurden und das Gehege zur Fütterung und Säuberung betreten werden konnte.
Ich begann mit meinem Training Ende Februar 2014. Waschbären halten Winterruhe. In dieser Zeit reduzieren sie sehr stark ihre Aktivitäten und halten sich fast ausschließlich in ihren Höhlen auf. Ich musste somit erst einmal testen, inwieweit ein Training zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich war. Während Bruno beim Auftauchen von Menschen immer neugierige Kontaktversuche startete, zog sich Frodo immer in eines der Verstecke zurück. Der Lieblings-Rückzugs- und Schlafplatz waren zwei zusammengebaute, mit Stroh gepolsterte Rattankörbe. Dies wurde der Ausgangsort für unser Training.
Da in Schleswig–Holstein die Auswilderung von Waschbären nicht erlaubt ist, mussten die zwei in menschlicher Obhut bleiben.
Meine Arbeit sollte einen vertrauensvollen, stressfreien Umgang mit den Tieren, Pflegearbeiten im Gehege, ein besseres Handling und die evtl. erforderliche medizinische Versorgung ermöglichen. Außerdem wollten wir die beiden Zöglinge durch das Training körperlich und geistig besser auslasten und somit ihr Leben in Gefangenschaft bereichern. Das Training über positive Verstärkung erhöht nachweislich die Kooperationsbereitschaft der Tiere, da die enge Zusammenarbeit mit dem Menschen eine positive Beziehung fördert. Die geistige und körperliche Beschäftigung beugt Verhaltensauffälligkeiten vor und dient im Rahmen des „Medical Trainings“ der Stressreduktion bei Untersuchungen und im Umgang mit den Tieren.
Da bei der positiven Verstärkung mit Futterbelohnungen gearbeitet wird, musste ich erst einmal herausfinden, was die beiden Waschbären wirklich gerne fressen. Hierfür startete ich einen Test und bereitete verschiedene Leckereien vor. Neben Hunde- und Katzenfutter testete ich frisches sowie getrocknetes Obst und Gemüse.
- Es stellte sich heraus, dass die zwei ausgesprochene Naschkatzen waren. Das frische und getrocknete Obst wurde dem Hunde- und Katzenfutter vorgezogen.Ich begann mit der Konditionierung auf den Clicker. Die Tiere sollten das Geräusch des Clickers mit einer Belohnung verknüpfen. Dies ging sehr schnell und die Beiden hatten schon nach wenigen Wiederholungen verstanden, dass nach diesem ungewohnten Geräusch etwas Leckeres folgte.Zu Beginn meines Trainings sollte das Targettraining, im speziellen der Nasentarget, aufgebaut werden. Hier sollte das Tier mit der Nase einen Gegenstand berühren. Das Präsentieren des Targets löst dabei das Verhalten des Tieres (Anstupsen mit der Nase) aus.
Das Targettraining ist eine Methode des positiven Verstärkungstrainings und findet in vielen Bereichen von Training und Enrichment seine Anwendung. So können die Tiere mit Hilfe des Targetstabes zum Beispiel problemlos gewogen und mit einer Transportbox vertraut gemacht werden. Auch das Lenken der Tiere innerhalb des Geheges wird mit Hilfe dieser Methode zum „Kinderspiel“.Ich testete zwei verschiedene Targetstäbe. Einen Stab mit einer rot markierten Spitze und einen Stab mit einem Tennisball. Der Tennisballtarget erwies sich als spannender und so verwendete ich diesen für das weitere Training.
Ich war sehr überrascht, wie schnell Bruno den Nasentarget annahm. Schon nach 20 Trainingsminuten an zwei Tagen konnte ich den Target vor dem Schlafkörbchen präsentieren und Bruno stupste eifrig mit der Nase an den Stab.
Die nächsten Trainingseinheiten sollten nun auch außerhalb des Schlafplatzes erfolgen. So präsentierte ich den Target immer etwas weiter vom Ausgang des Schlafplatzes entfernt und konnte Bruno mit ein paar gut positionierten Futterpunkten dazu bewegen, aus seinem Körbchen herauszukommen. Anfangs präsentierte ich den Targetstab aus einer Entfernung von ca. 30 cm. Jeder neugierige Blick von Waschbär Frodo wurde mit einem Click und einer Futtergabe belohnt. Bald war der Stab so spannend, dass ich diesen direkt vor Frodos Nase halten konnte. Nun musste ich wirklich sehr schnell sein und sofort clicken, wenn nur die Nase den Target berührte. Dies war nicht so einfach, denn Waschbären sind mit ihren Händen sehr aktiv und wollen alles Neue auch unbedingt mit den Pfoten untersuchen.
- Frodo hielt sich während des Trainings immer im Körbchen auf und beobachtete seinen Kumpel Bruno sehr genau. Manchmal kam auch er zum Ausgang und nahm neugierig, aber sehr zögerlich Kontakt zu mir auf. Während Bruno manchmal kleine Trainingspausen einlegte, kam Frodo zum Eingang und berührte vorsichtig den Targetstab. Das Futter nahm er dann auch aus der Hand.
Anfang April zogen die Waschbärjungs in einen Wildpark mit einem großen spannenden Gehege und vielen Kumpels. Wir waren sehr froh, so einen tollen Platz für die Beiden gefunden zu haben. Ob das Training dort fortgesetzt wurde, kann ich nicht sagen…
…aber die Basis für einen stressfreien Umgang in Obhut des Menschen ist gelegt!
(Beitrag aktualisiert: August 2024)