RASSEPORTRAIT: DER GOLDEN RETRIEVER
Jede:r kennt ihn. Ob im Fernsehen, in der Werbung oder im Hundetraining, der Golden Retriever ist omnipräsent. Er ist unkompliziert, liebenswürdig und immer freundlich – einfach der perfekte Familienhund. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt. Oder etwa nicht?
Wir werfen einen Blick auf eine der beliebtesten Rassen Deutschlands und der Welt.
ECKDATEN
- FCI-Gruppe: 8 Apportier-, Stöber- und Wasserhunde, Sektion 1 Apportierhunde
- Ursprungsland: Großbritannien
- Größe: Rüden 56 – 61 cm, Hündinnen 51 – 56 cm
- Gewicht: Rüden 34 – 40 kg, Hündinnen 30 – 36 kg
- Fell: mittellang, glattes oder welliges Deckhaar, wasserabweisende Unterwolle
- Farbe: hellcreme bis dunkelgold
- Lebenserwartung: 10 – 14 Jahre
ENTSTEHUNG UND URSPRÜNGLICHE VERWENDUNG
Die Geschichte des Golden Retrievers reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Damals brachten britische Seeleute Hunde mit nach England, die ihnen in Neufundland durch ihre ausgeprägten Apportierfähigkeiten und Begeisterung fürs Wasser ins Auge gestochen waren. Durch Einkreuzungen von englischen Jagdhunden entwickelten sich Wavy-coated Retriever in unterschiedlichen Fellfarben. Im Laufe der Zeit wurden diese Hunde mit Tweed-Water-Spaniels, Irish Settern und einem Bluthund gekreuzt und es entstand der Golden Retriever, den wir heute kennen.
Wie alle Retriever-Rassen ist auch der Golden Retriever für die Jagd nach dem Schuss, das heißt für das Apportieren von geschossenem Wild (insbesondere Enten) gezüchtet. Dafür muss der Hund zunächst ruhig beim Jäger warten können (Steadiness), aufmerksam beobachten und sich die Fallstellen von geschossenen Vögeln merken. Dabei darf er sich durch den Schuss nicht aus der Ruhe bringen lassen (Schussfestigkeit). Auf Signal soll er dann zielstrebig und schnell zur Fallstelle laufen – auch über unwegsames Gelände und durch Gewässer. Für den Fall, dass nur die Jäger:in die Fallstelle kennt, muss der Hund sich durch Signale auch auf Distanz zur richtigen Stelle leiten lassen. An der Fallstelle angekommen, muss er den genauen Aufenthaltsort der Beute ausfindig machen und dabei eventuell Spuren von angeschossenem, geflüchtetem Wild selbstständig nachgehen. Sobald er es gefunden hat, soll der Hund das Jagdobjekt aufnehmen und auf direktem Weg und mit weichem Maul, das heißt, ohne es zu beschädigen, zur Jäger:in zurückbringen. Schließlich soll er der Jäger:in die Beute auf Signal ohne zu zögern in die Hand ausgeben. Außerhalb der Jagd soll der Apportierhund ein unkomplizierter Hausgenosse sein, der sowohl mit anderen Hunden als auch mit Menschen bestens zurechtkommt.
Aus dieser ursprünglichen Verwendung, die auch heutzutage noch Bestand hat, resultieren viele der Eigenschaften des Golden Retrievers.
ZUCHTZIEL
Der internationale Rassestandard des Golden Retrievers schreibt folgendes zum Wesen der Rasse:
„Wille zum Gehorsam, intelligent mit natürlicher Anlage zu arbeiten. Freundlich, liebenswürdig und zutraulich.“
Folgende Eigenschaften lassen sich aus der Zuchtordnung des Deutschen Retriever Clubs ableiten:
- Freundlichkeit
- Ausgeglichenheit
- Unerschrockenheit
- Lebhaftigkeit
- Menschenbezogenheit ohne übermäßige Abhängigkeit
- „Will to please“
- Finderwille
- Beute- und Bringtrieb
- Affinität zu Wasser
Diese Eigenschaften repräsentieren das Zuchtziel, also das Ideal eines Golden Retrievers.
Aber wie sieht es in der Realität aus?
Wie sieht der Alltag mit einem Golden konkret aus?
„GOLDEN RETRIEVER LIEBEN (ALLE) MENSCHEN“:
Der wohl bekannteste Spruch über den Golden lautet: „Ein Golden Retriever vertreibt keinen Einbrecher; stattdessen freut er sich über den Besuch und hilft ihm, die Wertsachen aus dem Haus zu tragen“. Und in der Tat sind die meisten Goldies fremden Menschen gegenüber aufgeschlossen und gewinnen Menschen, die sich mit ihnen beschäftigen, schnell lieb. Dabei gibt es auch einige sehr überschwängliche Goldies, deren offenes Wesen sich unter anderem darin äußert, auf dem Spaziergang jede:n stürmisch begrüßen zu wollen – unabhängig davon, was ihr Gegenüber davon hält. Auch das Hochspringen an Besucher:innen, Postbot:innen und Spaziergänger:innen ist etwas, das man beim Golden häufiger beobachten kann. Und wenn ein schlammbedeckter 30-Kilo-Hund im Park vor Freude an der nichtsahnenden alten Dame hochspringt, kann das durchaus problematisch werden.
Den Spruch sollte man aber nicht gänzlich für bare Münze nehmen. Denn es gibt durchaus auch einige Rassevertreter, die einen gewissen „Wachtrieb“ an den Tag legen und Briefträger und sonstige „Eindringlinge“ konsequent mit lautem Bellen melden. Sie lassen sich durch eine freundliche Kontaktaufnahme aber meist schnell überzeugen – insofern hat die hundeaffine Einbrecher:in vielleicht doch Glück.
Anders als gemeinhin angenommen gibt es aber auch Goldies, die Fremden gegenüber aggressiv auftreten. Paradoxerweise sind daran nicht selten ihr guter Ruf und das freundliche Erscheinungsbild schuld. Dadurch kommt es nämlich oft dazu, dass Menschen und insbesondere Kinder sich ungefragt annähern und ihnen unbeholfen den Kopf tätscheln wollen. Diese aus Hundesicht sehr unfreundliche und distanzlose Form der Kontaktaufnahme finden selbst Goldies nicht unbedingt toll, wodurch es durchaus zu Problemen kommen kann. So hat meine Hündin als Welpe beispielweise leider gelernt, dass sie sich übereifrige Kinder durch frühzeitiges Bellen vom Hals halten kann. Aber zur Beziehung zwischen dem Golden Retriever und Kindern später mehr.
Was ihre Familie angeht, sind viele Golden Retriever gesellige Hunde, die den engen Kontakt zu ihren Menschen suchen und Körperkontakt und Streicheleinheiten sehr genießen. Durch ihre Anhänglichkeit kann es jedoch zu Problemen beim Alleinebleiben kommen. Oft wird Trennungsstress auch übersehen, wenn Hunde nur subtilere Anzeichen zeigen.
Hier sollte man als Golden-Halter:in kleinschrittig mit positivem, bedürfnisorientiertem Training ansetzen, bevor Trennungsstress überhaupt erst entstehen kann.
„GOLDEN RETRIEVER SIND VERTRÄGLICH MIT ANDEREN HUNDEN“
Der Golden Retriever ist im Allgemeinen auch (fremden) Hunden gegenüber sehr offen eingestellt. Ähnlich wie bei Begegnungen mit Menschen kann man auch bei Hundebegegnungen viele Goldies als freundlich-aufdringlich und ein wenig tollpatschig beschreiben, womit nicht alle Hunde gut zurechtkommen. Hier muss man dem Golden helfen, auf die kommunikativen Signale des anderen Hundes zu achten und entstehenden Frust abfangen. Sonst hat man eventuell einen Hund zuhause, der ungebremst zu fremden Hunden stürmt, sobald er sie am Horizont erspäht und angeleint vor Frust bellt und mit vollem Körpereinsatz in die Leine springt.
„GOLDEN RETRIEVER JAGEN NICHT“
Als (ehemaliger) Jagdhund hat der Golden Retriever selbstverständlich Interesse am Jagen. Als Apportierhund wurde er speziell auf das Tragen von Beute und eine hohe Kooperation mit dem Menschen hin selektiert. Bedeutet das also, dass der Golden nur in Abstimmung mit seinem Menschen jagt? Nein. Bis ein jagdlich geführter Golden ruhig am Wild warten kann, braucht es einiges an Voraussicht, Zeit und Training. Sich also darauf zu verlassen, dass der Golden von sich aus kein unerwünschtes Jagdverhalten zeigt, kann leicht schief gehen. Besonders wenn der Golden Retriever seine jagdlichen Bedürfnisse nicht in einem akzeptablen Rahmen ausleben darf, findet er dafür eben eigene Wege. Auch ein Apportierhund entdeckt schnell den Spaß am Hetzen von Katze, Kaninchen und Co. Trotzdem ist der Jagdtrieb des Golden im Durchschnitt einfacher lenkbar, als dies bei vielen anderen Jagdhunderassen der Fall ist: Golden Retriever halten oft einen engeren Radius um den Menschen ein und sind leichter zur Zusammenarbeit zu motivieren als eigenständig arbeitende Jagdhunderassen.
So oder so ist ein achtsamer Umgang mit dem Thema Jagdverhalten von Beginn an wichtig.
„GOLDEN RETRIEVER WOLLEN IHREM MENSCHEN GEFALLEN“
Der Golden Retriever ist für die enge Zusammenarbeit mit dem Menschen gezüchtet. Das heißt aber nicht, dass er mit seiner Aufmerksamkeit immer beim Menschen ist und man keine Zeit in sorgsames Training investieren müsste. Auch der viel beschriebene „will to please“ (wörtlich „Wille zu gefallen“) bedeutet keineswegs, dass der Golden seinen Menschen jeden Wunsch von den Augen abliest.
Er beschreibt viel eher, dass der Hund eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Menschen mitbringt. Dennoch muss sich, wie auch bei jedem anderen Hund, das kooperative Verhalten für ihn lohnen. Nur mit einem Lächeln und einem freundlichen Tätscheln als Lob werden auch Goldies lieber ihren eigenen Interessen nachgehen, als sich auf die sonderbaren Wünsche ihres Menschen einzulassen. Dabei macht es uns der Goldie in der Regel aber leicht: Ob Leckerlis, Spiel, Planschen im Wasser oder gemeinsames Entdecken von Umweltreizen, sie lassen sich für viele Dinge begeistern, sodass die Auswahl an möglichen Belohnungen groß ist.
„GOLDEN RETRIEVER SIND VERFRESSEN“
Ja, der Goldie hat eine hohe Futtermotivation (böse Zungen bezeichnen es als Verfressenheit). Für schmackhafte Leckerlis würden viele Vertreter dieser Rasse Kopfstand machen. Das erleichtert uns das Training oft ungemein. Bei der Auswahl der passenden Belohnung gibt es beim Golden dennoch mehr zu beachten, als es auf den ersten Blick scheint: Ohne entsprechendes Vortraining geht die Konzentrationsfähigkeit bei vielen Goldies abhanden, sobald Käse, Wiener oder sonstige Köstlichkeiten in greifbare Nähe rücken. Über die Wertigkeit von Futter muss man sich also durchaus Gedanken machen. Und natürlich zieht auch Futter nicht bei jedem Goldie, wenn auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Nachbarskatze entlangspaziert.
Die hohe Futtermotivation hat aber auch ihre Kehrseite: Viele Goldies sind Meister darin, Fressbares (zumindest aus Hundesicht – es kann sich dabei auch gerne mal um Kot handeln) aufzuspüren und sich in Rekordgeschwindigkeit einzuverleiben. Hier ist ein sorgsamer Umgang mit gefundenen Leckerbissen sehr wichtig. Ansonsten lernt der Golden rasch, wie er verhindern kann, dass ihm der Fund von seinem Menschen direkt wieder weggenommen wird. Nämlich indem er sich mit seiner Beute schnellstmöglich aus dem Staub macht, oder schlimmstenfalls sogar indem er sie vor dem Menschen mittels Aggressionsverhalten verteidigt.
Oft geben sich Goldies auch nicht lange mit Nichtigkeiten wie Kauen ab, was wiederum bei der Gabe von Futter und Kauartikeln bedacht werden muss. Hier besteht eventuell Erstickungsgefahr.
„GOLDEN RETRIEVER APPORTIEREN“
Es stimmt, der Golden Retriever trägt rassetypisch gerne Dinge im Maul. Unterwegs ist dabei zum Beispiel jede Form von Stöckchen, egal ob kleiner Zweig oder meterlanger Ast, als Tragegegenstand beliebt. (Hier ist allerdings etwas Vorsicht geboten, da beim Rennen mit Stock im Maul Verletzungsgefahr besteht.) Spätestens zuhause fallen ihm aber nicht nur Bälle und Stöckchen zum Opfer, sondern oft auch Socken, Unterwäsche und generell alles, was nicht niet- und nagelfest ist. In Situationen freudiger Erregung, wie zum Beispiel bei der Rückkehr der Bezugsperson, brauchen viele Goldies etwas, was sie ins Maul nehmen können. Meine Hündin sucht sich als Begrüßungszeremonie vorzugsweise ein großes, weiches Spielzeug, das sie dann wuffend und schwanzwedelnd durch den Raum trägt. Zur Not tun es aber auch Tasche, Jacke oder Schuhe.
Und tatsächlich bringen viele Golden Retriever neben dem Tragen auch eine gewisse Leidenschaft fürs (Zurück-)Bringen mit. Das klassische Bällchenwerfen, bei dem der Hund Mal um Mal im gestreckten Galopp seinem Ball hinterherrennt, ist zwar sehr niedlich, stellt aber auf Dauer eine hohe Belastung für die Gelenke dar und begünstigt im Zweifelsfall, dass der Hund zum „Balljunky“ wird. Bällchenwerfen sollte also planvoll und in Maßen stattfinden. Konkret sollten ausgewogene Spielsequenzen mit gezielten Auf- und Abwärmphasen und einem Abschlussritual, dass dem Hund beim Runterfahren hilft, die Regel sein.
Dass der Golden Retriever laut Rassebeschreibung ein „weiches Maul“ hat, heißt nicht, dass er seine Zähne nicht einsetzen würde. Mit einem Golden Retriever-Welpen holt man sich genauso einen Piranha ins Haus wie mit jeder anderen Rasse. Und auch im Erwachsenenalter gibt es genug Goldies, die mit Vorliebe ihre Spielzeuge oder auch das ein oder andere Besitztum ihres Menschen zerstören.
„GOLDEN RETRIEVER LIEBEN WASSER“
Golden Retriever lieben typischerweise nicht nur jede Art von Gewässer, sondern sie scheuen es auch nicht, sich in jede einzelne Schlammpfütze zu legen, die ihnen begegnet. Insofern sollte man, was Dreck und Erde in der Wohnung angeht, nicht allzu penibel sein, da der Schlamm sich durch die Fellstruktur auch nur sehr mühsam auswaschen lässt. Es lohnt sich also gegebenenfalls, nach dem Spaziergang ein Handtuch parat zu haben, um das Gröbste an Schmutz und Nässe noch vor der Haustür zu entfernen. Aber auch man selbst sollte nicht wasserscheu sein, denn: Nasse Hunde schütteln sich und dabei bekommt jede:r, der sich nicht schnell genug in Sicherheit bringt, eine kostenlose Dusche ab. Bei allem Spaß am Baden ist aber bei niedrigen Wassertemperaturen oder einer starken körperlichen Beanspruchung im Wasser Vorsicht geboten, da es sonst zu einer sogenannten „Wasserrute“ kommen kann. Dabei handelt es sich um eine extrem schmerzhafte Muskelerkrankung im Bereich des Rutenansatzes.
Auch Nässe von oben stört die meisten Golden Retriever keinen Deut. Schlechtes Wetter hält die wenigsten von ihnen davon ab, ausgiebig spazieren gehen zu wollen. Du solltest dich also mit warmen Klamotten und Regenmänteln eindecken, denn während du bibbernd neben ihm stehst, hat der Goldie die Zeit seines Lebens im Schnee, Wind, Regen oder Sturm.
„GOLDEN RETRIEVER SIND UNERSCHROCKEN“
Goldies wird Gelassenheit und Unerschrockenheit nachgesagt. Dies ist in der Realität aber leider nicht immer der Fall. Viele Goldies sind umweltsichere und souveräne Hunde. Aber es gibt auch immer wieder sensible Golden Retriever, die zur Ängstlichkeit neigen und natürlich spielen hier auch der Umgang und die gemachten Erfahrungen eine ganz entscheidende Rolle. Wer einen Golden Retriever zu sich holt, sollte also nicht darauf vertrauen, dass er von sich aus unerschrocken ist, sondern aktiv dazu beitragen.
„GOLDEN RETRIEVER SIND IMMER FRÖHLICH UND GEDULDIG“
Golden Retriever sind tatsächlich tendenziell Konfliktvermeider. Bei Angst und Unsicherheit neigen viele Goldies daher auch zum Fiddeln („Herumalbern“ als Konfliktstrategie). Dies wird fälschlicherweise oft als Freude interpretiert. So wird der innere Konflikt übersehen und den Hunden nicht geholfen. Dies kann in der Folge dazu führen, dass sich der Hund gezwungen sieht, seine Strategie zu wechseln und im ungünstigsten Fall zu Aggressionsverhalten übergeht. Ein typisches Beispiel ist hier der Tierarztbesuch, über den sich der Golden Retriever scheinbar so sehr freut, dass er in der Praxis wild umherspringt und Tierärzt:in und Tierarzthelfer:innen das Gesicht schleckt. Aggressionsverhalten wird also beim Golden Retriever tendenziell eher später ausgelöst, aber es gehört definitiv zum Verhaltensrepertoire eines jeden Golden Retrievers sowie eines jeden Hundes. Es ist also wichtig, sich mit den individuellen Konfliktstrategien seines Golden auseinanderzusetzen und darauf einzugehen.
„GOLDEN RETRIEVER SIND VON HAUS AUS AUSGEGLICHEN“
Was die Ausgeglichenheit des Golden angeht, so steht und fällt hier alles mit der geeigneten Auslastung und Bedürfnisbefriedigung. Bei Über- oder Unterforderung wird der Goldie, wie alle Hunde, gestresst und hibbelig. Der Golden ist keine Couchpotato, er kommt aber – sofern er dies lernen durfte – auch mal mit dem ein oder anderen ereignislosen Tag gut zurecht. Er braucht körperliche und geistige Auslastung in Form von gemeinsamen Aktivitäten mit seinen Menschen und selbstständigem Nachgehen seiner Hobbies genauso wie ausreichend Ruhephasen.
Die typische Beschäftigung für alle Retrieverrassen ist die Dummyarbeit. Dieser facettenreiche Hundesport stellt die Aufgaben des Apportierhundes auf der Jagd nach. Dabei werden Dummies (Jagdattrappen in Form von Stoffsäckchen) ausgelegt oder geworfen, die der Hund auf verschiedene Art und Weise finden und apportieren soll. Dummytraining ist aber keineswegs ein Muss, Goldies lassen sich meist für die unterschiedlichsten Beschäftigungen begeistern: Ob Mantrailing, Fährtenarbeit, Zielobjektsuche, Hoopers, Mobility, Obedience, Longieren, Dogdancing oder auch Tricktraining im Wohnzimmer – wichtig ist, dass es dir und deinem Hund Spaß macht. Ihr entscheidet auch, wie ambitioniert ihr dabei seid. Es muss nicht immer der Hundeplatz mit ausgefallenen Geräten sein: Der Baumstumpf im Wald, die Parkbank oder der Laubhaufen bieten auch ganz wunderbare Beschäftigungsmöglichkeiten. Wie so vieles ist auch das individuell und es gilt, zusammen mit deinem Hund herauszufinden, was euch Freude macht.
Zur Ausgeglichenheit gehört aber nicht nur die gemeinsame Aktivität, sondern auch Zeit, in der der Hund seinen eigenen Interessen nachgehen kann. Das haben Hundehalter:innen beim Golden oft weniger auf dem Schirm, ist aber enorm wichtig. Der Golden muss trotz seiner Menschenbezogenheit ausreichend Möglichkeit haben, seinen eigenen, individuellen Hobbys nachzugehen. Dazu können ausgiebiges Schnüffeln, Buddeln (wo es niemanden stört), ein Wälzen im Gras oder auch einfach ein Beobachten der Umwelt gehören.
IDEALER FAMILIENHUND?
Ist der Golden Retriever nun der ideale Familienhund? In fast jeder Rassebeschreibung des Golden Retrievers fällt früher oder später der Begriff „kinderlieb“. Aber was heißt das eigentlich? Was macht einen Hund kinderlieb?
Meiner Meinung nach ist der Golden Retriever insofern kinderlieb, als dass er bei guter Veranlagung freundlich und offen ist, Konflikte tendenziell vermeidet und auch durch ein turbulentes Umfeld nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen ist. Auch das meist fehlende Hüte- und Schutzverhalten und der oft schwach ausgeprägte „Wachtrieb“ sind für einen Familienhund von Vorteil. Das bedeutet, der Golden Retriever bringt als Rasse geeignete Grundvoraussetzungen mit, um gut mit Kindern zurecht zu kommen. Er besitzt aber keine genetische Veranlagung, Kinder zu mögen und auch die bisherigen Erfahrungen spielen eine bedeutsame Rolle. Und selbst bei besten Voraussetzungen gibt es keine Garantie dafür, dass ein Golden Retriever mit Kindern klarkommt.
Den Golden Retriever pauschal als den perfekten Familienhund darzustellen, halte ich für nicht ungefährlich. Dieses Narrativ suggeriert, dass sich das Zusammenleben von Golden und Kind unkompliziert gestaltet und ein Golden immer und ohne Einschränkung freundlich und geduldig ist im Umgang mit Kindern. Das ist falsch. Auch Golden Retriever können beißen. Zu oft sieht man folgende Szenen in den sozialen Medien: Kinder, die mit dem Familienhund interagieren, ohne dass dabei das Unbehagen des Hundes und die darin begründete Gefahr erkannt wird. Im Zusammenleben von Kind und Hund gibt es viel zu beachten. Auch wenn der Hund noch so gutmütig ist, ist es extrem wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass die Grenzen des Hundes jederzeit gewahrt werden und er nie in Bedrängnis gerät.
LEICHTFÜHRIGER ANFÄNGERHUND?
Immer wieder wird der Golden Retriever auch als „Anfängerhund“ betitelt. Was hat es damit auf sich?
Der Golden ist normalerweise kein Hund, der extrem schnell Verknüpfungen herstellt. Das führt dazu, dass er Trainingsfehler eher verzeiht, als dies bei manch anderem Hund der Fall ist. Im Umkehrschluss braucht der durchschnittliche Golden aber auch mehr Wiederholungen zum Lernen als beispielsweise der klassische Border Collie. Von Vorteil fürs Training sind die üblicherweise hohe Futtermotivation und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Auch seine Tendenz zu nicht-aggressiven Konflikstrategien kann eine Erleichterung sein, sofern das Verhalten dennoch richtig eingeordnet und dem Hund geholfen wird.
Dennoch kann auch der Golden seine Herausforderungen mit sich bringen: Seine offene Art und Menschenbezogenheit kann durchaus Schwierigkeiten bereiten, wenn jeder Besuch angesprungen und beim Spaziergang wildfremde Menschen abgeschlabbert werden. Oft bedarf es zusätzlich einiges an Aufwand, dem Golden eine höfliche Annäherung an fremde Hunde näherzubringen. Ein häufiges Problem ist außerdem das Fressen von allerlei Gefundenem unterwegs – teilweise auch unabhängig von seiner Verdaulichkeit. Und als Jagdhund kann der Goldie natürlich auch mit unerwünschtem Jagdverhalten aufwarten. Ängstlichkeit und Hibbeligkeit, die – obwohl gemäß Rassestandard unerwünscht – immer wieder vorkommen, stellen den Hundehalter vor besondere Herausforderungen.
Den Golden als „den perfekten Anfängerhund“ darzustellen ist meiner Meinung nach zu kurz gegriffen. Der Golden hat sicherlich einige Eigenschaften, die unerfahrenen Halter:innen zugutekommen können. Aber letztendlich muss jede:r für sich überlegen, welche Eigenschaften zu ihm/ ihr und seinem/ ihrem Leben passen. Es gibt nicht den Anfängerhund und egal für welche Hunderasse und -herkunft man sich entscheidet: Es ist unabdingbar, sich vorher Kenntnisse über hündische Körpersprache, die Bedürfnisse von Hunden im Allgemeinen sowie modernes, wissenschaftlich fundiertes Hundetraining anzueignen. Empfehlenswert ist außerdem, sich von Anfang an von eine:r bedürfnisorientiert und positiv arbeitende:n Hundetrainer:in begleiten zu lassen. Es ist viel einfacher, Problemen vorzubeugen als sie zu lösen.
MODEHUND GOLDEN RETRIEVER
Wenn man sich dafür entscheidet, einen Golden Retriever in sein Leben zu holen, steht man gleich vor der nächsten wichtigen Frage: Woher bekomme ich einen Golden Retriever?
In den 1990er Jahren ist die Beliebtheit des Golden Retrievers extrem angestiegen und er wurde seitdem zum regelrechten Modehund. Das führt dazu, dass nicht nur echte Golden-Liebhaber die Rasse züchten, sondern leider auch viele profitgetriebene Menschen. Die geschätzten rassetypischen Charakterzüge bleiben dabei auf der Strecke – ebenso wie das Wohl der Tiere. Aus diesem Grund ist es beim Golden ganz besonders wichtig, seine Herkunft kritisch zu hinterfragen.
Fällt die Wahl auf einen Goldie-Welpen, ist es wichtig, eine verantwortungsvolle Zuchtstätte zu suchen, die Gesundheit und Charakter in den Vordergrund stellt und Wert legt auf eine fürsorgliche Aufzucht. Ein gutes erstes Indiz ist dabei die Zugehörigkeit zum Deutschen Retriever Club (DRC) oder dem Golden Retriever Club (GRC). Damit verpflichten sich Züchter:innen gewissen Standards, deren Einhaltung von den Vereinen kontrolliert wird. Aber selbst bei einem Welpen aus optimaler Verpaarung und Aufzucht, kann man sich über sein Wesen und eventuell auftretende Probleme im Voraus nie ganz sicher sein. Stellt das Lebensumfeld besondere Anforderungen an den zukünftigen Hund, ist es daher auch eine gute Option, einen erwachsenen Hund aus zweiter Hand aufzunehmen, dessen individuelle Eigenschaften und Charakterzüge bereits bekannt sind.
Will man einen Golden oder Golden-Mischling aus dem Tierschutz adoptieren, sollte man allerding wissen, dass sich hinter Retriever-Mischlingen aus dem (Auslands-)Tierschutz auch gerne mal Herdenschutzhunde verbergen. Diese unterscheiden sich von Retrievern charakterlich aber stark.
GESUNDHEIT
Je nach Quelle wird die Lebenserwartung eines Golden Retrievers mit 10 bis 12 oder 12 bis 14 Jahren angegeben. Der Golden Retriever weist gemäß seines Rassestandards gesunde Proportionen auf – etwas, das lange nicht mehr auf jede Rasse zutrifft. Züchter, die sich dem VDH anschließen, müssen für ihre Zuchthunde außerdem verschiedene Gesundheitszeugnisse vorlegen, um die Gesundheit der Rasse zu fördern.
Erbkrankheiten, die den Golden Retriever betreffen sind unter anderem die Gelenkerkrankungen Ellenbogendysplasie (ED) und Hüftgelenksdysplasie (HD) sowie Schilddrüsenunterfunktion und verschiedene Augenerkrankungen.
Der Golden neigt außerdem zu Übergewicht, was zahlreiche Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann. Schon leichtes Übergewicht belastet insbesondere die Gelenke stark, was das Risiko für ED und HD zusätzlich steigert. Aufgrund der Anfälligkeit für ED und HD ist beim Welpen und Junghund außerdem besonders darauf zu achten, ihn körperlich nicht zu überfordern. Abrupte Stopps, Sprünge, langes, gleichförmiges Laufen und heftige Zerrspiele sollten vermieden werden und auch ein zu schnelles Wachstum ist schädlich.
SHOW- & ARBEITSLINIE
In der Golden Retriever-Zucht gibt es zwei Linien: Show- und Arbeitslinie.
Wenn es in Zeitschriften oder auf dem Hundeplatz um den Golden Retriever geht, sind damit meist Vertreter der Showlinie gemeint. Sie sieht man vor allem auf Ausstellungen und als Familienhunde. Im Mittelpunkt der Zucht stehen hier das äußere Erscheinungsbild und die Eignung als anpassungsfähiger Familienhund. Sie sind etwas gemütlicher und leichter zufriedenzustellen. Teilweise haben sie weniger Jagdtrieb, allerdings ist eine geringere Jagdtauglichkeit keineswegs mit fehlendem Jagdtrieb gleichzusetzen. Golden Retriever aus der Showlinie sind breiter und schwerer gebaut, haben einen kräftigeren Kopf, kürzere Beine und ihr Fell ist cremefarben bis hellgold.
Die Arbeitslinie (auch Field Trial-Linie genannt) ist seltener anzutreffen. Sie wird hauptsächlich für den jagdlichen Gebrauch und als Such-, Rettungs-, Blinden- oder Behindertenbegleithund eingesetzt. Bei Hunden dieser Linie wird besonders viel Wert auf die jagdliche Eignung und einen hohen Arbeitswillen gelegt. Sie sind meist temperamentvoller und haben einen hohen Lerneifer. Sie werden dem ursprünglichen Wesen des Goldies eher gerecht, müssen aber auch entsprechend gefordert werden. Goldies der Arbeitslinie sind schlanker und drahtiger im Körperbau, etwas hochbeiniger, haben einen schmaleren Kopf und kürzeres Fell mit weniger Unterwolle, das gold- bis dunkelgoldfarben ist.
In jüngerer Zeit gibt es auch vermehrt Züchter, die versuchen, die beiden Linien wieder zu vereinen und mit der sogenannten Dual Purpose Linie einen Kompromiss zwischen der Arbeits- und Showlinie zu finden. Golden Retriever der Dual Purpose Linie sollen sowohl auf Ausstellungen glänzen als auch jagdlich geführt werden können. Charakterlich sind sie zwischen der Arbeits- und Showlinie einzuordnen. Ihnen wird ein ruhiges und ausgeglichenes Wesen mit einem gewissen Arbeitseifer und Jagdeignung nachgesagt.
UNTERSCHIED GOLDEN RETRIEVER UND LABRADOR
Auf den ersten Blick mag der Golden Retriever wie ein langhaariger Labrador scheinen, aber ist das wirklich der Fall? Obwohl sich die beiden Retriever-Rassen sehr ähnlich sind, gibt es doch einige (feine) Unterschiede – neben dem erhöhten Fellpflegeaufwand beim Goldie: Im Allgemeinen ist der Golden Retriever etwas zurückhaltender und weniger aufdringlich als der typische Labrador. Außerdem sind Labbis oft noch etwas aktiver und energiegeladener als ihre goldfarbenen Verwandten. Manche sagen auch, dass die Leidenschaft für alles Essbare beim Labbi noch ausgeprägter ist als beim Golden. Wie immer sind dies aber nur grobe Richtungen und im Einzelfall kann es natürlich auch umgekehrt sein.
FAZIT
Der Golden Retriever ist im Allgemeinen ein freundlicher, offener und menschenbezogener Hund, der leicht zur Zusammenarbeit mit dem Menschen zu motivieren ist. In meinen Augen gehört der Golden Retriever durchaus zu den anpassungsfähigeren Hunderassen, die sich unter den richtigen Umständen auch in einer Familie mit Kindern und bei unerfahrenen Halter:innen wohlfühlen können.
Sein Image als immer freundlicher Familien- und Anfängerhund birgt aber die Gefahr, dass Menschen sich nicht ausreichend mit seinen Bedürfnissen auseinandersetzen und mit falschen Vorstellungen einen Golden Retriever in ihr Leben holen. Insbesondere im Kontext mit Kindern können unrealistische Erwartungen gefährlich werden.
Bei der Entscheidung für eine bestimmte Rasse muss auch immer bedacht werden:
Der Charakter eines Hundes wird nicht nur durch seine Genetik bestimmt und auch diese entspricht nicht immer dem Ideal der Rasse. Rassebeschreibungen können daher nur als grobe Orientierung dienen. Nicht jeder Golden Retriever liebt Wasser, holt Stöckchen, freut sich über Besucher und kuschelt abends auf der Couch mit seinen Menschen. Die Zugehörigkeit zu einer Rasse macht bestimmte Eigenschaften wahrscheinlicher, aber sie ist kein Garant für das Wesen eines Hundes. Wichtig ist, offen zu bleiben für den individuellen Charakter seines Hundes, denn Schubladendenken und eine hohe Erwartungshaltung werden keinem Individuum gerecht.