Die Schleppleine – großartiges Hilfsmittel oder nerviger Ballast?
Bei einer Schleppleine handelt es sich um eine lange Leine, wobei die Länge nicht fest definiert ist. Am Leinenende kann sich eine Handschlaufe anschließen. Dies muss allerdings nicht immer sein.
Sie sollte ihrer Begrifflichkeit nach am Boden schleppen, also nicht vom Menschen in der Hand gehalten werden. Es gibt aber auch Situationen im Alltag oder Trainingsschritte, bei denen die Schleppleine kurz genommen werden sollte, also nicht am Leinenende, gehalten wird. Ich empfehle dann, sie mit einer Hand an der Stelle zu fassen, die die gewünschte Leinenlänge erfordert und den Rest schleppen zu lassen. So hat man nicht die ganze Menge der Leine in der Hand. Diese Variante finde ich praktischer, als die Leine in Schlaufen zu halten.
Ursprünglich werden Schleppleinen bei der Feldarbeit der Jagdhunde eingesetzt.
Heute wird die Schleppleine nicht nur in der Ausbildung von Jagdhunden eingesetzt, sondern sehr häufig bei “normalen” Familienhunden genutzt. Das kommt zum einen daher, dass inzwischen viele Jagdhunde in Familien leben, in denen sie nicht jagdlich geführt werden. Sie wurden beispielsweise wegen ihres ansprechenden Äußeren oder wegen anderer, vorteilhafter Charaktereigenschaften angeschafft. So gelten Retrieverrassen und Beagle als besonders kinderfreundlich, oft wird aber vergessen, dass in ihren Genen ein Jagdhund steckt.
Unerwünschtes Jagdverhalten spielt also häufig eine große Rolle und ein – oft sich damit bedingender – mangelnder Rückruf “gehorsam”. Sichert man den Hund mit einer Schleppleine, so verhindert man damit, dass der Hund jagen geht, sich zu weit vom Menschen entfernt und / oder aber seiner eigenen Wege geht – sich also mit seinem Verhalten immer wieder selbst belohnt bzw. durch die Umwelt belohnt wird.
Mit einer Schleppleine haben wir daher ein Hilfsmittel, das bestimmte Verhaltensweisen des Hundes, die der Mensch als unerwünscht kategorisiert hat, verhindert. Wir betreiben also Management, um Gefahren vom Hund abzuwenden (z.B. beim Jagen überfahren zu werden) und um mehr Einfluss auf den Hund zu haben. Wir geben dem Hund damit einen größeren Radius und mehr Freiheiten, als es an einer 2-Meter-Leine der Fall wäre.
Viele Hundebesitzer lehnen den Einsatz einer Schleppleine ab, weil ihnen das Handling zu umständlich erscheint oder sie Sorge haben, sich oder den Hund bei Anwendung zu verletzten.
Diese Sorge ist nicht ganz unbegründet, aber man kann Gefahren minimieren und die Nutzung der Schleppleine für Hund und Mensch angenehm gestalten, wenn man einige Punkte beachtet:
1. Wichtig ist, ein geeignetes Modell zu benutzen.
Es gibt Schleppleinen aus unterschiedlichen Materialien, z.B. aus Gurtband, Biothane, Leder oder Seil.
Ich bevorzuge Biothane, denn das Material ist sehr robust, abwaschbar und saugt sich bei Nässe nicht voll. Biothane ist sehr leicht und vor allem auch glatt, sodass die Gefahr, dass sich die Schleppleine verheddert und sich festzieht, reduziert wird. Biothane-Leinen gibt es auch in Baukastensystemen, sodass jeder sich seine individuelle Leine selbst zusammenstellen kann.
Dabei sollte auf die passende Dicke und die Größe des Karabiners geachtet werden – beides sollte zu Größe und Gewicht des Hundes passen, aber auch gut in der Hand des Menschen liegen. Ebenso sollte das Gesamtgewicht der Leine den Hund nicht beeinträchtigen oder behindern.
Die Leinen gibt es in verschiedenen Farben – wer häufig in der Dämmerung oder im Dunkeln unterwegs ist, sollte eine Neonfarbe wählen. Diese fällt auf dem Boden deutlich mehr auf als eine dunkle Leine.
Außerdem kann zwischen verschiedenen Ausführungen, beispielsweise mit Grip, mit und ohne Handschlaufe, Markerstop und anderen Besonderheiten gewählt werden.
Achten Sie auf eine ordentliche Verarbeitung vor allem an der Karabinerbefestigung. Viele Billigprodukte haben hier ihre Sollbruchstelle und wenn der Hund sich mal “ins Zeug legt”, steht der Menschen ohne ihn im Wald – oder bekommt noch den Karabiner ins Gesicht geschlagen.
2. Die Länge sollte zwischen 10 und 15 Metern betragen.
Dabei ist zu beachteten, dass mit jedem Meter mehr – vor allem ein impulsiver und / oder schwerer Hund – seinen Menschen von den Füßen reißen kann. In solchen Fällen ist es sinnvoll, die Leine zunächst kürzer zu halten und sie dann schrittweise mit dem Trainingsfortschritt zu verlängern.
Andersherum macht eine zu kurze Leine wenig Sinn, wenn man trainiert, seinen Hund bald (wieder) komplett ableinen zu können. Hier sollte vorab überlegt werden, welchen Abstand der Hund später auch ohne Leine zu seinem Menschen haben darf.
Zu erwähnen ist aber, dass viele Hundebesitzer auch mit 20 oder 30 m Länge glücklich sind, viele befestigen die Schleppleine dann auch an einem Jogginggürtel und haben die Hände frei.
3. Keine Anwendung einer Schleppleine, wenn der Hund nicht leinenführig ist!
Ein durchstartender Hund mit entsprechendem Gewicht an einer 10 oder 15 Meter langen Leine kann seinen Menschen zu Fall bringen, ihm die Schulter auskugeln oder die Leine so durch die Hand reißen, dass es zu Brandverletzungen an den Handinnenflächen kommt.
Außerdem wird ein High-Speed-Hund spätestens bei Erreichen des Leinenendes mehr als unsanft gestoppt, was ihm zu Schmerzen und Verletzungen zufügen kann! Durch Verknüpfungen des Schmerzes mit dem, was der Hund in diesem Moment gerade wahrnimmt, kann es Problemverhalten kommen!
Daher muss mit einem Leinenzerrer zunächst ein Leinenführigkeitstraining absolviert werden bzw. bei impulsiven Hunden an der Impulskontrolle gearbeitet werden.
4. Keine Anwendung einer Schleppleine am Halsband!
Viele Jäger setzen auch heute noch die Schleppleine ausschließlich an der Halsung ein – mit dem Argument ist, die Gefahr des Verhedderns sei geringer als am Brustgeschirr.
Kommt es aber am Halsband dazu, dass der Hund zum Beispiel an einem Ast hängen bleibt, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass der Hund sich erhängt und erstickt.
Prescht der Hund am Halsband in das Ende der Schleppleine, kann es zu schlimmen Stauchungen der Halswirbelsäule kommen – und den unter Punkt 3 erwähnten Fehlverknüpfungen. In seltenen Fällen kann die Verletzung bis hin zu einem Genickbruch des Hundes führen.
Diese Gefahren sind am Brustgeschirr deutlich reduziert.
Dennoch ist die Nutzung des Geschirrs in Verbindung mit der Schleppleine kein Freibrief für unkontrolliertes In-die-Leine-brezeln-lassen. Denn auch am Geschirr tut das sehr weh! Evtl. Kann ein Rückdämpfer hier sinnvoll sein, um für Hund und Mensch den Druck zu verringern. Idealerweise wird aber so trainiert, dass es gar nicht zu solchen Situationen kommt.
Das Geschirr sollte gut sitzen, die Schulterblätter nicht behindern und nirgends am Hundekörper einschneiden.
5. Die Schleppleine wird nur dort eingesetzt, wo man seinen Hund auch ableinen würde!
Eine Schleppleine ist beim Spaziergang an befahrenen Straßen, in der Stadt oder im Wohngebiet ziemlich unpraktisch. Niemand würde auf die Idee kommen, seinem Hund in diesen Gegenden so viel Freiraum zu lassen – das ist viel zu gefährlich. Verkürzt man die Schleppleine aber auf normales “Führleinen-Niveau” von 2 bis 3 Meter, hat der Hundebesitzer entweder einen Riesenknäuel Leine in der Hand oder aber – dazu später mehr – der Leinenrest schleppt hinter dem Mensch-Hund-Team auf dem Boden hinterher. Das ist zwar deutlich angenehmer für die Hundehalterhand, birgt aber die Gefahr, dass das Team plötzlich und unvorbereitet “ausgebremst” wird, weil Passanten auf die Leine treten oder jemand mit dem Fahrrad drüber fährt.
ABER: Wenn man ein Stück innerhalb der Ortschaft laufen muss, um in die Natur zu kommen, kann man die Schleppleine am Brustgeschirr befestigen und dazu am gleichen Ring noch die normale Führleine, die man in der Hand hält, bis die Schleppleine zum Einsatz kommt. Dann nimmt man die kurze Leine einfach ab. Das ist viel praktischer, als die Schleppleine auf dieser Wegstrecke tragen zu müssen. Natürlich sollte man dabei immer ein Auge darauf haben, was hinter einem passiert – damit eben nicht plötzlich ein Ruck von hinten kommt.
5. Radiustraining ist sinnvoll!
Auch normalerweise leinenführige Hunde neigen oft dazu, ins Ende der Schleppleine zu rennen. Das ist – wie bereits beschrieben – für Hund und Mensch nicht angenehm schön. Wenn man daraufhin jedes Mal seinen Hund zu sich ruft, damit wieder mehr Luft in die Leine kommt, belohnt man indirekt dieses unerwünschte Verhalten auch mit.
Wir wollen aber, dass der Hund lernt, sich in seinem Radius (= Länge der Schleppleine) zu bewegen, ohne zu zerren.
Damit das alltagstauglich ist, wir also unseren Hund nicht ständig ranrufen müssen, ist der Aufbau eines Radiussignals wichtig. Das ist im Grunde ein Leinenende-Signal, auf das hin der Hund seinen Radius einhalten soll, ohne dabei jedes Mal zum Hundehalter laufen zu müssen. Mit diesem Signal macht man sich sein Rückruftraining nicht kaputt und muss auch nicht penibel darauf achten, dass der Hund bis ganz zum Menschen kommt. Auf das Radiussignal hin darf der Hund nämlich alles mögliche tun, um seinen Radius wieder einzuhalten, z.B. stehen bleiben, schnüffeln, seitlich gehen, langsamer laufen usw.
Schlussendlich lernt der Hund dabei auch noch, dauerhaft von selbst den Radius einzuhalten, sodass man das Signal schließlich nur noch selten benötigt und es auch später im Freilauf einsetzbar ist.
Das Radiussignal wird aufgebaut, indem es kurz vor Erreichen des Leinenendes gegeben wird. Der Hund sollte also die Möglichkeit haben, seinen Radius zum Menschen zu reduzieren, ohne das die Leine sich schon spannt. Dieses Verhalten wird mit einem sekundären (Clicker / Markerwort) und dann mit einem primären Verstärker (i.d.R. Futter) belohnt. Spannt sich die Leine dennoch, bleibt der Mensch stehen und es geht erst weiter, wenn der Hund die Leine lockert – z.B. In dem er einen Schritt rückwärts macht. Letzteres sollte vor allem bei Aufbau des Signals zunächst an der kurz gehaltenen Schleppleine trainiert werden, damit der Hund nicht mit einem starken Ruck ausgebremst wird.
6. Der richtige Umgang mit der Schleppleine ist zum einen wichtig, um entspannt damit spazieren zu gehen und um möglichst alltagstauglich trainieren zu können. Letzteres vor allem, wenn das Ziel ist, den Hund bald komplett ohne Leine laufen zu lassen.
Dafür sollte die Leine immer am hintersten Ende in einer Hand gehalten werden. Dadurch hat man die andere Hand frei für alles mögliche (Naseputzen, Hund belohnen, sich am Kopf kratzen – und der Hund bekommt so wenig wie möglich von der Leine mit. Dann fällt es später auch leichter, die Schleppleine auszuschleichen. Außerdem Zum anderen kann nicht passieren, dass die Leine beim durchstartenden Hund derart schmerzhaft durch die Menschenhand gezogen wird, dass diese schlimme Verletzungen davon trägt!
Für den Menschen bedeutet dies, dass er so agiert, als sei der Hund nicht angeleint. Das heißt, er hat seine Stimme, seine Körpersprache und seine Belohnungen, aber die Schleppleine dient nur als Notbremse. Sie ist nicht dazu da, den Hund damit zu manipulieren! Das ist nämlich total kontraproduktiv für das Training – schließlich will man die Leine ja in der Regel so schnell wie möglich loswerden.
Sollte einmal doch die Notwendigkeit bestehen, die Leine verkürzen zu müssen, nimmt man sie einfach an der Stelle in eine Hand, die die benötigte Leinenlänge herstellt. Der Rest schleppt dann hinter dem Menschen her. Wie hätte man wohl in dieser Situation gehandelt, wäre der Hund nicht angeleint gewesen – z.B. ein Radfahrer fährt vorbei – Ranrufen, zur Seite gehen, Fußlaufen lassen? – dann sollte das geübt werden.
Alternativ dazu kann man sie in großen Schlaufen aufwickeln – das ist wohl Typ-/Geschmackssache.
7. Und nun zum Training für den Freilauf:
Natürlich kann der Hundehalter für sich entscheiden, den Hund dauerhaft an einer Schleppleine zu führen. Ich sehe da keine Probleme – wenn denn der Hund leinenführig ist und ein vernünftiges Radiustraining absolviert wurde!
Viele Hundebesitzer möchten die Schleppleine aber nur als Übergangslösung verwenden, um den Hund später (wieder) frei laufen zu lassen.
Daher sollte überlegt werden, welche Signale und Verhaltensweisen der Hund lernen soll, damit Freilauf möglich wird. Das ist natürlich zunächst Rückruftraining, beim jagenden Hund aber auch Anti-Jagd-Training bzw. Jagdersatztraining.
Radiustraining macht immer Sinn, denn der Hund wird später diesen Radius um seinen Menschen auch ohne Leine einhalten – sofern gut trainiert wurde. Auch Signale wie “Geh´ nicht ins Gebüsch” sind denkbar. Bedürfnisorientierte Beschäftigung ist an der Schleppleine gut möglich, z.B. Such-, Bring- und Rennspiele.
Schließlich schleicht man die Schleppleine aus. Man kann den Hund zunächst sequentiell dort ableinen, wo er sich sehr gut auf seinen Menschen konzentrieren kann und dann die Ablenkungen langsam steigern. Oder man tauscht die Schleppleine gegen ein leichteres, dünnes Seil mit ganz leichtem Karabiner und schneidet nach und nach immer ein Stück davon ab. Der Hund hat also immer weniger Leine, die er spürt und der Mensch gibt “Schnitt für Schnitt” immer etwas mehr Kontrolle auf. So eine dünne Schnur darf niemals in der Hand gehalten werden – das schneidet irre ein – und es besteht eine erhöhte Gefahr, wenn der Hund doch abdampft, denn so ein Schnürchen bleibt schnell an irgendwelchen Ästen hängen.
Hier muss man also schon gut trainiert haben!
Es gibt Hunde, die sehr genau merken, ob an ihnen eine Leine hängt oder nicht und bei denen die Signale so gut mit der Schleppleine verknüpft sind, dass es sie ohne nicht gut klappen. Dann ist ein kleinschrittiger Abbau sehr wichtig.
Manche Hunde kann / muss man ein wenig “überlisten”: Am Geschirr ist dauerhaft ein Karabiner gefestigt, gern auch mit einer Katzenleine (so kurz, daß der Hund nicht drauftreten kann) – der Hund bekommt damit das Körpergefühl vermittelt, er liefe an der Schleppleine ;-).
FAZIT:
Die Schleppleine ist mir seit Jahren sowohl in meiner Hundeschule als auch “privat” mit meinen eigenen Hunden ein treuer Begleiter und ein grandioses Hilfsmittel. Wie bei allem im Leben hat auch die Schleppleine Nachteile, die man bedenken sollte.
Ich empfehle jedem, der erstmalig damit zu tun hat, sich das Handling von einem Fachmann / einer Fachfrau zeigen zu lassen, damit nichts schief gehen kann und der Spaziergang an der Schleppleine nicht im Chaos endet.