Medical Training für Pferde – Entspannt bei Tierarzt, Hufschmied & Co., Buch von Nina Steigerwald
Nina Steigerwald, Müller Rüschlikon
“Die Vorteile vom Medical Training liegen klar auf der Hand: Die Sicherheit aller Beteiligten ist einer der ganz großen Pluspunkte, wenn man ein Pferd sinnvoll auf die Eingriffe und Manipulationen an seinem Körper vorbereitet. Es bedeutet weniger Stress für alle. Die Beziehung zwischen Pferdebesitzer und Behandler, zwischen Mensch und Pferd und zwischen Behandler und Pferd ist deutlich besser, wenn alles reibungslos funktioniert.”
Als Tierärztin bin ich in der Praxis immer wieder mit Tieren konfrontiert, bei denen notwendige Untersuchungen und Behandlungen starken Stress auslösen und die teilweise massive Gegenwehr zeigen. Um diesen Stress für alle Beteiligten zu reduzieren oder im besten Fall zu vermeiden, bin ich schon lange ein großer Fan von Medical Training und führe es sowohl in der tierärztlichen Praxis als auch bei den Tieren meiner Trainingskund:innen mit Erfolg durch. Daher habe ich mich sehr gefreut, als ich erfuhr, dass Nina Steigerwald ein Buch zum bisher oft eher stiefmütterlich behandelten Thema “Medical Training für Pferde” schreiben wollte. Da ich Nina als großartige Trainerin kenne und schätze und weiß, welche ungeheure Expertise sie auf dem Gebiet Pferdetraining im Allgemeinen und Medical Training im Besonderen hat, konnte ich das Erscheinen des Buchs kaum erwarten!
Als ich es dann endlich in den Händen hielt, überzeugte mich das Buch sofort durch seine ansprechende Gestaltung. Die gut strukturierte Gliederung und das klare Layout erleichtern es, auch beim schnellen Durchblättern bestimmte Inhalte (wieder) zu finden. Schöne, aussagekräftige Fotos illustrieren die Texte und machen in Kombination mit den übersichtlich aufgelisteten Trainingsschritten für die einzelnen Verhalten Lust, sofort mit dem dem Training anzufangen. Über das ganze Buch verteilte QR-Codes führen zu Videoclips und Trainingsplänen, die eine wertvolle zusätzliche Unterstützung darstellen.
Gegliedert ist das Buch in 14 Kapitel, die jeweils wieder in einzelne Abschnitte unterteilt sind.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen des Medical Trainings und erklärt, warum Medical Training überhaupt sinnvoll und notwendig ist, wie Lernen und Training funktionieren und wo die klaren Vorteile des belohnungsbasierten Trainings mit Futterbelohnungen liegen. Hier werden Leser:innen abgeholt, die bisher keine Erfahrung im Pferdetraining mit dem Clicker bzw. einem Markersignal haben. Doch auch für erfahrene Trainer:innen bietet das erste Kapitel mit seiner übersichtlichen Darstellung der Basics für effizientes, erfolgreiches Training einen guten Einstieg.
Im zweiten Kapitel werden die Voraussetzungen für das praktische Training beschrieben. Die Wahl des richtigen Markersignals, der Futterbelohnungen sowie einer geeigneten Futtertasche werden ebenso thematisiert wie das bei Pferden als Voraussetzung für das Training mit Futter so wichtige Höflichkeitstraining. Zum Höflichkeitstraining findet sich in diesem Kapitel ein ausführlicher, detaillierter und gut verständlicher Trainingsplan.
Kapitel 3 beschreibt die Trainingsplanung. Hier wird ausführlich erläutert, warum eine gute Planung vor Beginn des Training so wichtig ist und was ein Trainingsplan alles beinhalten sollte. Außerdem werden die wichtigen Themen Trainingseinstieg/Evaluation, Kriterien, Trainingsschritte, Aufbau von Dauer und Dokumentation erklärt sowie an Hand anschaulicher Beispiele verdeutlicht.
Nach dieser umfassenden Einführung in das Pferdetraining mit Markersignal und Futterbelohnung sind die Leser:innen nun ausreichend informiert, um im vierten Kapitel des Buchs in das komplexe Thema Kooperationssignale eingeführt zu werden. Nina Steigerwald erklärt hier anschaulich, warum Mitspracherecht und Kontrolle über die Situation von Seiten des Pferdes so wichtige Faktoren erfolgreichen Medical Trainings sind und wie Kooperationssignale beides ermöglichen. Sie stellt verschiedene Kooperationssignale mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vor und beschreibt die einzelnen Trainingsschritte für die verschiedenen Verhalten. Die anschaulichen Fotos, die den Text begleiten, sowie die kurze Zusammenfassung am Ende des Kapitels sorgen dafür, dass dieses wichtige Thema bei den Leser:innen gut im Gehirn verankert werden kann.
Das fünfte Kapitel widmet sich der Allgemeinen Untersuchung. Diese Basis jeder tierärztlichen Untersuchung und Behandlung wird bis ins kleinste Detail genau beschrieben. Anschließend wird analysiert, welche Aspekte für viele Pferde besondere Herausforderungen darstellen und warum. Für jeden dieser Teilbereiche werden Trainingsschritte vorgestellt, die das Pferd bestmöglich auf eine entspannte allgemeine Untersuchung durch den Tierarzt vorbereiten. Auch hier runden wieder Fotos den Text ab, die die beschriebenen Trainingsschritte und Handgriffe zeigen.
Kapitel 6 beschäftigt sich mit dem potenziellen Reizthema Spritzen. Nina Steigerwald erklärt, warum Injektionen für so viele Pferde ein rotes Tuch darstellen und warum für das Spritzen bei untrainierten Pferden so oft Zwangsmaßnahmen eingesetzt werden müssen. Sie stellt klar, warum es nicht nötig ist, das Pferd für das Training von Injektionen tatsächlich zu stechen, und beschreibt die unterschiedlichen Arten von Injektionen sowie die dafür verwendeten verschiedenen Kanülen und Spritzen. Auch hier wird der komplexe Vorgang des Spritzens wieder in seine Einzelkomponenten zerlegt und für jede dieser Komponenten werden mögliche Trainingsschritte vorgestellt. Besonders gut gefallen hat mir in diesem Kapitel die Unterteilung der für das Training von Injektionen nötigen Reize anhand der Art des Reizes, der Stärke des Reizes und unterschiedlicher Zonen am Pferdekörper.
Kapitel 7 ist ganz den Pferdezähnen gewidmet. Auch hier wird zu Beginn wieder thematisiert, warum viele Aspekte einer Zahnuntersuchung für Pferde beängstigend wirken können und aus welchen Gründen diese für eine umfassende Gesundheitsvorsorge aber von entscheidender Wichtigkeit ist. Nach einigen wichtigen Vorüberlegungen zum Thema Evaluation des Trainingsstands, Auswahl geeigneter Futterbelohnungen bei der Zahnuntersuchung und geeigneter Kooperationssignale werden Trainingsschritte für die einzelnen benötigten Verhaltensweisen vorgestellt. Dabei wird unter anderem detailliert auf den Aspekt Geräusche und Vibration eingegangen sowie das Thema Sedation bei der Zahnuntersuchung und -behandlung angesprochen.
Im achten Kapitel geht es um die Pflege und medizinische Versorgung der Pferdehufe. Es beginnt mit einer Auflistung möglicher auftretender Probleme rund um das Thema Hufe und der daraus resultierenden tierärztlichen oder pflegerischen Maßnahmen. Nach einer ausdrücklichen Warnung zum hohen Verletzungs- und Unfallpotential durch Pferdetritte erfolgt der wichtige Hinweis, bei Pferden, die Schwierigkeiten mit dem Hufegeben haben, unbedingt auch an gesundheitliche Probleme als Ursache zu denken und im Zweifelsfall Fachleute hinzuzuziehen. Anschließend werden wieder die zu trainierenden Verhalten rund um das Thema Hufe inklusive der benötigten Trainingsschritte vorgestellt.
Kapitel 9 behandelt das Thema orale Medikamentengabe. Nach einem Überblick über die verschiedenen Darreichungsformen und häufig verabreichten Wirkstoffgruppen werden die möglichen Trainingsschritte für das Verabreichen von Medikamenten via Maulspritze beschrieben. Nina Steigerwald geht in diesem Kapitel ausführlich auf mögliche Schwierigkeiten und Probleme sowie passende Lösungsansätze ein, so dass einem erfolgreichen Training nichts mehr im Wege steht!
Das zehnte Kapitel behandelt die Themen Notfälle, Schmerzen und Verbände. Hier wird zu Beginn geklärt, warum in einem echten Notfall Medical Training manchmal doch zweitrangig sein kann, warum unter Umständen eine Sedation eine gute Lösung darstellt und wie Kontextwechsel helfen können, im Notfall eventuell notwendige Zwangsmaßnahmen und unangenehme Erfahrungen möglichst nicht mit dem bisherigen Training zu verknüpfen. Anschließend folgen wichtige Informationen zu einigen häufig auftretenden Notfällen sowie Trainingsschritte zur Vorbereitung auf etwaige Notfallmaßnahmen.
Im elften Kapitel gibt Nina Steigerwald einen Überblick über weitere häufig notwendige medizinische oder pflegerische Maßnahmen und dafür sinnvolle vorbereitende Trainingsschritte. Hier werden die wichtigen Themen Augenuntersuchung und -behandlung, Inhalieren, Scheren, manuelle Therapien, rektale Untersuchung/Tupferprobe, Reinigen des Schlauchs beim Hengst oder Wallach, Einsatz von Geräten zur Diagnostik oder Therapie sowie das Anziehen von Decken anschaulich dargestellt.
In Kapitel 12 geht es um den Einsatz von Wasser. Vom Baden der Hufe über das Einsprühen bis zur Ganzkörperwäsche werden die benötigten Trainingsschritte für ein entspannt kooperierendes Pferd vorgestellt.
Das 13. Kapitel widmet sich unter der Überschrift Generalisieren dem Thema “Wie man Dinge trainiert, die man eigentlich nicht trainieren kann.” Hier stellt Nina Steigerwald anschaulich dar, wie über den Vorgang der Generalisierung das Pferd auch auf Situationen vorbereitet werden kann, die man nicht 1:1 trainieren kann, weil das benötigte Equipment oder medizinische Wissen fehlt oder weil es, wie beispielsweise bei Injektionen, schlicht zu gefährlich wäre, die entsprechenden Handlungen zu Trainingszwecken immer wieder durchzuführen. Abgerundet wird dieses wertvolle und informative Kapitel durch einen beispielhaften Trainingsplan inklusive Dokumentation zum Thema Generalisierung.
Das 14. und letzte Kapitel behandelt die für erfolgreiches Medical Training unerlässlich wichtige Kommunikation aller zweibeinigen Beteiligten. Hier liefert Nina Steigerwald wichtige Informationen zur Kommunikation mit der Behandler:in vor und während der eigentlichen Behandlung. Sie präsentiert Fragen, die vor Beginn einer jeden Prozedur unbedingt gestellt werden sollten und gibt wertvolle Hinweise, wie Tierärzt:innen, Schmied:innen und Therapeut:innen abgeholt und vom Medical Training überzeugt werden können. Für professionelle Pferdetrainer:innen, die Medical Training für Kund:innen und deren Pferde anbieten, gibt es einen eigenen Absatz, der die unbedingt vor Beginn des Trainings zu besprechenden Aspekte und mögliche Vorgehensweisen für trainingserfahrene und -unerfahrene Kund:innen aufzeigt.
FAZIT:
“Medical Training für Pferde – Entspannt bei Tierarzt, Hufschmied & Co.” von Nina Steigerwald ist ein rundum gelungenes Buch, das dank seines übersichtlichen und logischen Aufbaus, der anschaulichen Illustrationen und des reichhaltigen Erfahrungsschatzes der Autorin wichtige Informationen und Anregungen sowohl für Anfänger im Bereich belohnungsbasiertes Pferdetraining und Medical Training als auch für professionelle Trainer:innen, Tierärzt:innen, Hufschmied:innen und Therapeut:innen zu bieten hat. Ein Pferd, das mit Hilfe dieses Buchs auf tierärztliche und pflegerische Maßnahmen vorbereitet wird, erlangt ein solides und belastbares Fundament für eine sorgfältige Gesundheitsvorsorge und optimale Behandlungsmöglichkeiten im Falle einer Erkrankung – und zwar stressfrei und kooperativ.
Meiner Meinung nach gehört dieses Buch in den Schrank jeder Person, die regelmäßigen Umgang mit Pferden hat, sei es als Besitzer:in oder Profi. Ein echter Easy Dogs Insider-Tipp für Pferdemenschen.
VERLAGSINFO:
- Hier kaufen
- Autor: Nina Steigerwald
- Verlag: Müller Rüschlikon Verlag
- Umfang: 288 Seiten
- Abmessungen: 17.4 x 2.2 x 24.4 cm
- Sprache: deutsch
- ISBN: 978-3275022106
- Preis: 29,90 €