Das Alternativverhalten – der Schlüssel zum Erfolg bei Problemverhalten
Problemverhalten, Training & VerhaltenVielmehr kann daran liegen, dass das gezeigte Verhalten Vorteile für den Hund hat – in seinen Augen – sonst würde er es nicht zeigen. Dazu kommt, dass Futter als Belohnung von manchen Hunden in Stresssituationen nicht angenommen werden kann, weil es nicht ihrer momentanen Motivation entspricht. Sich zu seinem Menschen umdrehen und die Situation abbrechen – da müsste der Hund ja den Auslöser aus den Augen lassen. Erst muss zum Beispiel der gruselige andere Hund vertrieben werden. Oder Erregung und Frust durch das Hineinspringen in die Leine abgebaut werden, um wieder in den denkenden Modus zurückzukommen.
Also wird es Zeit, das Training dieser Situationen grundsätzlich zu überdenken.
Selbstverständlich kann man in diesen Situationen den Clicker oder das Markerwort sinnvoll einsetzen. Zunächst sollten Sie sich die Frage stellen: Was ist denn das in dieser Situation von uns gewünschte Alternativverhalten? Was genau ist es, das der Hund in dieser speziellen Situation tun soll? Und was bietet der Hund (bei etwas mehr Abstand zum Beispiel) vielleicht sogar von selbst an?
- Zu einem unerwünschten Verhalten ein Alternativverhalten zu trainieren ist der Königsweg von Verhaltenstraining. Das Alternativverhalten wird optimalerweise so ausgewählt, dass das unerwünschte Verhalten nicht mehr gut möglich ist und gleichzeitig der ursprünglichen Motivation des Hundes am nächsten kommt.
Da gibt es schier unendlich viele, zunächst beliebig scheinende Möglichkeiten. Hier gilt: Je sorgfältiger das gewünschte Alternativverhalten ausgesucht wird, desto sicherer ist der Erfolg!
Fragen Sie sich:
- Was ist die Motivation des Hundes für das in unseren Augen unerwünschte Verhalten?
- Will er Nähe? Oder will er Distanz?
- Möchte er Beute machen?
- Will er vertreiben?
- Und: Wie könnten Sie aus all dem geschickt eine Belohnung “basteln”?
Aus der Motivation und dem, was der Hund sehr gerne macht, können Sie ein passendes Alternativverhalten aussuchen und zusammenstellen.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen einige Beispiele nennen:
- Liebt Ihr Hund die Jagd? “Jagen” Sie doch gemeinsam einen Futterbeutel, der z. B. in das 10-Leckerli-Spiel eingebaut wird, oder auf der Rückspur gesucht werden kann.
- Will er Nähe zu uns – dann nutzen Sie das Targettraining zum Herankommen an Ihre Hand. Die Hundennase stupst an die Menschenhand und bleibt daran – der begegnende Hund gerät aus dem Fokus und ist eventuell weniger furchteinflößend. Gleichzeitig erhält Ihr Hund den stützenden Social Support, der ihm durch die Situation hilft.
- Ein Hund, der gerne rennt und Distanz möchte, lernt, auf Signal mit seinem Menschen zu „flitzen“ – und gewinnt zügig Distanz.
- Eine Spielankündigung mit einem Spielsignal, einem Spielpfiff, dann ein folgendes Spiel.
- oder ein sorgfältig aufgebautes „Dreh-Um“. Nachdem er umgedreht ist, darf Ihr Hund – an der Leine – auf der Spur, die der andere Hund hinterlassen hat (oder die Katze, das Wild) nach Herzenslust schnüffeln.
- Bei Problemen mit Hundebegegnungen reicht vielleicht auch ein Fußlaufen des eigenen Hundes auf der dem anderen Hund abgewandten Seite. Mit dem Signal „Andere Seite“ wechselt der eigene Hund die Seite und befindet sich so gleich etwas weiter weg von dem anderen Hund, gewinnt also Distanz. Das Splitten durch den Menschen verschafft dem Hund zusätzliche Erleichterung.
Sie sehen, wie vielfältig das Alternativverhalten sein kann, und das hier war nur eine kleine Auswahl. Dieses Alternativverhalten üben Sie zunächst getrennt von den auslösenden Situationen, extra, daheim im Wohnzimmer, im Garten, auf ruhigen Feldwegen. Sobald das es gut klappt, üben Sie es bei harmlosen, aber steigenden Ablenkungen und festigen dann das Signalwort dafür.
Zusätzlich kann man die Konditionierte Entspannung mit einbauen. Diese hilft Hunden ebenfalls (und uns), in den Situationen ansprechbar und ruhiger zu werden.
Dann erst geht es an das Training mit der Auslösesituation. Damit die Emotionen noch nicht so hochkochen und der Hund ansprechbar bleibt, ist es unabdingbar, den Abstand zum Auslöser am Anfang groß genug zu wählen. Ihr Hund soll noch denken können, also noch nicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen, aber den Auslöser bereits wahrnehmen.
Der Hund sieht zum Auslöser hin, dann kommt das Signal für geübte, motivationsgerechte Alternativverhalten!
Die üblichen Trainingsempfehlungen gelten auch hier: Beim Üben rechtzeitig mit einem guten Ergebnis aufhören! Bald werden sich die ersten Erfolge einstellen und sie werden feststellen, dass die Emotion und das Verhalten des Hundes den Auslöser betreffend sich tatsächlich ändern.
Durch den Clicker und das damit verbundene Versprechen auf eine Belohnung – die dann auch kommt – bleibt Ihr Hund ansprechbar und zeigt das Alternativverhalten immer öfter auch von selbst. Bingo!
Und als letzten Schritt – wenn unser Hund gut ansprechbar das Alternativverhalten auf die große Distanz ausführen kann, gehen Sie Schritt für Schritt näher an den Auslöser heran und dann üben, üben, üben. Ihr Hund hat vor dem Training eine bestimmte Lernerfahrung gemacht (nämlich beim Anblick des Auslösers unerwünschtes Verhalten zu zeigen), die muss jetzt überschrieben werden mit neuen Lernerfahrungen. Das braucht Zeit.
Und je länger Sie das praktizieren, desto öfter werden Sie feststellen, dass Ihr Hund das trainierte Alternativverhalten von selbst anbietet oder danach fragt, auch an anderen Auslösern. Sie haben gewonnen – Sicherheit, Ruhe und Gelassenheit und Spaß beim Beschäftigen mit Ihrem Hund. Sie können dann ganz getrost das nächste Problemverhalten in Angriff nehmen, natürlich mit dem Markersignal und Alternativverhalten. Viel Erfolg mit dem passenden, gut geübten Alternativverhalten in allen aufregenden Situationen.
Als wichtige Grundlage für das sinnvolle und erfolgreiche Training eines Alternativverhaltens sollte vor Trainingsbeginn immer (im Zweifelsfall von Fachleuten) kritisch überprüft werden, ob das unerwünschte Verhalten eventuell auch durch körperliche Probleme oder unerfüllte Bedürfnisse des Hundes ausgelöst oder verstärkt werden kann. Ist dies der Fall, müssen körperliche Probleme behandelt und unerfüllte Bedürfnisse des Hundes befriedigt werden, um erfolgreich und fair trainieren zu können.
(Beitrag aktualisiert: März 2024)