Hundeverstand, Buch von John Bradshaw
Das Buch gilt schon länger im Kreise interessierter Hundehalter als Geheimtipp und wird immer wieder empfohlen, wenn es um Grundlagenverständnis zum Haustier Hund geht. Wird es seinem Ruf gerecht?
ÜBER DEN AUTOR:
John Bradshaw ist im englischsprachigen Raum ein sehr bekannter Biologe, der im Fachgebiet Kynologie maßgeblich an neuartigen Entdeckungen und Erkenntnissen beteiligt war. Bradshaw ist Gründer und Leiter des anthrozoologischen Fachbereichs der University of Bristol in England. Nicht nur verfügt er über den wissenschaftlichen Hintergrund, er lebt und wirkt mit Haushunden und in seinen Worten spiegelt sich eine große Zuneigung für den Hund wider: „Sinn und Zweck eines Hundes als Haustier ist doch, dass er unser Freund wird, nicht unser Sklave.“ (Auszug aus Hundeverstand)
DAS BUCH: GESTALTUNG
Mein Probeexemplar lag als solides Hardcover vor, das durch seine Größe und Schwere gut in der Hand liegt. Als Vergleich kann ich die englische Softcover-Variante heranziehen, das dafür leichter in einer Tasche für unterwegs zu verstauen ist. Die gut gewählte Schriftgröße ermöglicht ein flüssiges und auch kontinuierliches Lesen.
Die Kapitel sind deutlich mit Überschriften unterteilt und die großen grau hinterlegten Kapitelzahlen auf jeder Seite helfen bei der Orientierung.
Bilder sind zur Veranschaulichung in handgezeichneten Skizzen von Alan Peters eingearbeitet worden, auch werden Diagramme zur Erklärung eingesetzt. Bradshaw konzentriert sich auf allgemeine Erkenntnisse über Hunde, weswegen das Buch keine Trainingsanleitungen bietet. Allerdings wird auf grauem Untergrund durchaus hin und wieder auf Alltagsprobleme eingegangen, um Anhaltspunkte für das Zusammenleben zu geben. Durch diese deutliche Markierung schafft der Autor den Sprung zwischen Sachlichkeit und seiner eigenen Meinung sehr elegant.
DER INHALT: BUCHKAPITEL
- Woher kommt der Hund
- Wie aus Wölfen Hunde wurden
- Warum Hunde – leider – wieder zu Wölfen gemacht wurden
- Zuckerbrot und Peitsche – Die Wissenschaft des Hundetrainings
- Wie aus Welpen Familienhunde werden
- Liebt Ihr Hund Sie?
- Intelligenz bei Hunden
- Komplizierte unkomplizierte Gefühle
- Eine Welt der Gerüche
- Probleme der Rassehundezucht
- Hunde und die Zukunft
Die logisch aufgebauten Kapitel decken alles ab, was der hundeinteressierte Leser wissen muss: Von wilden Verwandten bis hin zu Hundetraining, Intelligenz und Problemen in der Rassezucht erläutert Bradshaw, welche Erkenntnisse er im Laufe seiner jahrelangen Arbeit gewonnen hat. Der englische Titel „In Defence of Dogs“ („Zur Verteidigung des Hundes“) verrät ein wenig besser als der deutsche, warum die Aufteilung so gewählt wurde.
Der Verfasser lässt sich nicht hinreißen, jedes Kapitel nur vorsichtig anzuschneiden, sondern erklärt gekonnt und mit Leichtigkeit, warum welche Erkenntnis wie zu bewerten ist, als Leser bekommt man nicht das Gefühl, bevormundet zu werden. Ich habe mich selbst immer wieder ertappt, wie mir buchstäblich ein Licht aufging, selbst wenn ich zu einem bestimmten Thema eine andere, vorgefestigte Meinung hatte. Besonders lehrreich und spannend war für mich das Kapitel „Warum Hunde – leider – wieder zu Wölfen gemacht wurden“. Hier geht Bradshaw messerscharf auf wirklich jeden Punkt ein, warum das Wolfsmodell so verführerisch eingesetzt wurde, um Hundeverhalten zu erklären. Nicht nur der bekannte Fehler, ein Wolfsrudel in Gefangenschaft heranzuziehen wird eindrücklich geschildert, sondern auch das Verhalten anderer Wildhunde und der Pariahunde findet Gehör, um schlüssig zu erörtern, warum ein Hund kein Wolf ist, nicht einmal ein freilebender. Dieses Kapitel geht nahtlos in „Zuckerbrot und Peitsche – Die Wissenschaft des Hundetrainings“ über und in dieser Weise schöpft Bradshaw jedes Einzelgebiet mit seinem Buch durch seinen intelligenten Aufbau aus und bestätigt die Erkenntnisse ganzheitlich. Dabei ist sein Schreibstil auch für Leser geeignet, die keine wissenschaftliche Abhandlung in ihrer Freizeit konsumieren wollen. Wer in die Materie allerdings tiefer eintauchen möchte, kann die angehängte Liste mit weiterführender Literatur zurate ziehen. Wie in jedem guten Sachbuch üblich, finden sich ausführliche Anmerkungen und Quellen am Ende, sowie ein Index mit Schlagwörtern.
Einzig das Kapitel über das Problem der Rassehundezucht hat mich persönlich nicht gänzlich überzeugt. Hier verliert sich Bradshaw in oft gehörten Klischees, ohne die Oberfläche wirklich zu verlassen. Natürlich untermauert er seine Erkenntnisse gekonnt, stellt Ausdrucksverhalten einiger ausgewählter Rassen gegenüber, um auf die Unterschiede und die damit einhergehenden Probleme aufmerksam zu machen – leider bleibt der Beigeschmack, dass der Autor hier sehr einseitig betrachtet. Ich hätte mir noch mehr differenzierende Punkte in diesem Kapitel gewünscht. Da er unter dem Gesichtspunkt schreibt, Hunde zu verteidigen, fällt dies allerdings nicht allzu negativ ins Gewicht.
Fazit:
John Bradshaw hat ein wundervolles, ehrliches Buch geschrieben, das das Denken von Hundehaltern verändern kann. Selbst wenn er anklagt, macht er dies so geschickt und unterfüttert seine Kritik mit vielen Fakten, sodass man gewillt ist, über sich selbst nachzudenken. „Hundeverstand“ ist eine dringende Empfehlung an alle, die mit Hunden arbeiten und leben – Easy Dogs Insidertipp!
VERLAGSINFO:
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- Autor: John Bardshaw
- Kynos Verlag (3. Auflage, 2013)
- Umfang: 320 Seiten
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3942335805
- Format: 17,7 x 2,8 x 23,3 cm
- Preis: 19,95 €
Der Biologe John Bradshaw ist Gründer und Leiter des weltweit renommierten anthrozoologischen Institutes an der Universität von Bristol, England. Seit über 25 Jahren gilt sein wissenschaftliches Interesse dem Verhalten von Haushunden und deren Besitzern. Seine zahlreichen Veröffentlichungen haben nicht nur ein neues Licht darauf geworfen, zu was Hunde alles fähig sind, sondern auch dazu geführt, dass sie mit anderen Augen gesehen werden.